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63/02 Gehaltsgesetz;Norm
GehG 1956 §113 Abs9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des Mag. Dr. H in I, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 27. November 2001, Zl. 1815.190946/2- III/A/9e/2001, betreffend die Aussetzung eines dienstrechtlichen Verfahrens gemäß § 38 AVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Professor der Verwendungsgruppe L 1 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Bundesgymnasium/Bundesrealgymnasium Innsbruck.
Mit Schreiben vom 28. Juni 2001 beantragte der Beschwerdeführer die Verbesserung seines Vorrückungsstichtages, weil ihm seine Zeiten als teilbeschäftigter Angestellter der Universität Innsbruck (Tätigkeit als Demonstrator bzw. Vertragsassistent) nach den derzeit geltenden Bestimmungen zur Gänze anzurechnen wären.
Mit Bescheid des Landesschulrates für Tirol vom 16. Juli 2001 wurde dieser Antrag abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. November 2001 wurde das gegen den Bescheid des Landesschulrates für Tirol vom 16. Juli 2001, betreffend Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages, angestrengte Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des unter GZ 6 Cga 119/00p beim Obersten Gerichtshof anhängigen arbeitsgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt.
Aus der Begründung des Bescheides geht hervor, dass mit Bescheid des Landesschulrates für Tirol vom 26. August 1977 der Vorrückungsstichtag des Beschwerdeführers mit 17. Dezember 1970 festgesetzt worden sei. Die unterhälftigen Vordienstzeiten an der Universität Innsbruck als Demonstrator bzw. Vertragsassistent seien gemäß § 12 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 in der damals geltenden Fassung (GG 1956) im halben Ausmaß angerechnet worden. Wenn im Ermittlungsverfahren Vorfragen auftauchten, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder Gerichten zu entscheiden wären, könne die zuständige Behörde das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen.
Zur Lösung der Frage, ob die vom Beschwerdeführer an der Universität zurück gelegten unterhälftigen Vordienstzeiten im Zeitraum 1. September 1972 bis 15. Februar 1981 im Hinblick auf die europarechtlichen Vorschriften unter Hintanhaltung des § 113 Abs. 9 GG 1956 nunmehr zur Gänze anzurechnen seien, sei als Vorfrage zu klären, ob europarechtliche Vorschriften innerstaatlichem Recht zuvor gingen. Da diese für das gegenständliche Verfahren entscheidende Vorfrage derzeit beim Obersten Gerichtshof unter GZ 6 Cga 119/00p anhängig sei, werde die vom Beschwerdeführer beantragte bescheidmäßige Erledigung bis zur Entscheidung in diesem Verfahren ausgesetzt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer stützt seine Beschwerde maßgeblich darauf, dass es sich nicht um eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG handle. Das zitierte, beim Obersten Gerichtshof anhängige Verfahren betreffe den Beschwerdeführer nicht. Eine Vorfrage liege aber nur dann vor, wenn "ein dem Sachverhalt angehöriges, vorweg zu klärendes rechtliches Element des konkreten, zur Entscheidung stehenden Rechtsfalles" betroffen sei.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer Vorfrage im Sinne der §§ 38 und 69 Abs. 1 Z. 3 AVG eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden ist. Die Beantwortung der Vorfrage liefert ein unentbehrliches Tatbestandselement für die Entscheidung in der Hauptsache (vgl. die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 506, wiedergegebene Judikatur). Der besondere prozessökonomische Sinn der Vorschrift des § 38 AVG liegt darin, dass die Entscheidung der Vorfrage, deren Ergehen abgewartet wird, in der Folge die Behörden bei der Entscheidung über die Hauptfrage bindet.
Das mit dem angefochtenen Bescheid unterbrochene Berufungsverfahren betrifft eine Angelegenheit der §§ 12 Abs. 1 und 113 Abs. 9 Gehaltsgesetz 1956. Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof zur Zl. 6 Cga 119/00p, bis zu dessen Entscheidung das vorliegende Berufungsverfahren ausgesetzt worden war, ist ein Rechtsstreit über die Anwendbarkeit und Auslegung der §§ 26 Abs. 3 und 82 Abs. 9 VBG. Der Beschwerdeführer ist unbestritten nicht Partei dieses Gerichtsverfahrens.
Ein unmittelbarer Zusammenhang dieses Gerichtsverfahrens mit dem vorliegenden Berufungsverfahren und damit eine Bindungswirkung der dort ergehenden Entscheidung für das vorliegende Verfahren ist daher nicht gegeben. Dementsprechend verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auch nur auf eine "mittelbare" Relevanz dieses Rechtsstreites vor dem Obersten Gerichtshof für das Beamtendienstrecht (Besoldungsrecht).
Eine solche "mittelbare" Bedeutung des Ausgangs dieses Gerichtsverfahrens bildet aber keine tragfähige Grundlage für die Aussetzung des anhängigen Berufungsverfahrens, stellt doch die Entscheidung der gerichtsanhängigen Frage keine Vorfrage für das Berufungsverfahren im obgenannten Verständnis dar. Daran vermag auch der Umstand, dass die Ergebnisse des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (im Sinne von wertvollen Hinweisen und dgl.) auch vorliegendenfalls nutzbar gemacht werden könnten, nichts zu ändern (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2000, Zl. 99/12/0286).
Die belangte Behörde hätte daher ihr Verfahren fortzuführen und die Frage der Anwendbarkeit des § 113 Abs. 9 GG 1956 aus eigener Anschauung und Überzeugung selbst zu beurteilen gehabt. Die statt dessen erfolgte Aussetzung des Verfahrens erweist sich aus den genanten Gründen als rechtswidrig.
Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 24. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002120011.X00Im RIS seit
08.07.2002