Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §62 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des G S in H, vertreten durch Dr. Franz Wielander, Rechtsanwalt in Gmünd, Walterstraße 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 1. August 2001, Zl. Senat-GD-00-011, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft G (BH) erließ unter dem Datum des 27. April 2000 gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:
"Tatzeit: 16.2.2000, wie anlässlich einer Überprüfung durch die Gewerbebehörde festgestellt wurde.
Tatort: D, Hstraße 51, Grundstück Nr. 17, KG D
Tathandlung:
Sie haben nachstehenden Auftrag, welchen Ihnen die Bezirkshauptmannschaft G mit Bescheid vom 7.11.1997, 12-A/97, erteilt hat, nicht befolgt, nämlich:
Die auf dem Grundstück Nr. 17 der KG D gelagerten 5 PKW-Wracks, und zwar der Ford Escort 1,6 d, weiß, letztes Pickerl G; der Opel Ascona, rotbraun, letztes Pickerl G, 7/95; der VW Golf I, silber, letztes Pickerl R, 7/96; der Ford Escort, rot; und der Porsche 924, rot, letztes Pickerl G, 4/96; sind ordnungsgemäß zu entsorgen und sind darüber der Bezirkshauptmannschaft G entsprechende Entsorgungsnachweise vorzulegen. Die Maßnahme hat unverzüglich, spätestens jedoch binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides, zu erfolgen."
Als Übertretungsnorm wurde § 39 Abs. 1 lit. b Z. 21 und § 32 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes in Verbindung mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft G vom 7. November1997 angegeben.
Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 39 Abs. 1 lit. b Z. 21 AWG eine Geldstrafe in Höhe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 192 Stunden) verhängt.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei auf Grund seiner besonderen gesundheitlichen Ausnahmesituation bisher nicht in der Lage gewesen, den Aufforderungen der BH nachzukommen. Sollten entsprechende ärztliche Atteste gefordert werden, sei er bereit, diese Nachweise vorzulegen. Auch sei die Höhe der allenfalls zum Tragen kommenden Strafe "auf Grund meiner aus gesundheitlich bedingten (psychosomatisch) Pensionierung seit 1.11.1999, der ein aus eben dessen psychosomatischen Krankheitsfalles vorangegangenen 2-jährigen Krankenstandes von mir keinesfalls zahlbar, da mein derzeit zur Verfügung stehendes Einkommen S 8.900,-- monatl. beträgt". Durch die Eintreibung der Geldleistung würde das Existenzminimum des Beschwerdeführers gefährdet.
In einem Schreiben vom 7. Juli 2000 an die BH erklärte der Beschwerdeführer, auf Grund einer bei seiner Freundin Mitte Mai erfolgten schweren 5-stündigen Operation und der nachfolgenden Rekonvaleszenz sei er wegen der erforderlichen Betreuung und Pflege bis heute nicht im Stande gewesen, Entsorgungsmaßnahmen durchzuführen. Er verbürge sich jedoch, dass in spätestens zwei Wochen die PKW vom Grundstück in D weggebracht seien.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 1. August 2001 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge, berichtigte aber den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dahingehend, dass die sowohl bei der Übertretungs- als auch bei der Strafnorm genannte Bestimmung " 39 Abs. 1 lit. b Z. 21" auf "§ 39 Abs. 1 lit. b Z. 22 AWG" berichtigt wird.
In der Begründung heißt es, unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer dem Auftrag der BH vom 7. November 1997 zumindest bis 16. Februar 2000 nicht nachgekommen sei. Der objektive Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung sei somit jedenfalls erfüllt.
Hinsichtlich des Verschuldens bestimme § 5 Abs. 1 VStG, dass zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge, wenn das Gesetz hiezu nichts anderes bestimme. Fahrlässigkeit sei bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand der Eintritt eines Erfolges nicht gehöre und der Täter nicht glaubhaft mache, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Der Beschuldigte habe somit initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spreche.
Der Beschwerdeführer bringe in seiner Berufung vor, dass er auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes nicht in der Lage gewesen sein, dem Auftrag nachzukommen. Die nunmehrige Einkommenssituation verhalte sich so, dass monatlich S 8.900,-- an Pension erzielt werde. Dem Beschwerdeführer sei in diesem Zusammenhang entgegen zu halten, dass bereits im Dezember 1997 die Erfüllungsfrist abgelaufen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei zwar der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben bereits im Krankenstand gewesen, nicht jedoch in Pension. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft dargelegt, dass es ihm vom Eintritt der Verpflichtung bis zur Pensionierung (allein dies seien rund zwei Jahre) nicht möglich gewesen sei, für die Entsorgung aufzukommen bzw. diese erforderlichenfalls durch Dritte vornehmen zu lassen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, erstmals im angefochtenen Bescheid werde ihm eine Übertretung nach § 39 Abs. 1 lit. b Z 22 AWG angelastet. Diese Norm und der ihr zu Grunde liegende Tatbestand seien aber im erstinstanzlichen Verfahren dem Beschwerdeführer nicht angelastet worden, weshalb Verjährung eingetreten sei. Verjährung sei auch bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Strafbescheides vorgelegen, weil die Verpflichtung zur Erfüllung des bescheidmäßig erteilten Auftrages zur Wrackentsorgung "mit Vierwochenfrist ab Zustellung" des den Auftrag enthaltenden Bescheides im Jahr 1997 bereits fällig gewesen sei. Die erste Verfolgungshandlung habe aber erst im Jahr 1999 oder 2000 stattgefunden.
Dem Beschwerdeführer war mit dem Bescheid der BH vom 7. November 1997 die Entsorgung von Autowracks innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides vorgeschrieben worden.
Mit dem ungenützten Verstreichen dieser Vierwochenfrist begann das strafbare Verhalten. Dieses dauerte so lange an, so lange die Autowracks nicht beseitigt waren. Erst mit der Entfernung der Autowracks wäre das strafbare Verhalten beendet; ab diesem Zeitpunkt würde die Verjährungsfrist zu laufen beginnen.
Nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid waren jedenfalls am 16. Februar 2000 die Autowracks noch nicht entfernt.
Die erste Verfolgungshandlung der BH war eine Aufforderung zur Rechtfertigung, in welcher die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat genauso umschrieben wurde wie im nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde. Diese Aufforderung zur Rechtfertigung unterschied sich vom angefochtenen Bescheid nur durch die Heranziehung einer anderen "Übertretungsnorm". Diese Aufforderung zur Rechtfertigung wurde im März 2000 zur Post gegeben. Es wurde daher innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist eine Verfolgungshandlung gesetzt.
Die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, kann von der Berufungsbehörde richtig gestellt werden, und zwar auch nach Ablauf der Verjährungsfrist. Hinsichtlich einer rechtlichen Qualifikation kann keine Verfolgungsverjährung eintreten (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, 621 f angeführte Rechtsprechung).
Verjährung liegt daher nicht vor.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die belangte Behörde sei über sein Berufungsvorbringen, dass ihm die Erfüllung des Entsorgungsauftrages aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sei, hinweg gegangen. Sie habe es unterlassen, festzustellen, welches Einkommen der Beschwerdeführer im Krankenstand gehabt habe bzw. in welchem Verhältnis die Entsorgungskosten bei Vornahme durch Dritte zur Pensionshöhe von S 8.900,-- bzw. zum Einkommen im Krankenstand stünden. Dies wäre aber erforderlich gewesen um zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer allenfalls ohne sein Verschulden nicht in der Lage gewesen sei, den Entsorgungsauftrag zu erfüllen, zumal eine höchst persönliche Erfüllung des Entsorgungsauftrages nicht möglich sei, da hiefür Fahrzeug und Maschinen, Kran etc. notwendig seien.
Der Beschwerdeführer hat in der Berufung behauptet, er habe dem Entsorgungsauftrag bisher deswegen nicht nachkommen können, weil er auf Grund einer gesundheitlichen Ausnahmesituation dazu nicht in der Lage gewesen sei. Er hat auch die Vorlage ärztlicher Atteste zum Beleg für seine Behauptung angeboten. Damit hat er ein ausreichend konkretisiertes Vorbringen im Sinne des § 5 VStG erstattet.
Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht ausreichend auseinander gesetzt. Sie hält dem Beschwerdeführer entgegen, er sei zum Zeitpunkt der Erteilung des behördlichen Entfernungsauftrages zwar im Krankenstand, aber noch nicht in Pension gewesen und er habe nicht glaubhaft dargelegt, dass es ihm vom Eintritt der Verpflichtung bis zur Pensionierung (allein dies seien rund zwei Jahre) nicht möglich gewesen sei, für die Entsorgung aufzukommen bzw. diese erforderlichenfalls durch Dritte vornehmen zu lassen. Damit ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, dem Auftrag nach zu kommen, aber nicht widerlegt. Solche gesundheitlichen Gründe können auch bereits vor der Pensionierung bestanden haben, was vom Beschwerdeführer auch ausdrücklich behauptet wurde..
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Verpflichtung nicht in der Lage gewesen zu sein, stellt eine Sachverhaltsbehauptung dar, weshalb auch die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung nicht vorlagen.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. I Nr. 501/2001.
Wien, am 25. April 2002
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteBerufungsbescheidStrafnorm BerufungsbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002070024.X00Im RIS seit
11.07.2002Zuletzt aktualisiert am
24.11.2010