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41/02 Melderecht;Norm
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Dezember 2001, Zl. 626.472/5-II/A/3/01-ler, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Marktgemeinde Kukmirn in Kukmirn, 2. Gabriella Gabrielle Mandl in Wien XII, Rauchgasse 37/1 bzw. in 7540 Kukmirn, Neusiedl 123), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die im Jahr 1963 geborene, verheiratete Zweitmitbeteiligte ist (jedenfalls) seit 8. Feber 1993 mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des mitbeteiligten Bürgermeisters, 7543 Kukmirn (kurz: K), gemeldet. Sie war zuvor (jedenfalls) vom 2. September 1982 bis zum 8. Feber 1993 in Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet und ist seither in Wien mit weiterem Wohnsitz gemeldet.
In ihrer Wohnsitzerklärung vom 6. Mai 2001 gab sie an, sie halte sich rund 180 Tage im Jahr in K auf, wo sie mit ihrem Ehemann, mit ihrem 1985 geborenen Sohn und mit ihrer 1978 geborenen Tochter wohne (die dort alle mit weiterem Wohnsitz gemeldet seien). In Wien halte sie sich rund 185 Tage im Jahr auf, wo sie mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn wohne (die dort mit Hauptwohnsitz gemeldet seien). Der Sohn besuche in Wien die Schule. Die Frage nach Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften wird für beide Wohnsitze verneint. Der Weg zur Arbeitsstätte in Wien wird überwiegend von Wien aus angetreten.
Der mitbeteiligte Bürgermeister brachte in einer Stellungnahme vom 22. Oktober 2001 vor, es handle sich bei dieser Familie um eine typische burgenländische Pendlerfamilie, die sich wochentags in Wien (Hauptwohnsitz des Ehegatten in Wien), an den Wochenenden, dienstfreien Tagen, Urlaub und dergleichen hingegen am Hauptwohnsitz der Ehefrau aufhalte. Im Haus der Zweitmitbeteiligten in K wohnten auch ihre Schwiegereltern.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Reklamationsantrag abgewiesen, was im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die Zweitmitbeteiligte Mittelpunkte ihrer Lebensbeziehungen sowohl in Wien als auch in K habe, womit ihre Wahl den Ausschlag gegeben habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt;
angesprochen wird der Vorlageaufwand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1
Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird
die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).
Der Beschwerdefall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Ehemann der Zweitmitbeteiligten und ihr minderjähriger Sohn unbestritten ihren Hauptwohnsitz in Wien haben, wobei der Sohn in Wien auch die Schule besucht. Vor diesem Hintergrund ist der Auffassung des Beschwerdeführers beizutreten, dass dem Wohnsitz in K keine Mittelpunktqualität mehr zukommt (zur Frage des Hauptwohnsitzes von Eheleuten siehe das hg. Erkenntnis ebenfalls vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0941). Das bedeutet, dass die Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl gemäß § 1 Abs. 7 MeldeG getroffen hat.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 25. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002050057.X00Im RIS seit
14.06.2002