TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 99/21/0022

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

E3Y E19103010;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Z12;
31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Z17;
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §21;
AsylG 1997 §4;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §6;
FrG 1997 §33 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/21/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerden des E in G, geboren am 26. Mai 1970, vertreten durch MMag. Dr. Heinz Kadanik, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Glacisstraße 67, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 17. August 1998 betreffend Ausweisung, und vom 19. August 1998 betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, jeweils zur Zl. Fr 1143/2-1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid vom 17. August 1998 betreffend Ausweisung wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 19. August 1998 betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,--, der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 20,50 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein liberianischer Staatsangehöriger, reiste am 3. Februar 1997 in Österreich ein. Zur Begründung seines Asylantrages gab er am 7. Februar 1997 im Wesentlichen zu Protokoll: Im März/April (offenbar: 1996) sei er auf der Farm seines Vaters von einer Rebellengruppe des Roosevelt Johnson gefangen genommen und zu einem Camp zum Spezialtraining gebracht worden. Die Rebellen seien von Farm zu Farm gezogen und hätten überall Leute gefangen genommen. Im April 1996 hätten wieder Kämpfe stattfinden sollen; der Beschwerdeführer habe sich geweigert, am Training und an den Kämpfen teilzunehmen und sei deshalb und nach einer weiteren Weigerung misshandelt worden. Er habe eine Gelegenheit zur Flucht benützt und ihm sei vom Erzbischof von Monrovia geholfen worden, das Land zu verlassen.

Mit Bescheid vom 10. Februar 1997 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen schriftlichen Berufung vom 21. Februar 1997 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er sei nach Gefangennahme durch die Rebellen des Roosevelt Johnson gefoltert worden, weil er sich geweigert habe, am Training sowie an etwaigen Kampfhandlungen teilzunehmen. Sein Leben sei deshalb in Liberia in großer Gefahr und es existiere keine innerstaatliche Fluchtalternative, weil sich die Rebellen in allen Landesteilen aufhielten.

Bei seiner Vernehmung vom 4. August 1997 vor der Bundespolizeidirektion Graz gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er könne Österreich nicht verlassen, weil er noch kein Reisedokument habe. Er könne auch nicht in sein Heimatland zurückkehren, weil er dort Angst um sein Leben habe. Er hätte verschiedene Probleme mit den Rebellengruppen und würde von ihnen umgebracht werden, weil diese auch seinen Vater schon erschossen hätten. Sie hätten das Farmhaus als Waffendepot beansprucht und dies sei von der Familie des Beschwerdeführers verweigert worden.

In der Berufung gegen den für ihn negativen erstinstanzlichen Feststellungsbescheid gemäß § 54 des Fremdengesetzes 1992 führte der Beschwerdeführer sachverhaltsbezogen lediglich aus, die von der Behörde angenommene Verfolgungssicherheit in anderen Teilen Liberias entbehrte jeglicher Begründungslogik, weil in einem vom Bürgerkrieg geschüttelten Land und der damit logischerweise verbundenen chaotischen Zustände wohl kaum von Sicherheit gesprochen werden könne.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 17. August 1998 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus. Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus, das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. Juni 1998, rechtswirksam erlassen am 1. Juli 1998, beendet worden. Der Beschwerdeführer halte sich bereits seit seiner illegalen Einreise am 3. Februar 1997 unberechtigt im Bundesgebiet auf, weil er über keine Bewilligung nach dem Asylgesetz oder nach dem Fremdengesetz verfügt habe. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß. Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse. Der Anwendung des § 33 Abs. 1 FrG stehe kein rechtliches Hindernis entgegen. Durch die Ausweisung komme es zu keinem relevanten Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers, weil er im Bundesgebiet keine Familienangehörigen habe und weder wirtschaftlich noch sozial integriert sei. Er gehe keiner erlaubten Beschäftigung nach. Da den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und ihrer Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme, sei die Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses von solchem Gewicht, dass die Ausweisung selbst unter der Annahme eines damit verbundenen Eingriffs in sein Privat- oder Familienleben zulässig wäre.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. August 1998 stellte die belangte Behörde gemäß § 75 Abs. 1 FrG fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei. Nach Wiedergabe der Aussagen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren führte die belangte Behörde aus, aus diesen unterschiedlichen Angaben ergebe sich seine Unglaubwürdigkeit. In seinen ursprünglichen Angaben sei nämlich von den Ereignissen, dass die Rebellengruppen angeblich auch schon seinen Vater erschossen hätten, nicht die Rede. Überdies beruhten die Angaben über seine Herkunft und Identität auf bloßen Behauptungen ohne entsprechende Bescheinigungsmittel. Selbst unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer liberianischer Staatsangehöriger sei, sei es ihm nicht gelungen, das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten und gegen den Beschwerdeführer gerichteten Bedrohung bzw. Verfolgung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen. Der ehemalige Rebellenführer Charles Taylor sei aus den am 19. Juli 1997 unter internationaler Beobachtung durchgeführten Wahlen mit 75 % Mehrheit als "Sieger und Präsident" hervorgegangen. Die Sicherheit des Beschwerdeführers wäre durch die in Liberia stationierten ECOMOG-Truppen garantiert, welche die Entwaffnung der seinerzeitigen bewaffneten Bürgerkriegsparteien erfolgreich vorantrieben. Überdies habe der unabhängige Bundesasylsenat rechtskräftig festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und er in seinem Heimatland vor Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention sicher sei. Da es der Behörde auf Grund des in § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt sei, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen, lägen keine stichhaltigen Gründe vor, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung nach Liberia Gefahren im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Verfolgungen im Sinn des § 57 Abs. 2 FrG ausgesetzt wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbundenen Beschwerden nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

1. Zur Ausweisung:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Feststellung der belangten Behörde, dass sein Asylverfahren inzwischen mit Abweisung seines Asylantrages rechtskräftig beendet sei. Tatsächlich sei ihm der von der belangten Behörde angeführte Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. Juni 1998 nicht zugestellt worden. Er habe beantragt, ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz 1997 zu erhalten. Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. wäre auf Grund seines zulässigen und nicht offensichtlich unbegründeten Asylantrages unverzüglich die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuzuerkennen gewesen. Mangels eines rechtskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens halte er sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Mit diesem Beschwerdevorbringen wird ein dem angefochtenen Bescheid anhaftender Verfahrensmangel aufgezeigt. Die belangte Behörde stellte nämlich den rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens fest, ohne dem Beschwerdeführer zu diesem Umstand im Berufungsverfahren Parteiengehör einzuräumen.

Die Relevanz dieses Verfahrensmangels ist gegeben. Ausgehend von dem vom Beschwerdeführer behaupteten Fehlen einer rechtswirksamen Zustellung des zweitinstanzlichen Asylbescheides wäre das Asylverfahren als noch offen anzusehen. Der Beschwerdeführer irrt zwar, wenn er daraus eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich ableitet, er weist jedoch zu Recht darauf hin, dass ihm gemäß § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 auf Grund des zulässigen und nicht offensichtlich unbegründeten Asylantrages die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuzuerkennen gewesen wäre. Bei diesem Sachverhalt hätte die belangte Behörde bei Anwendung des ihr im Rahmen des § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass eine Ausweisung des Beschwerdeführers nach dieser Bestimmung nicht im Sinn des Gesetzes liegt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. März 2000, Zl. 99/21/0266, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Der angefochtene Ausweisungsbescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2. Zum Feststellungsbescheid:

Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 Abs. 1 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 7. April 2000, Zl. 99/21/0001.)

Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass seine Aussagen falsch und unvollständig übersetzt und protokolliert worden seien. Zum Sachverhalt legt er dar, dass es im März/April 1996 zur entscheidenden Schlacht zwischen den Kriegsparteien in Monrovia gekommen sei und die Truppen, mit denen er gekämpft habe, von den Truppen des Charles Taylor besiegt worden seien. Der Kampf sei im Untergrund weitergeführt worden und es sei für den Beschwerdeführer auf Grund der Übermacht des Charles Taylor immer gefährlicher geworden, weiterhin an den Operationen der Truppen des Roosevelt Johnson teilzunehmen. Wegen seiner Teilnahme an den Kampfhandlungen gegen Charles Taylor und der weithin bekannten Zugehörigkeit seines Vaters zu der Rebellentruppe des Roosevelt Johnson würde Charles Taylor - der 1996 in sämtlichen Landesteilen Liberias die Oberhand gewonnen habe - versuchen, den Beschwerdeführer zu beseitigen.

Diesem Vorbringen ist vorerst entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den negativen erstinstanzlichen Asylbescheid - ebenso wie in seiner Aussage vor dem Bundesasylamt - lediglich angegeben hat, er habe sich geweigert, am Training sowie an etwaigen Kampfhandlungen teilzunehmen. Er werde deshalb von den Truppen des Roosevelt Johnson verfolgt. Da sich somit die schriftlichen Berufungsangaben des Beschwerdeführers mit dem Inhalt des Protokolls über seine Vernehmung decken, kann dem Beschwerdevorbringen in keiner Weise gefolgt werden, dass seine Aussage unrichtig übersetzt und wiedergegeben worden sei. Davon ausgehend durfte die belangte Behörde ihrer Beurteilung sachverhaltsmäßig zu Grunde legen, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr aus seiner Weigerung ableitet, an Kämpfen der Rebellentruppe des Roosevelt Johnson gegen Charles Taylor teilzunehmen. Unbestritten bleibt in der Beschwerde die Feststellung, dass Charles Taylor die Macht im Land übernommen habe. Es ist daher in keiner Weise nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer wegen seiner Weigerung, gegen Charles Taylor zu kämpfen, nun von diesem eine Verfolgung zu befürchten habe. Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe an den Kämpfen gegen Charles Taylor teilgenommen, ist wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbotes (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) unbeachtlich und steht überdies im Widerspruch nicht nur zu den protokollierten Aussagen des Beschwerdeführers, sondern auch zu dessen schriftlicher Berufung.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Gefährdung oder Bedrohung im Fall seiner Abschiebung nach Liberia glaubhaft zu machen. Die von der belangten Behörde aufgeworfene Frage der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers kann dahinstehen.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

3. Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Der Bund hat dem Beschwerdeführer die Kosten der erfolgreichen Beschwerde zu ersetzen, hingegen der Beschwerdeführer dem Bund den halben Vorlageaufwand.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999210022.X00

Im RIS seit

22.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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