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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BAO §20;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der S GmbH & Co KG in G, vertreten durch Dr. Friedrich Zaubzer, Rechtsanwalt in 5640 Bad Gastein, Staubingerplatz 5/1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 10. Juli 2001, RV 291/1-9/99, betreffend u.a. Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1994 bis 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Soweit der angefochtene Bescheid die Haftung für Lohnsteuer hinsichtlich der Jahre 1994 bis 1996 betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin zahlte ihrem Dienstnehmer MJ seit 1990 zusätzlich zum laufenden Gehalt Verkaufsprovisionen. Die Provision unterzog sie nicht dem Lohnsteuerabzug.
Im Zuge einer den Zeitraum 1992 bis 1997 umfassenden Lohnsteuerprüfung erließ das Finanzamt den Bescheid vom 15. Dezember 1998, mit welchem die Beschwerdeführerin zur Haftung für die Lohnsteuer auf die Verkaufprovisionen herangezogen wurde und mit welchem ihr für diese Provisionen Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag samt Säumniszuschlag vorgeschrieben wurde.
In der Berufung gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin vor, das Finanzamt habe die Provisionen den Einkünften aus Gewerbebetrieb des MJ zugerechnet und in den an MJ ergangenen Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1993 bis 1996 (Ausfertigungsdatum 14. Mai 1998) erfasst. Diese Einkommensteuerbescheide seien rechtskräftig.
Das Finanzamt nahm die Einkommensteuerverfahren betreffend MJ wieder auf und erließ neue Einkommensteuerbescheide, in denen es die Verkaufsprovisionen nicht (mehr) zum Ansatz brachte. Dies erfolgte hinsichtlich des Jahres 1993 mit Bescheiden vom 10. Dezember 1998 und hinsichtlich der Jahre 1994 bis 1996 mit Bescheiden vom 28. Dezember 1998.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. Juli 2001 wies die belangte Behörde die Berufung, soweit sie Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag betrifft, als unbegründet ab. Die Verkaufsprovisionen seien im Rahmen des Dienstverhältnisses erzielt worden und stellten daher Arbeitslohn iSd § 25 Abs. 1 EStG dar. Gemäß § 82 EStG hafte der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einbehaltenen Lohnsteuer. Nur dann, wenn ein Betrag bereits tatsächlich der Einkommensteuer unterzogen worden sei, sei eine Inanspruchnahme des Haftenden nicht mehr zulässig. Im gegenständlichen Fall sei entscheidend, dass die gegenüber MJ ergangenen Einkommensteuerbescheide am 10. Dezember 1998, also vor Ergehen des Lohnsteuer-Haftungsbescheides vom 15. Dezember 1998, aufgehoben worden seien. Somit habe die Beschwerdeführerin an den Dienstnehmer MJ Lohn in Form von Verkaufsprovisionen ausbezahlt, aber keine Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Die Voraussetzungen der Haftung nach § 82 EStG seien erfüllt.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in Rechten verletzt, weil für die Jahre 1994, 1995 und 1996 Einkünfte des MJ "unrichtigerweise der Besteuerung gemäß § 25 Abs. 1 EStG unterzogen wurden, obwohl zu diesem Zeitpunkt (Erlass des Haftungsbescheides vom 15. Dezember 1998) über die selben Einkünfte rechtskräftige (noch nicht aufgehobene) Einkommensteuerbescheide" vorgelegen seien. Deshalb seien für die genannte Jahre zu Unrecht Bescheide betreffend Lohnsteuerhaftung, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Säumniszuschlag ergangen.
Zur Begründung wird in der Beschwerde ausgeführt, die belangte Behörde habe aktenwidrig angenommen, die gegenüber MJ erlassenen Einkommensteuerbescheide seien bereits am 10. Dezember 1998 und damit vor Erlassung des Haftungsbescheides aufgehoben worden. Richtig sei vielmehr, dass hinsichtlich der Jahre 1994, 1995 und 1996 die Einkommensteuerbescheide in dem Zeitpunkt, in dem der erstinstanzliche Haftungsbescheid erlassen worden sei (15. Dezember 1998), noch im Rechtsbestand gewesen seien. Für diese Jahre sei daher der Haftungsbescheid rechtswidrig erlassen worden. Nur für das Jahre 1993 treffe es zu, dass der Einkommensteuerbescheid bereits am 10. Dezember 1998 und somit vor Ergehen des erstinstanzlichen Haftungsbescheides aufgehoben worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 82 EStG lautet in der Stammfassung:
"Der Arbeitgeber haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einbehaltenen Lohnsteuer."
Mit dem AbgÄG 1997 BGBl. I 9/1998, ausgegeben am 9. Jänner 1998, wurde in § 82 folgender Satz angefügt:
"Der Umstand, dass die Voraussetzungen des § 83 Abs. 2 Z 1 und 4 vorliegen, steht einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht entgegen."
Die Haftung des Arbeitgebers besteht nicht mehr, wenn dem Arbeitnehmer die Einkommensteuer, die auf die entsprechenden Bezüge entfällt, vorgeschrieben worden ist und er die Steuer entrichtet hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. September 1972, 2218/71, und vom 10. April 1985, 84/13/0004).
Mit dem angefochtenen Bescheid wird nicht darüber abgesprochen, ob die Lohnsteuerhaftung der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide bestanden hat. Es wird vielmehr eine derartige Haftung für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ausgesprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1995, 95/14/0038).
Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in subjektiven Rechten verletzt worden ist. Der Umstand, dass im Zeitpunkt der Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide dem Dienstnehmer die Einkommensteuer für die in Rede stehenden Verkaufsprovisionen noch vorgeschrieben war, bewirkt eine solche Rechtsverletzung nicht.
Dennoch verletzt der angefochtene Bescheid, soweit mit ihm eine Haftung geltend gemacht worden ist, die Beschwerdeführerin in ihren Rechten:
Die Inanspruchnahme der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (vgl. etwa Ritz, ÖStZ 1999, 319).
Dahingestellt bleiben kann, ob § 82 EStG 1988 im gegenständlichen Fall bereits in der Fassung des AbgÄG 1997, also in der um den zweiten Satz erweiterten Fassung anzuwenden war (vgl. zum zeitlichen Anwendungsbereich von Haftungsbestimmungen die hg Erkenntnisse vom 20. September 1996, 93/17/0261, und vom 19. September 1995, 95/14/0038), zumal die Erweiterung des § 82 EStG nichts daran ändert, dass die Geltendmachung der Haftung eine Ermessensentscheidung darstellt.
Im gegenständlichen Fall ist die Einkommensteuer für die Verkaufprovisionen dem Arbeitnehmer als Primärschuldner bereits vorgeschrieben gewesen. Die Abgabenbehörde hat unter Wiederaufnahme der Verfahren Einkommensteuerbescheide erlassen, in denen - rechtswidrig - diese Provisionseinkünfte nicht mehr zum Ansatz gebracht worden sind; dadurch hätten die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Lohnsteuerhaftung herbeigeführt werden sollen. Bei dieser besonderen Sachlage entspricht die Ermessensübung, die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin nachträglich zur Lohnsteuerhaftung heranzuziehen, nicht dem Gesetz.
Der angefochtene Bescheid ist somit, soweit er Haftung für Lohnsteuer der Jahre 1994 bis 1996 betrifft, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Soweit die Beschwerde Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1994 bis 1996 betrifft, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Über Säumniszuschlag spricht der angefochtene Bescheid nicht ab.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 25. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001150152.X00Im RIS seit
14.08.2002Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013