TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2002/05/0566

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/05/0567

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerden 1. des Bürgermeisters der Marktgemeinde Wallern an der Trattnach (Beschwerde Zl. 2002/05/0566), und 2. des Mario Lackner in Wallern an der Trattnach bzw. in Wien (Beschwerde Zl. 2002/05/0567), beide vertreten durch Dr. Stefan Holter, Rechtsanwalt in Grieskirchen, Rossmarkt 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Feber 2002, Zl. 621677/5-II/A/3/02-hrs, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Partei jeweils: Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in den Beschwerden, des vorgelegten, angefochtenen Bescheides und der weiters vorgelegten Beilagen geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der am 25. November 1973 geborene Zweitbeschwerdeführer ist seit Geburt in der Gemeinde des erstbeschwerdeführenden Bürgermeisters, 4702 Wallern an der Trattnach (kurz: W), Bezirk Grieskirchen, mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er ist weiters seit 1995 in Wien mit weiterem Wohnsitz gemeldet (an der im angefochtenen Bescheid und in der Wohnsitzerklärung angegebenen Anschrift seit 16. Feber 2001).

In seiner Wohnsitzerklärung vom 23. Mai 2001 gab der Zweitbeschwerdeführer an, er sei ledig, als Beschäftigung gab er "Sonstiges" an. Am angegebenen Hauptwohnsitz in W halte er sich 149,5 Tage im Jahr auf. Eine Aufenthaltsdauer hinsichtlich des weiteren Wohnsitzes in Wien XIII ist nicht angegeben (die Rubrik ist nicht ausgefüllt). Mitbewohner an beiden Wohnsitzen sind nicht angeführt (die Felder sind gestrichen). Die Frage nach Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften wird für beide Wohnsitze verneint, die Frage, ob der Arbeits- oder Schulweg überwiegend vom Hauptwohnsitz oder vom weiteren Wohnsitz aus angetreten wird, wird für den Hauptwohnsitz verneint, für den weiteren Wohnsitz bejaht. Die Rubrik betreffend den Arbeits- und Schulort ist gestrichen, die Frage nach der Ausbildungs- oder Arbeitsstätte minderjähriger Kinder wird verneint (gestrichen). In der Rubrik Pkt. 8., "ergänzende Bemerkungen", heißt es: "Ich finde diese Art der 'Kontrolle' über unsere Bevölkerung als eine Zumutung. Noch dazu glaube ich denken die Zuständigen man hätte nichts besseres zu tun als auf diese Organe zu warten! Danke".

Der erstbeschwerdeführende Bürgermeister äußerte sich in einer Eingabe vom 30. Oktober 2001 an die belangte Behörde dahin, der Zweitbeschwerdeführer sei seit Geburt in W bei seinen Eltern mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er sei in allen Wählerevidenzen der Gemeinde W eingetragen. Laut Wohnsitzerklärung habe er eindeutig W zu seinem Hauptwohnsitz erklärt. Das "Marktgemeindeamt" (gemeint: der beschwerdeführende Bürgermeister) schließe sich dieser Erklärung an und vertrete die Auffassung, dass der Zweitbeschwerdeführer der Wohnbevölkerung von W zuzurechnen sei.

In einer weiteren Eingabe vom 15. Jänner 2002 verblieb der erstbeschwerdeführende Bürgermeister bei dieser Auffassung, auf die er ebenso verwies, wie auf die Angaben im Punkt 8. der Wohnsitzerklärung des Zweitbeschwerdeführers.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Hauptwohnsitz des Zweitbeschwerdeführers in W aufgehoben, ihm aufgetragen, innerhalb eines Monats die erforderliche Ummeldung vorzunehmen, hat ausgesprochen, dass der erstbeschwerdeführende Bürgermeister sein Melderegister zu berichtigen habe. Ausgehend von den Angaben des Zweitbeschwerdeführers in der Wohnsitzerklärung gelangte die belangte Behörde zur Auffassung, dass er in W in Wahrheit keinen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen habe; das von ihm zum Ausdruck gebrachte überwiegende Naheverhältnis zu W erscheine realitätsfern und widerspreche logischen Denkgrundsätzen. Auf Grund des Lebensmittelpunktes in Wien sowie einem weit überwiegenden zeitlichen Aufenthalt und den gesellschaftlichen Schwerpunkt der Lebensbeziehungen in Wien komme dem Wohnsitz in W keine Mittelpunktqualität mehr zu.

Dagegen richten sich die inhaltlich übereinstimmenden, vorliegenden Beschwerden wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, beide Beschwerdeverfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden, und hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

Die Beschwerden sind nicht berechtigt. Es ist zwar richtig, dass die Wohnsitzerklärung nicht vollständig ausgefüllt ist, es kann aber nicht gesagt werden, dass sie in sich entscheidend widersprüchlich oder auch sonst unbrauchbar wäre. Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund dieser Erklärung davon ausging, der Zweitbeschwerdeführer halte sich den Rest des Jahres in Wien auf, wobei seine Angaben in den "ergänzenden Bemerkungen" (Punkt 8.) der Wohnsitzerklärung nur so gedeutet werden konnten, dass er eine weitergehende Mitwirkung ablehne. Soweit die Beschwerdeführer der belangten Behörde eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens vorwerfen und vorbringen, die belangte Behörde wäre verhalten gewesen, weitere Ermittlungsschritte zu setzen, auch sei der Zweitbeschwerdeführer im Verfahren nicht gehört worden, bei der Anschrift in Wien XIII handle es sich um keine Abgabestelle, wäre der Zweitbeschwerdeführer gehört worden, so wäre es ihm möglich gewesen, "sämtliche relevanten Umstände, die auf den tatsächlichen Hauptwohnsitz in der Marktgemeinde Wallern hinweisen, darzulegen", sind dem zunächst die Angaben des Zweitbeschwerdeführers in den ergänzenden Bemerkungen der Wohnsitzerklärung entgegenzuhalten. Warum an der Anschrift in Wien XIII keine Abgabenstelle bestehen soll, wird nicht dargelegt und ist daher nicht nachvollziehbar. Sofern überhaupt der behauptete Verfahrensmangel durch Unterlassung der Anhörung des Zweitbeschwerdeführers gegeben gewesen sein sollte, wird die Relevanz dieses Verfahrensmangels nicht aufgezeigt, weil nicht dargelegt wird, welches konkrete Tatsachenvorbringen er erstattet hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre (siehe dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 620, wiedergegebene hg. Judikatur). Der beschwerdeführende Bürgermeister hatte jedenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme im Verwaltungsverfahren, er hat davon auch Gebrauch gemacht. Sein Vorbringen war allerdings aus dem Blickwinkel der für das Reklamationsverfahren maßgeblichen Zuordnungskriterien (§ 1 Abs. 8 MeldeG) substanzlos. Sofern es dahin gedeutet werden könnte, er wolle damit eine Heimatverbundenheit des Zweitbeschwerdeführers zu W zum Ausdruck bringen, ist dem entgegenzuhalten, dass die Heimatverbundenheit einer Person in den im § 1 Abs. 8 MeldeG genannten Kriterien nicht enthalten ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Feber 2002, Zl. 2001/05/1163).

Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich auch, dass für die belangte Behörde kein Anlass bestand, die Antragslegitimation des mitbeteiligten Bürgermeisters in Zweifel zu ziehen.

Da somit schon das Vorbringen in den Beschwerden erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050566.X00

Im RIS seit

19.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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