Index
41/02 Melderecht;Norm
MeldeG 1991 §1 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Februar 2002, Zl. 636696/5- II/A/2/02-bui, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien, 2. Werner Langer in Salzburg, Kendlerstraße 66), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde, dem angefochtenen Bescheid und den diesen beiliegenden Unterlagen ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der am 27. August 1941 in Wien geborene, geschiedene pensionierte Zweitmitbeteiligte ist in Wien XII mit Hauptwohnsitz gemeldet. In Salzburg ist er mit Nebenwohnsitz gemeldet.
Laut Wohnsitzerklärung verbringt der Zweitmitbeteiligte in Salzburg 100 Tage, dort ist seine Lebensgefährtin mit Hauptwohnsitz gemeldet, in Wien verbringt er 200 Tage.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes des Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Wien ab. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Zweitmitbeteiligte zwei Mittelpunkte seiner Lebensbeziehungen habe, weshalb das subjektive Kriterium des überwiegenden Naheverhältnisses letztlich den Ausschlag gebe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht. Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiellrechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher vor allem folgende - nunmehr ausdrücklich in dem mit der Novelle vom 30. März 2001, BGBl. I Nr. 28/2001, eingefügten Abs. 8 des § 1 MeldeG festgeschriebenen - Bestimmungskriterien maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule und den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
Um dem Ziel des Reklamationsverfahrens gemäß § 17 Abs. 3 MeldeG entsprechen zu können, hat die Behörde (§ 17 Abs. 1 MeldeG) in ihrer Entscheidung für die Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensbeziehungen des Betroffenen als wesentliches Tatbestandsmerkmal eines Hauptwohnsitzes gemäß § 1 Abs. 7 MeldeG eine Gesamtbetrachtung seiner beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen vorzunehmen. In diese Gesamtbeurteilung ist auch eine außereheliche Lebensgemeinschaft, die dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht, einzubeziehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. September 1996, Zl. 95/08/0283, u.v.a.).
Wenn nun, wie im Beschwerdefall, feststeht, dass sich der (die) Betroffene mit einem Partner (einer Partnerin) in einer ehelichen oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft befindet, dann ist daher davon auszugehen, dass die Ehegatten bzw. Lebensgefährten denselben Mittelpunkt haben, es sei denn besondere - im Reklamationsverfahren zu behauptende und von der Behörde festzustellende - Gründe sprechen für eine gegenteilige Annahme.
In seinem Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0941, auf dessen eingehende Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei Pensionisten, auch wenn sie in eheähnlicher Gemeinschaft leben, zwei Mittelpunkte in Betracht kommen können. Unvermeidbar sei in solchen Fällen die Möglichkeit, dass von den beiden Partnern divergierende Wahlen getroffen werden; eine Anknüpfung allein an die Erklärung des Partners genüge nicht, weil es nicht darauf ankommen kann, welcher der beiden Bürgermeister zuerst ein Reklamationsverfahren eingeleitet hat.
Insbesondere ausgehend von den Angaben des Zweitmitbeteiligten über seine Aufenthaltsdauer in Salzburg, die auf Grund seines Ruhestandes sowie des in der Stellungnahme des Zweitmitbeteiligten vom 17. Dezember 2001 hervorgehobenen Umstandes, dass er in Wien seine gehbehinderten Eltern betreue, durchaus plausibel erscheinen, lässt sich ein weiterer Lebensmittelpunkt an diesem Ort nicht in Abrede stellen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich aus diesen Gründen als frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 25. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002050423.X00Im RIS seit
19.06.2002