TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2000/05/0083

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;

Norm

BauO Wr §17 Abs1 idF 1976/018;
BauO Wr §17 Abs5 idF 1976/018;
BauO Wr §17 Abs5 idF 1990/007;
BauO Wr §58 Abs2 idF 1976/018;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/05/0084

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerden I. 1. des KS, 2. der HS und 3. des TS, alle in Wien, alle vertreten durch Dr. RD, Rechtsanwalt in Wien (Beschwerde Zl. 2000/05/0083), sowie II. der C Gesellschaft mbH in Wien, vertreten durch Dr. RD, wie zuvor (Beschwerde Zl. 2000/05/0084), jeweils gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 14. Oktober 1997, Zl. MD-VfR - B XXIII - 61/97, betreffend Entschädigung gemäß § 58 Abs. 2 der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Spruch

I.) Der Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Viertbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II.) Die zur Zl. 2000/05/0083 protokollierte Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- je zu einem Drittel binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, vom 6. Feber 1985 wurde der Beschwerdeführerin im Verfahren Zl. 2000/05/0084 (in der Folge Viertbeschwerdeführerin, auch "frühere Eigentümerin") als Grundeigentümerin die Abteilung näher bezeichneter Grundstücke (im Bereich der Breitenfurterstraße) nach den Abteilungsplänen des Dipl. Ing. Dr. J.P. vom 27. Juli 1982 auf den Bauplatz Nr. 2, besteht aus dem "prov. Grundstück (945/1)", ferner auf die Trennstücke, bestehend aus dem Grundstück 947/3 und dem Grundstück rot 945/4, sowie auf eine Verkehrsfläche, Grundstück rot 945/3, mit verschiedenen Vorschreibungen bewilligt, darunter

"1.) Das in den Abteilungsplänen vorläufig mit rot 945/3 bezeichnete Grundstück ist gemäß § 17 Abs. 1 der BO. f. Wien gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung dieser Abteilung lastenfrei und gegen die nach § 17 Abs. 5 der BO. f. Wien gewährleistete Entschädigung in das öffentliche Gut zu übertragen und über Auftrag der Baubehörde in der bestehenden Höhenlage und von allen Baulichkeiten gemäß den Bestimmungen des § 129 Abs. 2 der BO. f. Wien geräumt, in den physischen Besitz der Stadt Wien zu übergeben."

Die grundbücherliche Durchführung wurde mit dem Beschluss des zuständigen Grundbuchsgerichtes vom 5. März 1986 bewilligt. Diese Bewilligung umfasste unter anderem die lastenfreie Abschreibung des Grundstückes Nr. 945/3 von einer näher bezeichneten Einlagezahl und dessen Zuschreibung zur Liegenschaft EZ 1802 (öffentliches Gut).

Unstrittig ist, dass das Grundstück Nr. 945/3 zwischen der Baulinie und der Bundesstraße B 12 liegt, diesen Bereich jedoch nur insoweit einnimmt, als er nicht auf das Grundstück Nr. 947/3 und die im Teilungsplan vom 21. Juli 1982 als Teilstück 2 bezeichnete Fläche entfällt. Auf dem Grundstück 947/3 und auf dem Teilstück 2 sind im Teilungsplan Baulichkeiten dargestellt.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag vom 21. März 1995 brachte die Viertbeschwerdeführerin vor, sie habe auf Grund des Bescheides vom 26. April 1985 das Grundstück Nr. 945/3 in das öffentliche Gut übertragen (wobei sie die Auffassung vertrat, dass die Übertragung in den physischen Besitz der Stadt Wien ebenso bereits erfolgt sei, wie die Übertragung des Eigentums), und spreche hiefür eine Entschädigung von S 4.000,-- je Quadratmeter an, die ihrer Auffassung nach bereits fällig sei.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 14. Juni 1995 wurde das Begehren der Viertbeschwerdeführerin abgewiesen, weil die fragliche Fläche noch nicht im physischen Besitz der Stadt Wien stehe.

Dagegen erhob die Viertbeschwerdeführerin Berufung. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1995 gab die MA 28 der Berufungsbehörde bekannt, dass die ins öffentliche Gut übertragene Grundfläche noch nicht im physischen Besitz der Stadt Wien stehe und eingefriedet sei (zwei genannte Baulichkeiten vor der Baulinie bestünden noch). Die Viertbeschwerdeführerin vertrat hierauf zusammengefasst die Auffassung, dass die Entschädigungszahlung entgegen der Auffassung der Behörden fällig sei.

Mit Berufungsbescheid vom 29. August 1996 behob die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid vom 14. Juni 1995 gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Entscheidung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Tragender Aufhebungsgrund war, dass die mangelnde Fälligkeit nicht die Festsetzung einer Entschädigungssumme hindere (Anm.: In diesem Bescheid wurde ua. darauf verwiesen, dass die abgetretenen Grundflächen für eine Gemeindestraße bestimmt waren, die neben der Bundesstraße verlaufen sollte). Dieser Bescheid blieb der Aktenlage zufolge unbekämpft.

Im fortgesetzten Verfahren holte die erstinstanzliche Behörde (neuerlich) einen Grundbuchsauszug ein, aus welchem sich ergab, dass nunmehr die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien (in der Folge auch kurz: neue Eigentümer) auf Grund eines Kaufvertrages vom 20. Oktober 1994 und einer "Urkunde" vom 11. April 1996 das Eigentum am angrenzenden Bauplatz erworben hatten. Zur mündlichen Verhandlung am 14. Jänner 1997 wurden demnach alle Beschwerdeführer geladen. Alle Beschwerdeführer nahmen daran (durch einen rechtsfreundlichen Vertreter) teil. Im Zuge dieser Verhandlung, in der es auch um die Bewertung der strittigen Grundfläche ging, teilte ein Vertreter der MA 28 mit, dass sich diese Fläche nach wie vor nicht im physischen Besitz der Stadt Wien befinde. Ein Ausbaubeschluss betreffend die Breitenfurterstraße liege nicht vor. Über den tatsächlichen Zeitpunkt einer etwaigen Übernahme könne derzeit keine Aussage getroffen werden.

Mit Schriftsatz vom 18. März 1997 erklärten die neuen Eigentümer, dem Antrag der früheren Eigentümerin vollinhaltlich beizutreten. Sie seien als Miteigentümer der mit der Abtretungsverpflichtung behafteten Liegenschaft antragslegitimiert. Alle Beschwerdeführer gaben weiters bekannt, dass sie gegen die Festsetzung der Entschädigung im Ausmaß von S 3.800,-- pro Quadratmeter "im Falle der unverzüglichen Auszahlung" keine Einwände hätten.

Mit dem (im zweiten Rechtsgang ergangenen) erstinstanzlichen Bescheid vom 21. Mai 1997, entschied die Behörde wie folgt (Wortlaut des Spruches):

"Gemäß § 58 Abs. 2 lit. a und Abs. 4 der Bauordnung für Wien (BO) wird den Eigentümern des Bauplatzes 2, Grundstück 945/1, inneliegend in E.Z. ... des Grundbuches der Kat. Gem. ..., für die nach Maßgabe des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes in das öffentliche Gut abgetretene Grundfläche im Ausmaß von 413 m2 eine Entschädigung in der Höhe von S 1,569.400,--, das sind S 3.800,-- /m2, zuerkannt.

Unter einem wird festgestellt, dass der Bauplatz 2, Grundstück 945/1 in E.Z. ... der Kat. Gem. ..., nach den Teilungsplänen des Ing. Kons. f. Verm. Wesen Herrn Dipl.- Ing. Dr. nat. techn. J... P... vom 21.7.1982, G.Z. 2303/82, mit den violetten Änderungen vom 27.2.1985, mit Bescheid vom 6.2.1985, Z1.: MA 64 - E.Z. (...) - 1/82, genehmigt und die Grundabteilung am 5.3.1986 zu T.Z. 457/86 grundbücherlich durchgeführt wurde.

Die Entschädigung selbst wird erst nach physischer Übergabe der Entschädigungsfläche an die Stadt Wien fällig."

Dieser Bescheid erging gemäß seinem "Verteiler" an die (namentlich angeführten) erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien, zu Handen des Beschwerdevertreters, "als Antragsteller und Grundeigentümer" dieser Liegenschaft, weiters an die MA 69 sowie an die MA 40.

Gegen diesen Bescheid erhoben alle vier Beschwerdeführer (eine gemeinsame) Berufung. Es heißt darin, zunächst sei festgehalten, dass der bekämpfte Bescheid keinen Bescheidadressaten enthalte und es werde "daher angeregt, den Bescheid in dieser Hinsicht von Amts wegen zu berichtigen. In eventu wird das Fehlen des Bescheidadressaten auch als Berufungsgrund geltend gemacht". Im Anschluss daran heißt es weiter, der Bescheid werde hinsichtlich des letzten Satzes des Spruches bekämpft (Fälligkeit). Die Festsetzung der Höhe der Entschädigung werde nicht angefochten.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde I. die Berufung der Viertbeschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen und II. die Berufung der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien als unbegründet abgewiesen und den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid im Umfang seiner Anfechtung bestätigt.

Dies wurde nach Darstellung des Verfahrensganges damit begründet, dass das Recht auf Geltendmachung der Entschädigung nur dem Eigentümer jener Liegenschaft zustehe, von welcher aus die Abtretung erfolgt sei, was sich eindeutig aus § 58 Abs. 2 lit. a BO ergäbe. Da die Viertbeschwerdeführerin nicht mehr Eigentümerin jener Liegenschaft sei, sei ihre Berufung mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen.

Entgegen der Auffassung, in der Berufung der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien sei der Zeitpunkt, ab welchem das Recht auf Entschädigung geltend gemacht werden könne, vom Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Entschädigung zu unterscheiden. Diese Zeitpunkte fielen nur ausnahmsweise dort zusammen, wo keine Abtretungsverpflichtung bestehe. In solchen Fällen werde die von der Gemeinde zu leistende Entschädigung mit der Rechtskraft des Bescheides über die Festsetzung der Entschädigung fällig. Ansonsten fielen diese Zeitpunkte auseinander, wie sich eindeutig aus § 58 Abs. 4 letzter Satz BO ergäbe. Demnach sei bei einem Eigentumswechsel in der Zeit zwischen der Festsetzung und der Fälligkeit der Entschädigung diese an jene Person zu leisten, die zur Zeit der Fälligkeit Eigentümer sei. Unzutreffend sei die Auffassung dieser Beschwerdeführer, dass die fragliche Fläche mit der grundbücherlichen Eigentumsübertragung zugleich in den physischen Besitz der Stadt Wien übergegangen sei. Die Bauordnung für Wien unterscheide in ihrem § 17 Abs. 1 deutlich zwischen der Übertragung, womit die Änderung des Eigentums gemeint sei, und der Übergabe von Grundflächen. Das Fortbestehen des Nutzungsrechtes der bisherigen Eigentümer einer Grundfläche bis zur Übergabe an die Stadt Wien zeige, dass Übertragung und Übergabe von Grundflächen im Sinne der Bauordnung für Wien nicht gleichzusetzen seien. Auch § 17 Abs. 2 BO nenne eine Verpflichtung zur Abtretung und Übergabe. Die Erwähnung einer Verpflichtung zur Übergabe könnte entfallen, wenn ihre Wirkungen schon mit der Abtretung, also der bloßen Eigentumsübertragung, verbunden wären. Der Übergabe einer Grundfläche komme somit nach der Bauordnung für Wien neben der Abtretung eine eigenständige Bedeutung zu.

Im erstinstanzlichen Verfahren sei dazu in der Verhandlung vom 10. Feber 1997 vom Vertreter der Straßenverwaltung neuerlich bekräftigt worden, dass die Entschädigungsfläche zwar ins öffentliche Gut übertragen worden sei, sich aber noch nicht im physischen Besitz der Stadt Wien befinde. Sie sei eingefriedet und die beiden Baulichkeiten vor der Baulinie bestünden noch. Die von den beiden zuletzt genannten Baulichkeiten in Anspruch genommenen Flächen seien zwar nicht Teile des Grundstückes Nr. 945/3, mit diesem aber lagemäßig so verbunden, dass ihr Weiterbestand die Aussage der MA 28, die Entschädigungsfläche stehe noch nicht im physischen Besitz der Stadt Wien, plausibel erscheinen lasse. Auch die Einfriedung spreche gegen die Annahme, dass die Fläche bereits der Gemeinde übergaben worden sei, setze doch § 17 Abs. 1 BO die Räumung der zu übergebenden Flächen voraus.

Letztlich sei noch festzuhalten, dass gemäß § 17 Abs. 1 BO dem jeweiligen Eigentümer des mit der Übergabsverpflichtung belasteten Bauplatzes bis zur Übergabe das Nutzungsrecht an den zu übergebenden Grundflächen zustehe. Auch aus diesem Blickwinkel erschiene es daher sachlich nicht gerechtfertigt, die Entschädigung sofort mit der mit der grundbücherlichen Durchführung einer Grundabteilung verbundenen Erwerb des Eigentums an einer gewidmeten Verkehrsfläche durch die Gemeinde fällig zu stellen, weil die jeweilige Fläche ja vom Abtretungsverpflichteten zunächst voll weitergenutzt werden könne.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass das Grundstück Nr. 945/3 noch nicht in den physischen Besitz der Stadt Wien übergeben worden und daher eine Fälligkeit der Entschädigung noch nicht eingetreten sei.

Gegen diesen Bescheid erhoben die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien einerseits und die Viertbeschwerdeführerin andererseits (letztere inhaltlich gegen den Spruchpunkt I., erstere inhaltlich gegen den Spruchpunkt II.) gesonderte Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschlüssen vom 29. November 1999, B 3051/97-6 (betreffend die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien) B 3050/97-3 (betreffend die Viertbeschwerdeführerin) die Behandlung der Beschwerden ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In ihren über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerden machen die Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, beide Beschwerdeverfahren zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden, und hat erwogen:

Strittig ist einerseits der Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Entschädigung, andererseits aber auch, wer berechtigt ist, diese anzusprechen (der "alte" oder die "neuen" Eigentümer).

Maßgeblich ist im Beschwerdefall die Bauordnung für Wien (BO), LGBl. Nr. 12/1930, wobei sich die Parteien des Verwaltungsverfahrens insbesondere auf die §§ 17 und 58 gestützt haben. Beide Paragraphen wurden durch die Novelle LGBl. Nr. 18/1976 neu gefasst und in der Folge teilweise durch die Novelle LGBl. Nr. 7/1990 geändert.

§ 17 BO lautete in der Fassung LGBl. Nr. 18/1976:

"Grundabtretungen zu Verkehrsflächen bei Abteilungen im Bauland

§ 17. (1) Bei Abteilung einer Grundfläche auf Bauplätze, Baulose oder Teile von solchen (§ 13 Abs. 2 lit. a und b) sind die nach Maßgabe der Baulinien zu den Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen bei beiderseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur Achse der Verkehrsfläche, bei einseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche, in beiden Fällen aber nur bis zu 20 m, senkrecht zur Baulinie und von dieser aus gemessen, gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung satz- und lastenfrei in das öffentliche Gut zu übertragen. Bei Bruchpunkten und bei Eckbildungen erstrecken sich diese Verpflichtungen auch auf die zwischen den Senkrechten gelegenen Grundflächen. Sind in den in das öffentliche Gut zu übertragenden Grundflächen Versorgungs- oder Entsorgungsleitungen für benachbarte Liegenschaften verlegt, hindern diese, sofern nicht öffentliche Interessen entgegenstehen, die Übertragung der Grundflächen in das öffentliche Gut nicht und können bis zur Herstellung der öffentlichen Versorgungs- oder Entsorgungsleitungen belassen werden. Über Auftrag der Behörde ist der jeweilige Eigentümer (Miteigentümer) des anliegenden Bauplatzes oder Bauloses beziehungsweise eines Teiles von solchen weiters verpflichtet, diese Grundflächen lastenfrei und geräumt der Stadt Wien zu übergeben; bis zur Übergabe steht dem jeweiligen Eigentümer (Miteigentümer) des anliegenden, mit der Übergabeverpflichtung belasteten Bauplatzes, Bauloses beziehungsweise eines Teiles von solchen das Nutzungsrecht zu. Grundflächen, die bebaut sind, dürfen nicht ins öffentliche Gut übertragen werden.

(2) Die über das obige Ausmaß zu den Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen sind über Auftrag der Behörde an die Gemeinde in der bestehenden Höhenlage abzutreten und ihr zu übergeben.

(3) In Gartensiedlungsgebieten sind die Aufschließungswege innerhalb einer Anlage bei beiderseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur Achse der Verkehrsfläche, bei einseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur ganzen Breite, senkrecht zur Achse und von dieser aus zu den seitlichen Grenzen der Baulose gemessen, gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung in selbständige Trennstücke zu legen, die der Einlage des angrenzenden Bauloses zuzuschreiben sind. Bei Unstetigkeiten der Achse und bei Bruchpunkten erstreckt sich diese Verpflichtung auch auf die zwischen den Senkrechten gelegenen Grundflächen.

(4) Soweit die Verpflichtung zu Übertragung in das öffentliche Gut gemäß Abs. 1 besteht, sind hiebei entlang der Baulinien unentgeltlich abzutreten:

a) alle zu den neuen Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen, wobei als neue Verkehrsflächen solche anzusehen sind, an die nach Maßgabe des festgesetzten Bebauungsplanes erstmals angebaut werden soll,

b) die zur Verbreiterung bestehender Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen bei Abteilung einer Grundfläche, die bisher unbebaut war und als Bauplatz beziehungsweise als Baulos noch nicht behördlich genehmigt worden ist.

(5) Für alle übrigen abzutretenden Grundflächen ist eine Entschädigung zu leisten. Auf die Bemessung der Entschädigung finden die Bestimmungen der §§ 57 und 58 Anwendung.

(6) Über Auftrag der Behörde ist auf den nach Abs. 1 und 4 unentgeltlich in das öffentliche Gut übertragenen Grundflächen die festgesetzte Höhenlage vermindert um das Maß der Tiefe des jeweiligen Körpers der Verkehrsfläche herzustellen. Mit diesem Auftrag ist diese Höhenlage von der Behörde bekanntzugeben. Wenn die Herstellung der Höhenlage eine Anschüttung erfordert, ist zweckentsprechendes Material zu verwenden und dieses sachgemäß zu verdichten. Die Herstellung der Höhenlage ist so vorzunehmen, dass der Anschluss zu den anliegenden Grundstücken auf diesen in geeigneter Form (Böschungen, Stützmauern, Futtermauern u. ä.) so hergestellt wird, dass bei widmungsgemäßer Benützung der Verkehrsflächen und der anliegenden Grundflächen die auf diese wirkenden Kräfte in den Boden ohne Senkungen in einem technisch nicht vertretbaren Ausmaß abgeleitet werden. Die Höhenlage von Trennstücken der Aufschließungswege in Gartensiedlungsgebieten ist unter möglichster Anpassung an die Höhenlage der angrenzenden Teilflächen der Baulose einheitlich so herzustellen, zu befestigen und zu erhalten, dass die Aufschließungswege gefahrlos benützt werden können; im Übrigen gelten die Bestimmungen für die Herstellung der Höhenlage von Verkehrsflächen im öffentlichen Gut.

(7) Bei Erteilung des Auftrages zur Übergabe der Verkehrsflächen kann der zur Herstellung der Höhenlage Verpflichtete verlangen, dass die Gemeinde auf seine Kosten die Höhenlage herstellt.

(8) Über Antrag der Gemeinde ist aus verkehrs- und bautechnischen Gründen dem zur Herstellung der Höhenlage Verpflichteten der Auftrag zu erteilen, die Herstellung der Höhenlage durch die Gemeinde Wien gemäß einem vorzulegenden Projekt zu dulden und die anteiligen Kosten zu ersetzen."

Auf Grund der Novelle LGBl. Nr. 7/1990 lautet der Abs. 5 (Anm: der darin genannte § 59 Abs. 8 betrifft die Anrufung des Gerichtes hinsichtlich der Höhe der Entschädigung und ist im Beschwerdefall ohne Belang):

"(5) Für alle übrigen abzutretenden Grundflächen ist eine Entschädigung zu leisten. Hiebei finden die Bestimmungen der §§ 57 und 58 Anwendung; § 59 Abs. 8 gilt sinngemäß."

§ 57 BO regelt die Entschädigungsgrundsätze.

§ 58 BO lautete in der Fassung LGBl. Nr. 18/1976 auszugsweise:

"Besondere Bestimmungen bei Änderung des Bebauungsplanes durch Verschmälerung,Verbreiterung, Auflassung oder Änderung der Verkehrsflächen

§ 58. (1) Werden durch Änderungen des Bebauungsplanes Verkehrsflächen verschmälert, verbreitert, aufgelassen oder so geändert, dass unter Beibehaltung der Breite die Baulinie auf der einen Seite vorgerückt und auf der anderen Seite zurückgerückt wird, und entsteht für Bauplätze oder Baulose durch die Änderung des Bebauungsplanes die Verpflichtung, nach Maßgabe der neuen Baulinie Grundflächen einzubeziehen oder abzutreten, so hat im ersten Fall der Bauwerber an die Gemeinde oder an den Eigentümer dieser Grundflächen, im zweiten Fall die Gemeinde an den Bauwerber Entschädigung zu leisten.

(2) Sind anlässlich einer Abteilungsbewilligung Grundflächen zu Verkehrsflächen unentgeltlich abgetreten worden, treten bei Änderung des Bebauungsplanes folgende Rechtswirkungen ein:

(...)

(3) Das gleiche gilt sinngemäß für Grundabtretungen nach den Bestimmungen des § 18 sowie für Kosten, die durch Herstellung der festgesetzten Höhenlage erwachsen sind, und für Anliegerbeiträge, wenn seit der Abtretung der Verkehrsflächen oder seit der Fälligkeit der Anliegerbeiträge dreißig Jahre noch nicht verstrichen sind.

(4) Das Recht auf Geltendmachung der vorerwähnten Entschädigungsansprüche steht zu:

a) wenn wegen der Änderung des Bebauungsplanes um eine neue Abteilung angesucht wird;

b) wenn ein Bau auf einem Bauplatz oder Baulos aufgeführt wird, der die Einhaltung des neuen Bebauungsplanes zur Voraussetzung hat;

c) sonst, wenn der Bebauungsplan für die Eigentümer der betroffenen Bauplätze oder Baulose wirksam wird.

Die von der Gemeinde zu leistenden Entschädigungen sind fällig, sobald die abzutretenden Verkehrsflächen übergeben worden sind, bzw. mit Rechtskraft des Bescheides über die Festsetzung der Entschädigung, wenn keine Abtretungsverpflichtung besteht. Bei einem Eigentumswechsel in der Zeit zwischen der Festsetzung und der Fälligkeit der Entschädigung ist diese an jenen Eigentümer auszuzahlen, dem das Eigentumsrecht zur Zeit der Fälligkeit zusteht."

Mit der Novelle LGBl. Nr. 7/1990 wurde § 58 Abs. 4 wie folgt geändert:

Nach der lit. c wurde folgender Satz eingefügt:

"Auf die Bemessung der Entschädigung ist § 57 anzuwenden; § 59 Abs. 8 gilt sinngemäß".

Weiters hat der letzte Satz der Abs. 4 zu lauten:

"Bei einem Eigentumswechsel in der Zeit zwischen der Festsetzung und der Fälligkeit der Entschädigung ist diese an jene Person zu leisten, die zur Zeit der Fälligkeit Eigentümer ist."

Hinsichtlich der Frage der Fälligkeit ist zunächst festzuhalten, dass der Bescheid vom 6. Feber 1985 diesbezüglich keinen Abspruch trifft, es ist darin insbesondere (anders als im Fall, welcher dem hg. Erkenntnis vom 18. Feber 1997, Zlen. 96/05/0088, 0089, zugrundelag) keine Vorschreibung enthalten, dass die Entschädigungszahlung erst mit der Übergabe der fraglichen Grundflächen in den physischen Besitz der Stadt Wien fällig werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem sachverhaltsmäßig vergleichbaren Beschwerdefall zur Rechtslage gemäß der Novelle LGBl. Nr. 18/1976 (und vor der Novelle LGBl. Nr. 7/1990) in seinem Erkenntnis vom 14. April 1987, Zl. 86/05/0157, ausgesprochen, dass im Falle (des Vorliegens der Voraussetzungen des § 17 Abs. 5 BO (in der damaligen Fassung) und) der bereits erfolgten Abtretung der Grundflächen damit die Entschädigung dafür dem Grunde nach fällig geworden sei und der im § 17 Abs. 1 BO vorgesehene Auftrag der Behörde, die Grundflächen lastenfrei und geräumt der Stadt Wien zu übergeben, keine Voraussetzung der Fälligkeit der Entschädigung sei, sondern damit zusammenhänge, dass dem jeweiligen Eigentümer des mit der Übergabeverpflichtung belasteten Bauplatzes zufolge dieser Bestimmung bis zur Übergabe der abzutretenden Grundflächen das Nutzungsrecht daran zustehe. Dies bedeutete im damaligen Beschwerdefall, dass der Entschädigungsanspruch des damaligen Beschwerdeführers im Hinblick darauf, dass die fraglichen Grundflächen längst abgeschrieben und in das öffentliche Gut übertragen worden waren, bereits fällig geworden war.

Der Beschwerdefall gibt keinen Anlass, von dieser Beurteilung abzugehen. Das bedeutet, dass die Entschädigung im Hinblick auf die erfolgte Übernahme der Flächen in das öffentliche Gut gemäß der Rechtslage, die durch die Novelle LGBl. Nr. 18/1976 geschaffen wurde, fällig war, ohne dass es auf die Übergabe in den physischen Besitz der Stadt Wien ankäme. Eine Änderung der Rechtslage in der Weise, dass die bereits eingetretene Fälligkeit wieder beseitigt worden wäre, ist (auch durch die Novelle LGBl. Nr. 7/1990) nicht gegeben. Der Ausspruch im erstinstanzlichen Bescheid, dass die Entschädigung selbst erst nach physischer Übergabe der Entschädigungsfläche an die Stadt Wien fällig werde, war daher rechtswidrig.

Im vorliegenden Fall war im Zeitpunkt der Abschreibung der fraglichen Grundflächen und damit des Eintrittes der Fälligkeit der Entschädigungszahlung die Viertbeschwerdeführerin Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft. Sie erlangte daher mit der Abschreibung der fraglichen Flächen auch die Stellung des Gläubigers der gleichzeitig fällig gewordenen Entschädigungszahlung. Daran hat sich durch den in der Zwischenzeit erfolgten Übergang des Eigentums an der (um die fraglichen Grundflächen verkleinerten) Liegenschaft an die erstbis drittbeschwerdeführenden Parteien (mangels gegenteiliger gesetzlicher Anordnung) nichts geändert.

Daraus folgt in den Beschwerdefällen:

Der Kern der Berufung aller vier Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 21. Mai 1997 lässt sich dahin zusammenfassen, dass die - nach (der zutreffenden) Auffassung aller Beschwerdeführer bereits längst fällige Entschädigung - dem "richtigen" Eigentümer zuzuerkennen sei, wobei der Bescheid nicht erkennen lasse, wem nun diese Entschädigung zuerkannt werde.

Es ist nun richtig, dass der Spruch dieses erstinstanzlichen Bescheides insofern unklar erscheinen mag, als die darin angesprochenen Eigentümer nicht namentlich genannt sind (die Begründung des Bescheides ist diesbezüglich nicht aufschlussreich). Der "Verteiler" deutet aber darauf hin, dass (nur) die "neuen" Eigentümer gemeint sein konnten, wobei der erstinstanzliche Bescheid jedenfalls als abschließend zu verstehen ist. Es kann nun dahin gestellt bleiben, ob dieser Bescheid als auch an die Viertbeschwerdeführerin adressiert verstanden werden könnte. Auch dann, wenn dies nicht der Fall sein sollte, war sie nach der gegebenen verfahrensrechtlichen Konstellation berechtigt, den Bescheid mit Berufung zu bekämpfen (vgl. hiezu auch die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Aufl., bei E 3, 4 und 7 zu § 37 AVG wiedergegebene Judikatur).

Wie zuvor dargelegt, ist (nur) die Viertbeschwerdeführerin als zur Geltendmachung des (fälligen) Entschädigungsanspruches berechtigt anzusehen. Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage die Berufung der Viertbeschwerdeführerin zurückgewiesen hat, belastete sie den Spruchteil I des angefochtenen Bescheides schon aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser Spruchteil gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, haben die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien hingegen keinen Anspruch auf die fragliche Entschädigungsleistung. Ihre Berufungen wurden daher mit dem angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen, weshalb ihre (zur Zl. 2000/05/0083 protokollierte) Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000050083.X00

Im RIS seit

06.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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