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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des Dr. E in B, vertreten durch Dr. Wilfried Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 20. April 2001, RV 1277/1-V6/01, betreffend Einkommensteuer 1999, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Kinderarzt. In der Einkommensteuererklärung 1999 führte er an, die Unterhaltslasten gegenüber sechs Kindern (davon fünf haushaltszugehörige Kinder) betrügen 458.450 S. Er begehrte die Berücksichtigung dieses Betrages als außergewöhnliche Belastung.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde im Instanzenzug die Einkommensteuer fest. Sie berücksichtige die Unterhaltszahlungen nicht als außergewöhnliche Belastung. Zur Begründung verwies sie auf § 34 Abs 7 Z 1 und 2 EStG 1988, wobei sie ausführte, der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 30. November 2000, B 1340/00, das mit dem so genannten Familienpaket 2000, BGBl. I 79/1998, geschaffene System der Familienbesteuerung als verfassungskonform befunden. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes müsse sich die Hälfte des gesetzlichen Unterhaltes im Ergebnis steuerlich auswirken. Die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber den haushaltszugehörigen Kindern betrage (unter Berücksichtigung des Unterhaltsstops beim 2,5fachen Regelbedarf) 202.600 S. Bei Anwendung des vom Verfassungsgerichtshof für relevant angesehenen Steuersatzes von 40% errechne sich ein Entlastungsbedarf von 81.040 S, welchem die erhaltenen Transferzahlungen für die haushaltszugehörige Kinder von 122.200 S gegenüberzustellen seien. Für die nicht haushaltszugehörige Tochter würden die Transferleistungen nicht dem Beschwerdeführer, sondern der Kindesmutter gezahlt. Bei getrennt lebenden ehemaligen Gatten sei es aber Ausfluss der - steuerlich unbeachtlich bleibenden - privaten Lebensführung, dass sich ein Gatte nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind befinde. Es seien daher auch die Unterhaltslasten an die nicht dem Haushalt des Beschwerdeführers zugehörige Tochter durch die Transferzahlung an die Kindesmutter ausreichend berücksichtigt.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. September 2001, B 914/01, unter Hinweis auf seine Erkenntnisse vom 30. November 2000, B 1340/00 und vom 27. Juni 2001, B 1285/00, ab. Mit Beschluss vom 5. November 2001 trat er die Beschwerde gemäß Art 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 34 Abs. 7 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 79/1998 lautet:
"Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:
1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a und c abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind, das nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört und für das weder der Steuerpflichtige noch sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner Anspruch auf Familienbeihilfe hat, sind durch den Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. b abgegolten.
3.
...
4.
Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.
5. (Verfassungsbestimmung) Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sind außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen."
Aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1997, G 168/96, G 285/96, mit welchem er Bestimmungen des EStG 1988 als gleichheitswidrig aufhob, ergibt sich, dass zumindest die Hälfte des an Kinder geschuldeten Unterhalts im Ergebnis einkommensteuerlich entlastet sein müsse. Dem Gesetzgeber stehe es frei, auf welche Weise er diese verfassungsrechtlich gebotene Entlastung herbeiführe; dies könne auch im Wege von Transferzahlungen erfolgen.
Der Gesetzgeber reagierte auf das Erkenntnis mit dem Familienpaket 2000, BGBl. I Nr. 79/1998, durch die Anhebung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages.
In der Folge prüfte der Verfassungsgerichtshof die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltslasten nach der geänderten Rechtslage zunächst im Erkenntnis vom 30. November 2000, B 1340/00, hinsichtlich der Unterhaltszahlungen an haushaltszugehörige Kinder. Mit Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B 1285/00, erfolgte sodann die Prüfung hinsichtlich der Unterhaltszahlungen an nicht haushaltszugehörige Kinder. Die Prüfung führte in beiden Fällen zum Ergebnis, dass die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltslast den verfassungsrechtlichen Erfordernissen entspreche.
Im Erkenntnis B 1340/00 betont der Verfassungsgerichtshof, dass die von Verfassung wegen erforderliche steuerliche Entlastung in Bezug auf Unterhaltszahlungen an Kinder nicht mit dem Grenzsteuersatz des Unterhaltspflichtigen berechnet werden müsse. Typischerweise unterliege nämlich nicht das gesamte Einkommen des Unterhaltspflichtigen der Besteuerung nach dem progressiven Einkommensteuertarif, sondern werde ein Teil des Einkommens begünstigt besteuert oder steuerlich nicht erfasst. Deshalb sei es zulässig, die von Verfassung wegen gebotene steuerliche Entlastung auch bei hohen Einkommen nur mit dem Steuersatz von 40% zu berechnen.
In der Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, wonach es von Verfassung wegen ausreiche, wenn nur die Hälfte des Unterhalts an Kinder im Ergebnis bei der Steuerberechnung berücksichtigt wird.
Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer ein Ordnungsprinzip des geltenden Einkommensteuerrechts, wonach zwangsläufige private Aufwendungen grundsätzlich nur nach Kürzung um einen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden Selbstbehalt die Einkommensteuerbemessungsgrundlage mindern (vgl. § 34 Abs. 4 EStG).
Die Betrachtung, steuerlich nur die Hälfte des Unterhalts zu berücksichtigen, kann als Selbstbehalt eigener Art angesehen werden und steht daher nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen der Einkommensteuer.
Der Beschwerdeführer wendet sich weiters dagegen, dass die Berechnung der wegen der Unterhaltlasten gebotenen steuerlichen Entlastung nicht mit dem Grenzsteuersatz, somit bei hohem Einkommen mit dem Steuersatz von 50% durchgeführt wird, sondern mit einem Steuersatz von 40%. Er verweist darauf, dass er nicht über solche Einkünfte verfüge, die nicht nach dem Einkommensteuertarif des § 33 EStG versteuert werden.
Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, dass der Gleichheitssatz den Gesetzgeber nicht hindert, bei der Regelung von Lebensbereichen von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen und damit zu typisieren. Bei einer Durchschnittsbetrachtung kann aber unbedenklich angenommen werden, dass die Steuerpflichtigen auch begünstigt besteuerte bzw steuerfreie Einkünfte beziehen. In diesem Sinn hat der Verfassungsgerichtshof in typisierender Betrachtungsweise darauf verwiesen, dass Steuerpflichtige im Regelfall auch Einkünfte erzielen, die nicht der Tarifsteuer nach § 33 EStG unterliegen. Unter anderem gehören dazu die nach § 97 Abs. 1 und 2 EStG endbesteuerten Kapitalerträge.
Unzutreffend sind die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach die Zivilgerichte dem Unterhaltsberechtigten zusätzlich zum Unterhalt auch die Familienbeihilfe zusprechen, ist doch der Anspruch auf Bezug der Familienbeihilfe ohne jeden Zweifel öffentlich-rechtlicher Natur und unterliegt damit nicht der Entscheidung der Zivilgerichte.
Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass "die einkunftskumulierende Zusammenveranlagung von Eltern und Kindern verfassungswidrig" sei, übersieht er, dass das EStG 1988 eine solche Zusammenveranlagung gar nicht kennt.
Die Beschwerdeausführungen betreffend das "Real-Splitting" sind rechtspolitischer Natur und stehen in keinem Zusammenhang mit der Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Vor dem Hintergrund der dargestellten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht zur Stellung eines Antrages nach Art. 140 Abs. 1 B-VG veranlasst. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 34 Abs. 7 Z 1 und 2 - diese Bestimmungen stehen dem Abzug der individuellen Unterhaltszahlungen an Kinder bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlagen (§ 34 EStG) entgegen - bestehen aus der Sicht des Beschwerdefalles nicht. Weil sich die in der Beschwerde vorgetragenen Bedenken weitgehend mit jenen decken, über welche der Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen B 1340/00 und B 1285/00 abgesprochen hat, wird überdies auf die Rechtskraftwirkung dieser Erkenntnisse verwiesen (vgl. Hiesel, Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit gerichtlicher Verordnungs- und Gesetzesprüfungsanträge, ÖJZ 1997, 841).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 25. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001150200.X00Im RIS seit
14.08.2002Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013