TE Vfgh Beschluss 1999/6/8 G1/98

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Veröffentlicht am 08.06.1999
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/02 Kraftfahrgesetz 1967, Führerscheingesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
FührerscheinG §4 Abs3
FührerscheinG §4 Abs6

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des FührerscheinG betreffend eine Voraussetzung für die Anordnung einer Nachschulung für den Besitzer eines Probeführerscheins mangels unmittelbarer Wirksamkeit der angefochtenen Norm

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Der Antragstellerin wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 18. März 1997 eine Lenkerberechtigung für Anfänger (Probeführerschein) für die Gruppe B erteilt. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 18. Dezember 1997 wurde sie zu einer Geldstrafe gemäß §99 Abs3 lita iVm. §20 Abs2 StVO 1960 verurteilt und ihr zur Last gelegt, sie habe am 30. April 1997 mit einem Pkw im Ortsgebiet von Mauerkirchen die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 30 km/h überschritten. Die Geschwindigkeit wurde mit einem Meßgerät festgestellt. Das dagegen eingeleitete Berufungsverfahren war zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Verfassungsgerichthof noch anhängig.

1.2. Mit dem beim Verfassungsgerichtshof am 2. Jänner 1998 eingelangten Antrag wird die Aufhebung der Wortfolge "mit technischen Hilfsmitteln festgestellte" in §4 Abs6 Z2 FSG 1997, BGBl. I 1997/120, als verfassungswidrig begehrt und zur Zulässigkeit des Individualantrages im wesentlichen ausgeführt, daß im Falle einer Bestätigung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 18. Dezember 1997 durch den unabhängigen Verwaltungssenat zu befürchten sei, daß der Antragstellerin gemäß §4 Abs3 erster Satz FSG 1997 unverzüglich eine Nachschulung angeordnet werde. Diese Nachschulung sei neben großen Mühen und Zeitaufwand auch mit erheblichen Kosten verbunden, welche empfindlich in den Finanzhaushalt der Antragstellerin eingreifen würden und nur durch eine Kreditaufnahme finanziert werden könnten.

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst bestreitet in seiner Äußerung die Zulässigkeit des Antrages und verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmung.

2. Über die Zulässigkeit des Antrages nach Art140 Abs1 B-VG wurde erwogen:

2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die "Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; ...".

2.2. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger - mit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 beginnender - Rechtsprechung die Auffassung, die Antragslegitimation erfordere nicht nur, daß die antragstellende Partei behauptet, unmittelbar durch eine als verfassungswidrig angefochtene Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sondern auch, daß dieses Gesetz für die antragstellende Partei tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt und - im Falle der Verfassungswidrigkeit - verletzt. Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein solcher, die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person muß jedenfalls nach Art und Ausmaß durch das Gesetz eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht nur potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen.

2.3. Wie die Antragstellerin selbst vorbringt, war ihr zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keine Nachschulung angeordnet worden. Die angefochtene Bestimmung ist daher für sie tatsächlich (noch) nicht wirksam geworden. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Die Anordnung einer Nachschulung gemäß §4 Abs3 erster Satz FSG 1997 erfolgt mittels Bescheid. Schon aus diesem Grund wäre der Antrag zurückzuweisen, weil es an einem "unmittelbaren" Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin fehlen würde, stünde ihr doch zur Abwehr der - ihr durch die angebliche Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmung entstandenen - Rechtsverletzung ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung. Ein - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht nämlich grundsätzlich dann, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig ist, das dem Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer Antragstellung auf Gesetzesprüfung nach Art140 B-VG bietet (vgl. VfSlg. 13871/1994 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14752/1997). Es kann der Antragstellerin durchaus zugemutet werden, in einem allfälligen Verfahren über die Anordnung einer Nachschulung den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und sodann in einem Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG die Bedenken gegen die generelle Norm vorzubringen.

3. Dieser Antrag konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Kraftfahrrecht, Lenkerberechtigung, Führerschein, Lenkberechtigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:G1.1998

Dokumentnummer

JFT_10009392_98G00001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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