TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2002/05/0048

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Dezember 2001, Zl. 606.947/5-II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck in Innsbruck, Innrain 10, 2. Dr. S in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die verheiratete Zweitmitbeteiligte ist seit 22. April 1991 mit Hauptwohnsitz in I, der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters, gemeldet. Sie ist seit 22. Jänner 1996 in W mit weiterem Wohnsitz gemeldet (sie war zuvor vom 26. September 1990 bis 22. April 1991 in W mit Hauptwohnsitz gemeldet).

In ihrer Wohnsitzerklärung vom 13. Mai 2001 gab die Zweitmitbeteiligte an, sie halte sich an etwa 50 Tagen im Jahr in I auf (Mitbewohner sind nicht angegeben), an rund 310 Tage im Jahr hingegen in W, wo sie mit ihrem Ehemann lebe (der in W mit Hauptwohnsitz gemeldet sei). Die Frage nach "Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften" wird für beide Wohnsitze verneint. Der Weg zur Arbeitsstätte in W wird überwiegend von W aus angetreten.

In einer Stellungnahme an die belangte Behörde vom 26. September 2001 brachte sie vor, ihr Arbeitsort befinde sich in W. Was den privaten (gesellschaftlichen) Bereich anlange, so sei dieser zwischen I und W geteilt, weil zwar richtigerweise ihr Ehemann in W wohne, sie jedoch nach wie vor Eltern und Verwandte sowie Bekannte in I habe, um die sich kümmern müsse (Hinweis auf betagte Eltern), bzw. zu denen sie Kontakte habe. Dass W zahlreiche kulturelle Angebote aufweise, von denen sie auch Gebrauch mache, sei nicht von der Hand zu weisen, Tirol könne aber mit ebenso vielen sportlichen Möglichkeiten aufwarten, die sie und ihr Ehemann unverändert gerne in Anspruch nähmen (ca. ein bis zweimal im Monat am Wochenende sowie im Urlaub). Sollte sie letztlich angeben, zu welchem Wohnsitz sie persönlich das überwiegende Naheverhältnis habe, so sei dies unverändert I.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters, den Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten in I aufzuheben, abgewiesen. Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass die Zweitmitbeteiligte jedenfalls eine Schwerpunkt ihrer beruflichen Lebensbeziehungen in W habe. Der "Familienwohnsitz" und somit gesellschaftliche Schwerpunkt liege hingegen in I. Das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck komme, gebe im Beschwerdefall den Ausschlag.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt; angesprochen wird der Vorlageaufwand. Der erstmitbeteiligte Bürgermeister hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

Im Beschwerdefall ist die Zweitmitbeteiligte in W berufstätig und lebt in W mit ihrem Ehemann (der im Übrigen in W mit Hauptwohnsitz gemeldet ist) und verbringt überdies nach ihren Angaben auch nur 50 Tage im Jahr in I, sodass sie auch einen Großteil der Wochenenden in W verbringt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2001, Zl. 2001/05/1077). Angesichts dessen sind die zu W bestehenden Lebensbeziehungen gegenüber der bloß gesellschaftlichen Lebensbeziehung zu I als derart überwiegend anzusehen, dass der Mittelpunktcharakter von I nicht mehr bejaht werden kann (zur Frage des Hautwohnsitzes von Eheleuten siehe im Übrigen das hg. Erkenntnis ebenfalls vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0941), wozu weiters kommt, dass die Heimatverbundenheit einer Person in den im § 1 Abs. 8 MeldeG genannten Kriterien nicht enthalten ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Feber 2001, Zl. 2001/05/1163).

Davon ausgehend hat die Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte. Da die belangte Behörde diese Rechtslage

verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050048.X00

Im RIS seit

11.07.2002

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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