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E3R E02202000;Norm
31992R2913 ZK 1992 Art202 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2001/16/0443Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerden des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich in 4010 Linz, Zollamtstraße 7, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenate II und III der Region Wien) vom 1.) 3. Mai 2001, Zl. ZRV/3-W3/01 (hg. Zl. 2001/16/0443), und 2.) vom 28. Juni 2001, Zl. ZRV/36- W2/00 (hg. Zl. 2001/16/0410), betreffend Eingangsabgaben (mitbeteiligte Parteien: zu 1.) T Kft und zu 2.) D, beide in T, Ungarn, beide vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Ein in Budapest auf einen Eisenbahnwaggon verladener ungarischer Lastkraftwagen (Sattelzugmaschine samt Auflieger) kam -
auf der so genannten "rollenden Landstraße" - über das Zollamt Nickelsdorf zum Bahnhof Wels, von wo er nach erfolgter Zollabfertigung auf eigener Achse die Fahrt nach Großbritannien fortsetzen sollte.
Nach dem die Ware begleitenden CMR-Frachtbrief war der LKW mit 26 Paletten Damenbinden beladen. Versender war H Kft in C, Empfänger P Ltd. in England. Die Erstmitbeteiligte hatte einen Frachtauftrag von einer ungarischen Spedition. Der LKW wurde auf dem Firmengelände des Versenders verladen und anschließend einer ungarischen Zollkontrolle unterzogen. Erst danach wurde dem Zweitmitbeteiligten von seinem Arbeitgeber, der Erstmitbeteiligten, der Auftrag erteilt, den beladenen LKW zu übernehmen, um die Fahrt nach England durchzuführen.
Nach Ankunft des LKW's am Bahnhof Wels begab sich der Fahrer mit den Frachtpapieren zu einer Spedition, die auf Grund dessen einen Versandschein für das externe Versandverfahren ausfertigte. Mit diesem Versandschein wurden am 6. Oktober 1999 26 Paletten "Windeln" zum Versandverfahren angemeldet, vom Zollamt wurde der Versandschein angenommen und es erfolgte bei der Abgangszollstelle Wels die Überführung in das Versandverfahren. Unmittelbar nach der Überführung in das Versandverfahren nahm eine Sondereinsatzgruppe eine Intensivkontrolle des LKWs und der Ladung vor. Dabei wurden die Paletten geöffnet und bei der "inneren Beschau" 2,013.780 Stück Zigaretten in den Packstücken vorgefunden und beschlagnahmt.
Mit Bescheid vom 12. Oktober 1999 teilte das Hauptzollamt Linz dem Zweitmitbeteiligten gemäß Artikel 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG die Eingangsabgabenschuld von S 4,402.763,-- mit.
Mit Bescheid vom 20. November 2000 teilte das Hauptzollamt Linz der Erstmitbeteiligten als dem Dienstgeber des Zweitmitbeteiligten die Eingangsabgabenschuld von S 4,402.763,-- gemäß Artikel 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK iVm § 79 Abs. 2 ZollR-DG mit.
Mit dem im Instanzenzug an den Zweitmitbeteiligten ergangenen angefochtenen Bescheid vom 28. Juni 2001 gab die belangte Behörde der Beschwerde statt und setzte die Abgaben mit Null fest. Dabei wurde die Auffassung vertreten, die Zigaretten seien nicht "besonders versteckt oder verborgen" gewesen und vom Zweitmitbeteiligten "schlüssig" im Sinne des Artikels 40 ZK gestellt worden. Der Zweitmitbeteiligte habe von den beigeladenen Zigaretten nichts gewusst, das gegen ihn anhängige Strafverfahren sei eingestellt worden und ihm sei keine Pflichtverletzung anzulasten. Die Vorschreibung der Eingangsabgabenschuld an den Zweitmitbeteiligten nach Artikel 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK sei rechtswidrig.
Mit dem im Instanzenzug an die Erstmitbeteiligte ergangenen angefochtenen Bescheid vom 3. Mai 2001 gab die belangte Behörde der Beschwerde statt und setzte die Abgaben mit Null fest. In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, für den Zweitmitbeteiligten sei für die Zigaretten die Einfuhrzollschuld gemäß Artikel 202 ZK iVm Artikel 234 Abs. 2 ZK-DVO entstanden. Für den Dienstgeber, der Erstmitbeteiligten, sei die Zollschuld nach § 79 Abs. 2 ZollR-DG nicht entstanden, weil der Geschäftsführer dieses Unternehmens keine Kenntnis vom Vorhandensein der Zigaretten gehabt habe. Bei rechtskräftigem Verfallsausspruch sei ein Erlöschen der Zollschuld gemäß
Artikel 233 Buchstabe d ZK zu erwarten. Die Vorschreibung der Eingangsabgabenschuld an die Erstmitbeteiligte sei demnach rechtswidrig.
Gegen diese Bescheide erhob der Präsident der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof, in denen er die Auffassung vertrat, für den Zweitmitbeteiligten seien die Voraussetzungen für die Verwirklichung der Zollschuld nach Artikel 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK gegeben gewesen. Somit sei für den Dienstgeber des Zweitmitbeteiligten, die Erstmitbeteiligte, die Zollschuld nach
Artikel 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK iVm § 79 Abs. 2 ZollR-DG entstanden. Der beschwerdeführende Präsident beantragt die Aufhebung der Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften.
Das Landesgericht Wels und das Hauptzollamt Linz teilten dem Verwaltungsgerichtshof auf Anfrage mit Schreiben vom 15. und 16. April 2002 mit, dass die beschlagnahmten Zigaretten am 31. Mai 2000 unter amtlicher Aufsicht durch Verbrennen vernichtet worden seien, sodass kein wirtschaftlich verwertbares Gut zurückgeblieben sei. Mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 12. Juni 2001 wurden die Zigaretten gemäß § 243 FinStrG und § 445 Abs. 2 StPO iVm § 18 FinStrG für verfallen erklärt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Rechtssachen wegen ihres rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung verbunden und darüber erwogen:
Waren, die nach Maßgabe des Artikels 38 Abs. 1 Buchstabe a ZK bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort eintreffen, sind gemäß
Artikel 40 ZK von der Person zu gestellen, welche die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat oder die gegebenenfalls die Beförderung der Waren nach dem Verbringen übernimmt.
Gemäß Artikel 4 Z 19 ZK ist Gestellung die Mitteilung an die Zollbehörden in der vorgeschriebenen Form, dass sich die Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befinden.
Nach § 37 ZollR-DG ist es zur Gestellung ausreichend, dass Waren auf verkehrsübliche Weise befördert werden und das einschreitende Zollorgan daher von ihrem Vorhandensein ohne Schwierigkeit Kenntnis erlangen kann.
Mittels Gestellung wird der Zollbehörde mitgeteilt, dass sich eine eingeführte oder auszuführende Ware bei der Zollstelle oder an einem anderen zugelassenen Ort befindet. Nicht das tatsächliche Verbringen ist entscheidend, sondern nur die Mitteilung. Dabei wird jedoch logisch vorausgesetzt, dass die Ware körperlich am bezeichneten Ort ist. Bei der Mitteilung ist ausreichend, auf das Vorhandensein von Waren hinzuweisen. Wer sofort eine Zollanmeldung abgibt, gestellt damit gleichzeitig (Witte, Zollkodex-Kommentar2, 47 und 48).
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nicht alle Waren in jedem Fall offensichtlich erkennbar, z.B. auf einem LKW, geladen sind, muss die Reichweite der Gestellungsmitteilung in Bezug auf die Waren, die von der Erklärung erfasst sind, eingegrenzt sein. So kann sich die Mitteilung ohne weitere Zusätze auf diejenigen Waren beziehen, mit deren Vorhandensein der befasste Zöllner unter normalen Umständen auch rechnen kann. Versteckte (an nicht üblichen Orten befindliche) oder verheimlichte (durch besondere Vorrichtungen versteckte) Waren sind ohne eine qualifizierte Mitteilung nicht gestellt, weil die Zollstelle ohne besondere, nicht für den Normalfall geschaffene Maßnahmen ihre Befugnisse nicht ausüben kann (Witte/Kampf, aaO. Rz 4 zu Artikel 40).
Werden Waren auf besondere Weise versteckt, dann wird von den Verbringern der Waren damit beabsichtigt, solche Waren der Zollbehörde vorzuenthalten, jedenfalls aber nicht mitzuteilen und zu gestellen sowie einer Zollbehandlung zuzuführen. Versteckte Waren sind nicht gestellt.
Die gegenständlichen Zigaretten befanden sich in den 26 Paletten versteckt. Die Paletten wurden geöffnet und bei der "inneren Beschau" der Packstücke wurden die Zigaretten vorgefunden. Von der - wie die belangte Behörde (Bescheid vom 28. Juni 2001) meint, "zumindest schlüssig" erfolgten - Gestellung der versteckten Zigaretten, die nur bei einer Intensivkontrolle im Fall der Öffnung der Packstücke vorzufinden waren, kann im Beschwerdefall keine Rede sein.
Nach Artikel 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird. Im Sinne dieses Artikels ist vorschriftswidriges Verbringen jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Artikel 38 bis 41 und 177 zweiter Gedankenstrich.
Gemäß Artikel 202 Abs. 2 ZK entsteht die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht wird.
Die Zigaretten wurden unter Nichtbeachtung der Gestellungspflicht nach Artikel 40 ZK in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht. Demnach ist die Zollschuld für die beschlagnahmten Zigaretten entgegen der Ansicht des beschwerdeführenden Präsidenten nach Artikel 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK entstanden.
Unbeschadet der geltenden Vorschriften über die Verjährung der Zollschuld sowie über die Nichterhebung des Betrags der Zollschuld in den Fällen, in denen die Zahlungsunfähigkeit des Zollschuldners gerichtlich festgestellt worden ist, erlischt die Zollschuld nach Artikel 233 Buchstabe d ZK, wenn Waren, für die eine Zollschuld gemäß Artikel 202 entstanden ist, bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen werden.
Nach Mitteilung des Landesgerichtes Wels vom 16. April 2002 und des Hauptzollamtes Linz vom 15. April 2002 wurden die in Rede stehenden Zigaretten am 31. Mai 2000 unter amtlicher Aufsicht durch Verbrennen so weit vernichtet, dass kein wirtschaftlich verwertbares Gut zurückgeblieben ist.
Ist die Zollschuld nach Artikel 202 Abs. 1 ZK entstanden und erfolgt gleichzeitig oder später die Einziehung, erlischt die Zollschuld. Das ist aber nur der Fall, wenn die Ware nicht zuvor in den Wirtschaftskreislauf eingegangen ist. Sie muss also sofort beim vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt worden sein. Dies ist gegeben, solange ihre Beförderung im Anschluss an das Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft noch andauert. Die Beförderung ist als einheitlicher Lebensvorgang anzusehen und damit erst dann beendet, wenn die Ware am ersten Bestimmungsort eingetroffen und mithin zur Ruhe gekommen ist (Witte, aaO, Rz 18 zu Artikel 233 ZK).
Die Kontrolle der Ladung des LKWs erfolgte unmittelbar nach Annahme der Anmeldung und Beginn des Versandverfahrens. Die vorgefundenen Zigaretten sind demnach nicht in den Wirtschaftskreislauf eingegangen.
Die beschlagnahmten und verfallsbedrohten Zigaretten wurden wegen der unverhältnismäßig hohen Aufbewahrungskosten am 31. Mai 2000 im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung des Landesgerichtes vorzeitig durch Verbrennen vernichtet noch bevor der Verfall der Zigaretten durch das Landesgericht formal mit Beschluss ausgesprochen wurde.
Die Einziehung ist der dauernde Entzug der Verfügungsmacht über die Ware (Witte, aaO, Rz 16 zu Artikel 233).
Nach dieser vom Verwaltungsgerichtshof geteilten Auffassung erfolgte die Einziehung der Zigaretten im Sinne des Artikels 233 Buchstabe d ZK bereits mit der Vernichtung durch Verbrennen, weil damit die Verfügungsmacht über die Zigaretten auf Dauer entzogen war.
Für die Zigaretten ist die Zollschuld nach Artikel 202 Abs. 1 ZK entstanden, die Zigaretten wurden beim vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt, ohne dass sie in den Wirtschaftskreislauf Eingang gefunden haben, und durch Vernichtung eingezogen. In einem solchen Fall des Erlöschens der Zollschuld nach Artikel 233 Buchstabe d ZK sind Festsetzungs- und Einhebungsverfahren für die auf den Zigaretten lastenden Eingangsabgaben nicht mehr durchzuführen. Dies wird von den Beschwerden verkannt.
Die belangte Behörde setzte daher in den angefochtenen Bescheiden vom 3. Mai 2001 und 28. Juni 2001 im Ergebnis mit Recht die Zollschuld mit Null fest. Die Beschwerden erweisen sich demnach als nicht begründet.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein weiteres Eingehen darauf, ob der Zweitmitbeteiligte im Beschwerdefall Verbringer der Zigaretten im Sinn des Artikels 202 ZK war oder für ihn die Zollschuld nach Artikel 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK wegen seiner Beteiligung entstehen konnte. Nicht weiter einzugehen ist auch auf die nationale Bestimmung des § 79 Abs. 2 ZollR-DG, die über den Kreis der Zollschuldner des ZK hinaus weitere Personen als Zollschuldner normiert, was im Fall einer abschließenden Regelung des ZK über die Zollschuldner gemeinschaftsrechtswidrig wäre.
Aus den dargelegten Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die für den Schriftsatzaufwand geltend gemachte Umsatzsteuer, die bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist. Der belangten Behörde war Kostenersatz gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht zuzusprechen.
Wien, am 24. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001160410.X00Im RIS seit
22.08.2002Zuletzt aktualisiert am
21.05.2013