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41/02 Melderecht;Norm
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Dezember 2001, Zl. 629667/5-IV/19/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Marktgemeinde Helpfau-Uttendorf in 5261 Uttendorf 11b, 2. Mag. Eva-Maria Vitzthum in Wien VIII, Laudongasse 34/2/2, bzw. in Helpfau-Uttendorf, Marktplatz 25), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die am 3. April 1974 geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist seit Geburt in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters, Helpfau-Uttendorf (in der Folge kurz: H), Bezirk Braunau am Inn, gemeldet. Seit 26. Februar 1998 ist sie in Wien mit weiterem Wohnsitz gemeldet.
In ihrer Wohnsitzerklärung vom 20. Mai 2001 gab sie an, sie sei in Wien berufstätig. Sie halte sich an ihrem Hauptwohnsitz rund 115 Tage im Jahr auf, sie wohne dort mit ihren Eltern und zwei Brüdern. In Wien halte sie sich rund 250 Tage im Jahr auf und wohne dort mit einem 1971 geborenen "Partner", der in Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet sei. Die Frage nach "Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften" wird für beide Wohnsitze verneint. Der Weg zum Arbeitsplatz in Wien III wird überwiegend von Wien aus angetreten.
In einer Stellungnahme an die belangte Behörde vom 15. November 2001 erklärte sie, sie sehe ihren Wohnsitz in H als den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen bzw. als Hauptwohnsitz an. Es bedürfe nämlich an Wochenenden, Feier- und Urlaubstagen ihrer Mitarbeit im elterlichen Betrieb, was das überwiegende Naheverhältnis zu H begründe. Neben ihren Eltern und Geschwistern wohnten mit Hauptwohnsitz in H Verwandte und Freunde, zu denen ein besonderes Naheverhältnis bestehe. Sie sehe ihre Tätigkeit in Wien als vorübergehende Ausbildung.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Reklamationsantrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Dies wird unter Hinweis auf das Vorbringen der Beteiligten im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen damit begründet, die Zweitmitbeteiligte habe "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" in H und in Wien, womit das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", welches nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck komme, den Ausschlag gegeben habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt; angesprochen wird der Vorlageaufwand. Beide mitbeteiligte Parteien erstatteten Gegenschriften mit dem erkennbaren Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).
Die Zweitmitbeteiligte macht gesellschaftliche Beziehungen (im Wesentlichen familiärer Art) zu ihrem Heimatort geltend, die - das ist offenbar gemeint - in dieser Form zu Wien nicht bestünden (das ist erkennbar auch die Tendenz des Vorbringen des erstmitbeteiligten Bürgermeisters). Zutreffend hebt aber der Beschwerdeführer hervor, dass die Zweitmitbeteiligte in Wien nicht nur berufstätig ist, sondern (unbestritten) hier auch mit ihrem Partner lebt (der im Übrigen in Wien seinen Hauptwohnsitz hat). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist diese zu Wien bestehende Lebensbeziehung der im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde 27-jährigen Zweitmitbeteiligten gegenüber der im Wesentlichen gesellschaftlichen Lebensbeziehung zu H als derart überwiegend anzusehen, dass der Mittelpunktcharakter von H nicht mehr bejaht werden kann, zumal die Heimatverbundenheit einer Person in den im § 1 Abs. 8 MeldeG genannten Kriterien nicht enthalten ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/05/1163).
Ausgehend davon hat die Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte. Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 25. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002050097.X00Im RIS seit
14.06.2002