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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des MB in B, vertreten durch Dr. Franz-Christian Sladek und Dr. Michael Meyenburg, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Neustiftgasse 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 10. Juli 2000, Zl. 8W-En-165/3/99, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft S (der Erstbehörde) vom 26. Juli 1983 war dem Beschwerdeführer die wasserrechtliche Bewilligung für eine Kleinkraftanlage am Z-Bach erteilt worden. Für diese Anlage waren als Pflichtwassermenge mindestens 10 l/s vorgeschrieben worden. Diese Menge sollte über ein natürliches Umgebungsgerinne im Bereich der Wasserführung abgegeben werden.
Mit Eingabe vom 24. Juli 1997 suchte der Beschwerdeführer bei der Erstbehörde unter Vorlagen von Projektsunterlagen um die wasserrechtliche Bewilligung zur Erneuerung und Erweiterung des Kleinkraftwerkes an. Hiebei wurde der Antrag gestellt, die derzeit bewilligte Konsenswassermenge von 30 l/s auf 70 l/s zu erhöhen.
Im erstinstanzlichen Verfahren erstattete der Amtssachverständige für Gewässerökologie mehrere Stellungnahmen, in denen er den Standpunkt vertrat, dass die vorgeschriebene Pflichtwassermenge von 10 l/s aus gewässerökologischer Sicht nicht ausreiche, um die ökologische Funktionsfähigkeit in der Ausleitungsstrecke des Z-Baches aufrecht zu erhalten, weshalb eine Änderung der Pflichtwassermenge gefordert werden müsse. Der Z-Bach sei im betroffenen Abschnitt naturbelassen und ökomorphologisch gesehen wertvoll. Bei einem Ortsaugenschein am 22. April 1998 habe in der Ausleitungsstrecke eine Abflussmenge von 65 l/s gemessen und dabei lediglich festgestellt werden können, dass diese Wasserschüttung ausreiche, um die ökologische Funktionsfähigkeit in der Ausleitungsstrecke aufrecht zu erhalten, nicht jedoch, um eine aus gewässerökologischer Sicht noch vertretbare geringere Restwassermenge zu quantifizieren. Das NNQ (niedrigste Niederwassermenge) entspreche der theoretisch niedrigst möglichen Abflussmenge eines Fließgewässers und sei somit ein in einer extremen Trockenperiode auftretendes Abflussminimum, bei dem die aquatischen Lebensgemeinschaften zumindest vorübergehend stark beeinträchtigt werden könnten. Das NNQ als Pflichtwassermenge könne daher ausschließlich in Fließgewässerstrecken festgelegt werden, die durch anthropogene Eingriffe ökomorphologisch gesehen stark entwertet seien und als Lebensraum für aquatische Biozönosen ohnehin kaum geeignet seien. Die in der Ausleitungsstrecke verbleibende Restwassermenge müsse zumindest so hoch sein, dass hiedurch weder eine qualitative Veränderung der an das Gewässer angepassten Lebensgemeinschaften noch eine Unterbrechung des ökologischen Gewässerkontinuums entstehe. Das bedeute weiters, dass eine gewisse Fließgeschwindigkeit und eine bestimmte, in der gesamten Ausleitungsstrecke zusammenhängende Wassertiefe verbleiben müsse, wobei durch die Ausleitung weder eine Vereisung von Sohlbereichen noch eine unzulässige Temperaturerhöhung auftreten dürfe. Ausleitungen aus natürlichen und naturnahen Fließgewässern mit einer ökomorphologischen Wertigkeit von 1 bis 1,5 seien aus fachlicher Sicht grundsätzlich abzulehnen. Bei Fließgewässern, die eine hohe ökomorphologische Wertigkeit aufwiesen und nur geringfügig, wie etwa im gegenständlichen Fall durch eine Sperre der Wildbach- und Lawinenverbauung, beeinträchtigt seien und bei denen die Sohl- und Böschungsbereiche als natürlich bezeichnet werden könnten, sei grundsätzlich zumindest das MNQ zu fordern. Das MNQ des Z-Baches betrage laut schriftlicher Mitteilung der Abteilung 18-Hydrographie (des Amtes der Kärntner Landesregierung) vom 22. September 1982 im Mündungsbereich 50 l/s, das NNQ sei mit 20 l/s angegeben. Sollte aus fachlicher Sicht eine zur Aufrechterhaltung der ökomorphologischen Funktionsfähigkeit ausreichende geringere Abflussmenge als das MNQ vertretbar erscheinen, so könnte die Pflichtwassermenge zwischen dem NNQ und dem MNQ festgelegt werden. Bei Ausleitungen aus Fließgewässern sei entsprechend der natürlichen Fließdynamik eine Staffelung der an der Ausleitungsstrecke abzugebenden Pflichtwassermenge erforderlich. Das bedeute die Festlegung einer höheren Pflichtwassermenge in der warmen Jahreszeit gegenüber der Winterperiode. In den dem Ansuchen beigelegten Unterlagen über die Abflusswerte des Z-Baches seien die Messungen nur bis zu einer Menge von 100 l/s angegeben worden. Da die beantragte Konsenswassermenge mit 70 l/s angegeben werde, sei daraus lediglich ersichtlich, dass in den meisten Sommermonaten zumindest eine Restwassermenge von 30 l/s für die Ausleitungsstrecke zur Verfügung stehe, nicht jedoch, um wie viel l/s die 100 l/s-Grenze überschritten werde. Die Vorlage einer Jahresganglinie und die Bestätigung der Abflusswerte durch die Abteilung 18-Hydrographie wäre ebenfalls erforderlich. Der beantragten Erhöhung der Konsenswassermenge auf 70 l/s werde daher aus fachlicher Sicht nicht zugestimmt.
In der von der Erstbehörde durchgeführten Verhandlung am 5. November 1998 verwies der Sachverständige für Gewässerökologie auf seine schriftliche Stellungnahme. Der Beschwerdeführer brachte (u. a.) vor, dass bereits seit 15 Jahren eine Restwassermenge von 10 l/s bestehe und die Erfahrung gezeigt habe, dass diese Restwassermenge durchaus geeignet sei, den Fischbestand zu sichern.
In seinen weiteren Stellungnahmen vom 8. Februar 1999 und 16. Juni 1999 hielt der Sachverständige für Gewässerökologie seinen Standpunkt aufrecht. Laut Gutachten der Abteilung 18- Hydrographie betrage das NNQ des Z-Baches, ermittelt anhand des Einzugsgebietes von 5,7 km2, 15 l/s, also um 5 l/s mehr als die derzeit abgegebene, bescheidmäßig festgelegte Pflichtwassermenge. Eine Forderung, die in der Ausleitungsstrecke zu belassende Restwassermenge mit diesem NNQ-Wert von 15 l/s zu bestimmen, entspreche nicht den Zielen des Gewässerschutzes. Die Pflichtwassermenge sei wegen der sehr hohen Diversität der Abflussverhältnisse und der ökomorphologischen Gegebenheiten der verschiedenen Fließgewässer ausnahmslos individuell zu beurteilen, und es könnten allgemein gültige Formeln oder Berechnungsmodalitäten grundsätzlich nicht verwendet werden, diese seien höchstens als grobe Richtwerte anzusehen. Bei Abgabe einer entsprechenden Pflichtwassermenge könnte der Z-Bach auch in der Ausleitungsstrecke der gegenständlichen Kleinkraftanlage einen Fischbestand aufweisen. Durch die Art der derzeitigen Ausleitungsstelle sei das ökologische Gewässerkontinuum unterbrochen und ein nicht zulässiger Aufstau des Gewässers entstanden. Da sowohl der Aufstau als auch der hohe Niveauunterschied der Sohle im Entnahmebereich eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers darstellten, sei aus fachlicher Sicht eine unverzügliche Umgestaltung der Ausleitungsstelle zu fordern. Bei der am 25. Jänner 1999 gemeinsam mit dem naturschutzfachlichen Sachverständigen durchgeführten Ortsbesichtigung habe die an der Entnahmestelle abgegebene Pflichtwassermenge geschätzt lediglich etwa 5 l/s betragen. Da die vom Antragsteller vorgelegten Messwerte (es sei lediglich bis zu einer Abflussmenge von 100 l/s gemessen worden) zur Präzisierung einer Pflichtwassermenge ungeeignet seien (es liege nicht im Aufgabenbereich eines Amtssachverständigen, Erhebungen und Untersuchungen durchzuführen, sondern Anträge anhand von geeigneten Unterlagen zu beurteilen), werde es notwendig sein, im Fall einer beabsichtigten Erhöhung der Konsenswassermenge auf 70 l/s in der Zeit von Oktober bis März eine Pflichtwassermenge von 35 l/s (das sei der MJNQ-Wert) und in der Zeit von April bis September 70 l/s als Pflichtwasser zu fordern.
Auch die Amtssachverständige für Naturschutz vertrat in ihren Stellungnahmen vom 30. März 1999 und 7. Juli 1999 die Auffassung, dass eine Pflichtwassermenge unter dem NNQ nicht tragbar sei. Anlässlich des Ortsaugenscheines am 25. Jänner 1999 sei festgestellt worden, dass nicht einmal die geringe, bescheidmäßig festgelegte Pflichtwassermenge von 10 l/s in die Entnahmestrecke abgegeben worden sei. Eine ausreichende Pflichtwassermenge sei für das Überleben der im und am Fließgewässer heimischen Tier- und Pflanzenwelt von existenzieller Bedeutung.
Der Beschwerdeführer brachte in seiner Eingabe vom 8. Juli 1999 vor, dass er bereit sei, eine Restwasserregelung dahin zu akzeptieren, dass die Pflichtwassermenge in den Sommermonaten (April bis September) mit 20 l/s und in den Wintermonaten (Oktober bis März) mit 10 l/s festgelegt werde.
Mit erstinstanzlichem Bescheid vom 16. September 1999 wurde dem Beschwerdeführer unter Berufung auf die §§ 9, 12, 98 Abs. 1, § 105 Abs. 1 lit. d und e und § 111 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 die Bewilligung zur Erneuerung bzw. Erweiterung des bestehenden Kleinkraftwerkes auf dem Grundstück Nr. 232, KG Z, nach Maßgabe der eingereichten Pläne und Beschreibungen versagt.
Begründend führte die Erstbehörde nach Wiedergabe der Gutachten der Amtssachverständigen für Gewässerökologie und Naturschutz aus, dass durch die geplante Erneuerung bzw. Erweiterung des Kleinkraftwerkes ein schädlicher Einfluss auf den Lauf, die Höhe des Gefälles und des Ufers des natürlichen Gewässers herbeigeführt und die Beschaffenheit des Wassers nachteilig beeinflusst würden, weil die Restwassermenge nicht ausreiche, das ökologische System im betroffenen Bereich aufrecht zu erhalten.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung und brachte (u.a.) vor, unter Zugrundelegung der Ausführungen des ökologischen Amtssachverständigen sei das Gewässer wesentlich beeinträchtigt, sodass es sich um kein natürliches mehr handle. Die Bestimmungen des § 105 Abs. 1 lit. d und e WRG 1959 seien jedoch nur auf natürliche Gewässer anzuwenden. Auch werde die Beschaffenheit des Wassers durch das Projekt in keiner Weise nachteilig beeinflusst, weil es durch den Betrieb des Kleinwasserkraftwerkes zu keiner Veränderung des Wassers komme.
An der vom Landeshauptmann von Kärnten (der belangten Behörde) am 25. Mai 2000 durchgeführten Verhandlung nahmen (u. a.) die vorgenannten Amtssachverständigen teil. Diese verwiesen auf ihre bereits abgegebenen Stellungnahmen und führten aus, dass die Frage, ob in der kalten Jahreszeit auch eine geringere Abflussmenge den Erhalt des Lebensraumes der aquatischen Biozönose sichern könne, lediglich nach Beobachtungen der Ausleitungsstrecke bei Messung der Abflussmenge beantwortet werden könnte, wobei jedoch bereits gesagt werden könne, dass die Abgabe einer Pflichtwassermenge in Höhe des NNQ-Wertes (15 l/s) die ökologische Funktionsfähigkeit der Ausleitungsstrecke wesentlich beeinträchtige.
Der Beschwerdeführer brachte in dieser Verhandlung (u. a.) vor, dass die ökologische Funktionsfähigkeit des Z-Baches beim Betrieb seines Kleinwasserkraftwerkes und der festgelegten Pflichtwassermenge von 10 l/s durchaus gegeben sei, und legte zum Beweis dafür eine Erhebung des Fischbestandes im Bereich der Ausleitungsstrecke durch die Kärntner Landesfischzuchtgenossenschaft F vom 22. Mai 2000 mit dem Bemerken vor, es gehe daraus hervor, dass sogar im Monat Mai ein erheblicher Fischbestand (Bachforellen) anzutreffen sei. Eine Deckung des persönlichen Bedarfs (der Stromversorgung) sei bei einer Pflichtwassermenge von 15 l/s im Winter gerade noch gewährleistet.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 10. Juli 2000 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab.
In der Begründung ihres Bescheides führte sie nach Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes der Amtssachverständigengutachten aus, dass die Erhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Z-Baches bei Erneuerung bzw. Erweiterung der Wasserkraftanlage infolge des geringen Wasserangebotes nicht gewährleistet sei. Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass seine Energieversorgung in den Wintermonaten nicht gedeckt werden könnte, sei zu erwidern, dass § 105 WRG 1959 lediglich vom öffentlichen Interesse spreche und dieses durch die Ausführung des Projektes überaus beeinträchtigt wäre. Wenn auch die Erzeugung umweltfreundlicher Energie im öffentlichen Interesse liege, so sei das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines ökologisch funktionsfähigen Gewässers bei weitem bedeutender.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit ihrem Vorbringen, dass die dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides nicht gefertigt sei, zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 hat jede schriftliche Erledigung (u. a.) den Namen des Genehmigenden und, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, auch die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten (erster und zweiter Satz). Schriftliche Erledigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt worden sind oder die telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise übermittelt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung (letzter Satz).
Die vom Beschwerdeführer mit der Beschwerde vorgelegte Bescheidausfertigung trägt am Ende (in Druckschrift) den Namen des die Erledigung genehmigenden Organwalters und enthält (u. a.) eine "DVR"-Nummer. Auch aus dem übrigen äußeren Erscheinungsbild der Bescheidausfertigung ist zu erkennen, dass diese Erledigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt wurde (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 18 AVG E 114 ff, zitierte hg. Judikatur). Im Übrigen trägt die Urschrift des angefochtenen Bescheides (auch) die Unterschrift des Genehmigenden. Von daher gesehen wurde der angefochtene Bescheid gegenüber dem Beschwerdeführer mit Zustellung dieser Bescheidausfertigung an ihn rechtswirksam erlassen.
Gemäß § 12 Abs. 1 WRG 1959 ist das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung derart zu bestimmen, dass das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.
Gemäß § 13 Abs. 4 leg. cit. ist das Maß der Wasserbenutzung in der Bewilligung in der Weise zu beschränken, dass ein Teil des jeweiligen Zuflusses zur Erhaltung eines ökologisch funktionsfähigen Gewässers sowie für andere, höherwertige Zwecke, insbesondere solche der Wasserversorgung, erhalten bleibt. Ausnahmen hievon können befristet zugelassen werden, insoweit eine wesentliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses nicht zu besorgen ist.
Die belangte Behörde begründet die Versagung der beantragten wasserrechtlichen Bewilligung damit, dass bei Erneuerung bzw. Erweiterung der Kraftwerksanlage die ökologische Funktionsfähigkeit des Z-Baches nicht gewährleistet sei. Damit gibt sie zu erkennen, für die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers die Bestimmung des § 105 Abs. 1 lit. m WRG 1959 heranzuziehen. Nach dieser Gesetzesbestimmung kann ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens im öffentlichen Interesse insbesondere dann als unzulässig angesehen werden oder nur unter entsprechenden Auflagen und Nebenbestimmungen bewilligt werden, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer zu besorgen ist.
Die Beschwerde macht (u.a.) geltend, den Bescheidfeststellungen sei nicht zu entnehmen, warum die Erhöhung der Konsenswassermenge bei gleich bleibender Restwassermenge in der Ausleitungsstrecke des Kleinwasserkraftwerkes eine Änderung in der ökologischen Funktionsfähigkeit des Z-Baches bewirken könnte. Auch gebe es keinen Hinweis darauf, dass sich der vorhandene Fischbestand oder der Bestand an Kleintieren oder sonstigen Lebewesen durch eine größere Ausnutzung der Konsenswassermenge bei gleichem Pflichtwasser ändern würde. Ferner sei nicht einmal die Zusammensetzung der aquatischen Lebenswelt bekannt, weil es keine Untersuchung des betroffenen Gewässers gegeben habe, und stehe die nachteilige Beeinflussung der aquatischen Lebenswelt im Z-Bach nicht eindeutig fest.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in mehreren Erkenntnissen ausgeführt hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. November 1998, Zl. 96/07/0059, mwN), ist der Begriff "ökologische Funktionsfähigkeit" ein Sammelbegriff für vom WRG 1959 bereits in einzelnen Bestimmungen des § 105 leg. cit. enthaltene Schutzobjekte. Ziel der Einfügung des Begriffes der ökologischen Funktionsfähigkeit sollte offenbar eine möglichst umfassende Erfassung aller mit dem Wasser zusammenhängenden Umweltfaktoren sein. Da der Schutzkatalog des WRG 1959 alle mit einer Beeinträchtigung von Gewässern einhergehenden Auswirkungen umfasst, ist auch die ökologische Funktionsfähigkeit in dem Sinn zu verstehen, dass damit alle Funktionen erfasst sind, die das Gewässer für die mit ihm zusammenhängenden und von ihm abhängigen Bestandteile der Umwelt hat, wobei unter Umwelt nicht nur die räumlich vom Wasser getrennte Umwelt zu verstehen ist, sondern auch die Umwelt im Wasser selbst. Da es sich bei der ökologischen Funktionsfähigkeit um einen Sammelbegriff aller umweltbezogenen Funktionen eines Gewässers handelt, genügt damit nicht z.B. eine allgemeine Feststellung, dass durch das Fehlen einer Restwassermenge, insbesondere durch das dadurch bedingte zeitweise gänzliche Trockenfallen der Ausleitungsstrecke, die ökologische Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werde, sondern ist vielmehr eine Auflistung der Auswirkungen dieses Umstandes auf die mit dem Gewässer zusammenhängenden und von ihm abhängenden Umweltbereiche unter Berücksichtigung quantitativer oder qualitativer Aspekte erforderlich.
Die belangte Behörde führt in dieser Hinsicht im angefochtenen Bescheid aus, dass es sich beim NNQ um jene Wassermenge handle, die vom Lebensraum Fließgewässer bzw. den darin wohnenden Lebewesen als kurzfristige Erscheinung gerade noch überstanden werde könne. Die im Jahr 1983 erfolgte Pflichtwasservorschreibung dürfte im Hinblick auf die von der Abteilung 18-Hydrographie (des Amtes der Kärntner Landesregierung) angegebenen Werte von 20 bzw. 15 l/s seinerzeit zu gering bemessen worden sein. Längerfristig gesehen würden durch eine so starke Reduzierung des natürlichen Wasserangebotes wesentliche Beeinträchtigungen des Gefüges des Haushaltes der Natur zu besorgen sein, weil es zu unwiederbringlichen Schädigungen der Bachlebewelt komme. Bei einer Pflichtwassermenge in der Zeit von Oktober bis März von 35 l/s und in der Zeit von April bis September von 70 l/s bestehe - anders als bei einer Pflichtwassermenge in Höhe des NNQ-Wertes (15 l/s) - nicht die Besorgnis, dass die ökologische Funktionsfähigkeit durch die beantragte Konsenswassermenge wesentlich beeinträchtigt werde.
Nach den oben dargelegten Grundsätzen reicht diese Begründung für eine ausreichende Darstellung jener konkreten Sachverhalte, aus denen sich die Wesentlichkeit der besorgten Beeinträchtigung ergeben soll, nicht aus. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer in der von der belangten Behörde durchgeführten Verhandlung am 25. Mai 2000 einen Erhebungsbericht des Fischbestandes im Bereich der Ausleitungsstrecke des gegenständlichen Kleinwasserkraftwerkes durch die Landesfischzuchtgenossenschaft F vom 22. Mai 2000 vorgelegt und vorgebracht, dass beim derzeitigen Betrieb der Kraftwerksanlage ein Fischbestand gegeben und dies von der Behörde ignoriert worden sei. Auch mit diesem Urkundenbeweis hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt.
Der von der belangten Behörde ihrer Beurteilung zugrunde gelegte Sachverhalt erweist sich daher als ergänzungsbedürftig. Schon deshalb war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 25. April 2002
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000070209.X00Im RIS seit
11.07.2002