TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2002/21/0063

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E05204020;
E6J;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
61977CJ0030 Bouchereau VORAB;
AsylG 1997 §21 Abs1;
EURallg;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §48 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des D in G, geboren am 22. Mai 1973, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 14. März 2002, Zl. Fr 167/2002, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des bekämpften Bescheides (samt zu Grunde liegender Berufung) ergibt sich Folgendes:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, ist am 6. Dezember 1994 nach Österreich eingereist. In der Folge stellte er unter falschem Namen einen Asylantrag, welcher letztlich mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. März 2000 abgewiesen wurde. Einen neuerlichen, unter der richtigen Identität gestellten Asylantrag vom 15. Februar 2002 wies das Bundesasylamt mit Bescheid selben Tages gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück; über die dagegen erhobene Berufung ist noch nicht entschieden.

Am 29. April 1997 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des Suchtgifthandels festgenommen. In weiterer Folge wurde er - noch unter dem von ihm ursprünglich angegebenen Namen - vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz und wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz sowie wegen der Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt und der schweren Körperverletzung nach den §§ 15, 269 Abs. 1, 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2 Z 4 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, wovon 13 Monate auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt. Am 21. August 2001 erging eine weitere - seit 29. November 2001 rechtskräftige - Verurteilung des Beschwerdeführers, und zwar seitens des Landesgerichtes für Strafsachen Graz wegen des Vergehens nach §§ 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten.

Im Hinblick auf die beiden strafgerichtlichen Verurteilungen erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 14. März 2002 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 48 Abs. 1 iVm §§ 36 Abs. 1 Z 1 und 37 bis 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Dies begründete sie im Wesentlichen näher damit, dass der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe, weshalb ihm am 9. Jänner 2001 mit Gültigkeit bis 9. Jänner 2002 eine Niederlassungsbewilligung erteilt worden sei. Im Hinblick auf diese Eheschließung sei er als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu betrachten, weshalb der Sachverhalt nach § 48 Abs. 1 FrG beurteilt werden müsse. Das gelte ungeachtet dessen, dass sich die Ehegattin des Beschwerdeführers bereits seit September 2000 im Ausland befinde. Gemäß § 48 Abs. 1 FrG sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des Verhaltens des betreffenden Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sei. Der bei Beantwortung dieser Frage als "Orientierungsmaßstab" heranziehbare § 36 Abs. 2 Z 1 FrG sei im Hinblick auf die letzte strafgerichtliche Verurteilung wegen § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten erfüllt. Im Hinblick auf das aus der Art und Weise der strafbaren Handlungen erkennbare Charakterbild des Beschwerdeführers und angesichts der mit der Suchtgiftkriminalität verbundenen erheblichen Beeinträchtigung öffentlichen Sicherheit sei von einer Gefährdung iS des § 48 Abs. 1 FrG auszugehen, zumal der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde im Rahmen ihrer Überlegungen zur Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes - rückfällig geworden sei und sein strafbares Verhalten über einen längeren Zeitraum erstreckt habe; der seit Begehung der letzten Straftat verstrichene Zeitraum sei eindeutig zu kurz, um daraus auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr schließen zu können.

Unter dem Blickwinkel des § 37 FrG führte die belangte Behörde aus, dass mit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers einher gehe. Allerdings halte er sich erst seit Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit 9. Jänner 2001 rechtmäßig im Bundesgebiet auf und sei er auf dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert. Außerdem befinde sich seine österreichische Ehegattin seit September 2000 nicht mehr im Inland, sondern zufolge der Berufungsausführungen aus beruflichen Gründen befristet in London. Dem stünde eine Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen durch die begangenen Suchtgiftdelikte - der Beschwerdeführer habe die "Inverkehrsetzung von Suchtmitteln in einer großen Menge" zu verantworten - gegenüber. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und des großen öffentlichen Interesses an einer Eindämmung derselben erweise sich das Aufenthaltsverbot daher einerseits als dringend geboten und wögen die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner österreichischen Ehegattin nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Schließlich komme auch eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht in Betracht, zumal er am 15. Februar 2002 die ihn in die Räumlichkeiten des Bundesasylamtes begleitenden Polizeibeamten mit den Worten "Wenn ich wieder frei bin, werde ich eure Frauen und Kinder töten. In ein paar Jahren sind die Schwarzen sowieso die Herren und wir werden eure Kinder süchtig machen" bedroht - diesbezüglich liege bereits eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Graz auf - und er seine wahre Identität gegenüber den zuständigen fremdenpolizeilichen Behörden jahrelang verschleiert habe. Seine negative Einstellung sei offensichtlich "derart stark manifestiert", dass es der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes bedürfe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat richtig erkannt, dass gegen den Beschwerdeführer als Ehegatten einer österreichischen Staatsbürgerin ein Aufenthaltsverbot nur auf § 48 Abs. 1 FrG gegründet werden konnte. Sie hat ebenso richtig erkannt, dass bei Beantwortung der demnach zu prüfenden Frage, ob auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, auf den Katalog des § 36 Abs. 2 FrG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. November 2001, Zl. 99/21/0322).

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer zweimal rechtskräftig wegen Suchtgiftdelikten verurteilt, und zwar erstmals zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe und zuletzt zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten. Im Hinblick darauf ist zunächst festzuhalten, dass er den - wie erwähnt als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehenden - Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG, und zwar in dreifacher Hinsicht (erster, zweiter und vierter Fall), erfüllt. Angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 11. September 2001, Zl. 99/21/0365) kann aber auch kein Zweifel bestehen, dass vom Beschwerdeführer eine zur Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 48 Abs. 1 FrG erforderliche tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2001, Zl. 99/21/0339), ausgeht: Zum Einen wurde er nämlich einschlägig rückfällig, zum Anderen erstreckte sich die Tatbegehung über einen längeren Zeitraum, und zwar gemäß den eigenen Angaben des Beschwerdeführers (in dem dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegenden Berufungsschriftsatz) über die Jahre 1998 und 1999. Hinzu kommt die oben wiedergegebene Äußerung vom 15. Februar 2002 im Zusammenhang mit seiner Vorführung zum Bundesasylamt, weshalb es einerseits - ausnahmsweise (zumal dies auch in der Beschwerde gar nicht bemängelt wird) - nicht schadet, dass die belangte Behörde eine nähere Umschreibung der den Verurteilungen des Beschwerdeführers zu Grunde liegenden Tathandlungen unterlassen hat und andererseits dem nunmehrigen Beschwerdeeinwand, der Beschwerdeführer werde in Zukunft keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen - mag er auch seit seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht mehr straffällig geworden sein - nicht näher getreten werden kann. Dass der Beschwerdeführer die erwähnte Äußerung abgegeben habe, wird in der Beschwerde nicht bestritten; von da her steht ihrer Berücksichtigung im Rahmen der Bewertung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers entgegen seiner Auffassung, wonach ihm die damit im Zusammenhang stehende Anzeige nicht zum Nachteil gereichen könne, die Unschuldsvermutung nicht entgegen. Es ist aber angesichts der aufgezeigten Umstände auch nicht zu sehen, inwieweit eine ergänzende Vernehmung des Beschwerdeführers oder eine Vernehmung seiner Ehegattin zu dem Ergebnis hätten führen können, von ihm gehe keine Gefährlichkeit aus. Die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte den entsprechenden Berufungsanträgen des Beschwerdeführers Folge leisten müssen, erweist sich damit als nicht berechtigt. Das gilt auch im Hinblick auf die Beurteilung nach § 37 FrG, weil selbst unter der Annahme, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers von ihrem berufsbedingten Auslandsaufenthalt regelmäßig in das Bundesgebiet zurückkehre und hier mit dem Beschwerdeführer ein gemeinsames Familienleben führe - was die erwähnten Vernehmungen ebenfalls hätten erbringen sollen -, der behördlichen Beurteilung, das gegenständliche Aufenthaltsverbot sei zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen dringend geboten (§ 37 Abs. 1 leg. cit.) und seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht entgegen getreten werden kann. Zwar ist dem Beschwerdeführer ein erhebliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zuzubilligen; dass sich seine (österreichische) Ehegattin zumindest überwiegend im Ausland aufhält, kann freilich bei der Gewichtung seines Familienlebens nicht unberücksichtigt bleiben. Im Übrigen ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass der Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit innewohnt und dass das öffentliche Interesse an ihrer Bekämpfung besonders groß ist. Im Fall des Beschwerdeführers tritt zu den schon erwähnten Umständen hinzu, dass ihm einerseits "Inverkehrsetzung von Suchtmitteln in einer großen Menge" zur Last liegt und er andererseits - wie sich aus der Bestrafung nach § 27 Abs. 2 Z 2 SMG ergibt - gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande tätig geworden ist.

Wenn die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe keine Interessenabwägung vorgenommen, so verkennt sie den Inhalt des bekämpften Bescheides.

Auch der Umstand, dass dem Beschwerdeführer per 9. Jänner 2001 eine Erstniederlassungsbewilligung mit einjähriger Gültigkeitsdauer erteilt worden ist, vermag nicht zu seinen Gunsten auszuschlagen, zumal bei ihrer Erteilung jedenfalls auf die hier wesentliche zweite Verurteilung des Beschwerdeführers vom 21. August 2001 noch nicht Bedacht genommen werden konnte. Schließlich ist es auch ohne Belang, dass im Hinblick auf das im Berufungsstadium anhängige (zweite) Asylverfahren des Beschwerdeführers seine Abschiebung im Grunde des § 21 Abs. 2 Asylgesetz 1997 derzeit nicht möglich ist. Wie sich aus § 21 Abs. 1 Asylgesetz 1997 ergibt, steht ein offenes Asylverfahren - von einem hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefall abgesehen - der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nämlich nicht im Wege.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde

gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. April 2002

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002210063.X00

Im RIS seit

01.07.2002

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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