TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2002/05/0065

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §1 Abs6;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Dr. Petra Sollath in Inzing, vertreten durch Dr. Manfred Moser und Mag. Michael Wild, Rechtsanwälte in Pöttsching, Wr. Neustädter Straße 57, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Dezember 2001, Zl. 647807/5-IV/19/01-obm, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 1 Meldegesetz (mitbeteiligte Partei: Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, dem angefochtenen Bescheid und den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen, insbesondere der Wohnsitzerklärung, ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die am 15. März 1960 in Innsbruck geborene, verheiratete Beschwerdeführerin war von 16. Februar 1990 bis 12. Jänner 1995 mit ordentlichem Wohnsitz in Wien gemeldet. Seit 12. Jänner 1995 ist sie mit weiterem Wohnsitz in Wien, mit Hauptwohnsitz in Inzing gemeldet, wo sie seit ihrer Geburt gemeldet ist.

Die Beschwerdeführerin gab in ihrer Wohnsitzerklärung (§ 15a MeldeG) an, sie halte sich 100 Tage im Jahr in Inzing auf, in Wien 265 Tage. Sie sei in Wien berufstätig, ihren Arbeitsweg trete sie in Wien an. In Wien wohne sie ebenso wie in Inzing mit ihrem Ehemann, der in Wien mit Nebenwohnsitz und in Inzing mit Hauptwohnsitz gemeldet sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Antrag des mitbeteiligten Bürgermeisters stattgegeben. Hiezu stellte die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin in Wien berufstätig sei und von dort den Weg zu ihrem Arbeitsplatz antrete. Der Schwerpunkt der beruflichen Lebensbeziehungen sowie der weit überwiegende zeitliche Aufenthalt liege in Wien. Dem Wohnsitz in Inzing komme keine Mittelpunktqualität mehr zu.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, der Ehemann der Beschwerdeführerin arbeite seit 1989, die Beschwerdeführerin seit 1990 in Wien, beide Ehegatten hätten ihren Hauptwohnsitz in Tirol nie aufgegeben. In Inzing liege der Familienwohnsitz und die Familienliegenschaft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

In Inzing, Buchweg 12 (Hauptwohnsitzmeldung der Beschwerdeführerin), wohnten die Eltern der Beschwerdeführerin jedenfalls schon im Jahre 1960; laut dem mit der Beschwerde vorgelegten Grundbuchsauszug vom 24. Jänner 2002 steht diese Liegenschaft im Eigentum der Eltern der Beschwerdeführerin.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt eine objektive Gesamtschau, dass die Beschwerdeführerin derzeit keinen "Mittelpunkt der Lebensbeziehungen" in Inzing hat. Der Umstand, dass auch der Ehemann in Wien arbeitet sowie die große Entfernung zu Inzing lässt die Annahme, es handle sich etwa um Wochenpendler, realitätsfremd erscheinen. Da die 1960 geborene Beschwerdeführerin bereits seit 1990 ihren Beruf in Wien ausübt und ihr Ehemann seit 1989 ist die Feststellung, dass die Mittelpunktqualität in Inzing, dem Wohnort der Eltern der Beschwerdeführerin derzeit nicht mehr gegeben ist, gerechtfertigt. An dieser Beurteilung vermag auch weder der Hinweis auf das Verfahren betreffend den Ehemann der Beschwerdeführerin noch die Verfahrensrüge etwas zu ändern, weil das ausführliche Beschwerdevorbringen nur den Schluss zulässt, dass der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen im Sinne des § 1 Abs. 7 MeldeG nicht in Inzing liegt. Damit wird weder die Freizügigkeit noch das Familienleben der Beschwerdeführerin eingeschränkt, da es ihr unbenommen bleibt, ihren Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG an einem beliebigen Ort zu nehmen. Bei der Feststellung ob eine Hauptwohnsitzmeldung den tatsächlichen Lebensumständen des Betreffenden entspricht, geht es aber nicht allein um Fragen der ungestörten Gestaltung des privaten Bereiches, sondern um die objektive Feststellung jener Kriterien, die Voraussetzung für die politische Mitwirkung am Staatsleben sind und die der Zuordnung zu politischen Gemeinschaften (Wahlkörpern) dienen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht vorliegen, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050065.X00

Im RIS seit

19.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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