Index
41/02 Melderecht;Norm
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Oktober 2001, Zl. 604.051/6-II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Marktgemeinde Thaya in Thaya, 2. Birgit Janu in Wien X, Buchengasse 89/3/13, bzw. in Thaya, Waidhofnerstraße 22/1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am 3. März 1979 geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist seit Geburt in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters, 3842 Thaya (in der Folge kurz: T), gemeldet. Seit 20. August 1998 ist sie mit weiterem Wohnsitz in Wien gemeldet, wo sie berufstätig ist.
In einer Stellungnahme vom 11. Dezember 2000 an die belangte Behörde brachte der mitbeteiligte Bürgermeister vor, die Zweitmitbeteiligte halte sich in Wien ausschließlich aus beruflichen Gründen auf und kehre nach Ende der Arbeitswoche nach T zurück, wo sie ihre Freizeit gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Freunden verbringe.
Die Zweitmitbeteiligte brachte in einer Stellungnahme vom 30. März 2001 ua. zum Ausdruck, sie habe "rein wegen der Arbeit" nach Wien gehen müssen, weil sie in der Umgebung ihres Heimatortes keinen Arbeitsplatz gefunden habe. Ihr Hauptwohnsitz sei weiterhin in T, zudem seien alle ihre Freunde, Verwandte und Bekannten in überwiegender Mehrzahl in T und Umgebung sesshaft. Sie verbringe in T 132 Tage jährlich, "da der Rest Werktage sind!!!". Im Übrigen sei sie nicht bereit, das übermittelte "Erhebungsblatt zur Feststellung des Hauptwohnsitzes" auszufüllen (wird unter Hinweis darauf, dass sie schon über Aufforderung des Magistrates der Stadt Wien ein solches ausgefüllt habe (das im Übrigen aktenkundig ist) näher ausgeführt).
In ihrer Wohnsitzerklärung vom 5. Mai 2001 gab sie an, sie halte sich rund 132 Tage im Jahr in T auf, wo sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester wohne (die dort mit Hauptwohnsitz gemeldet seien), weitere 233 Tage jährlich hingegen in Wien (Mitbewohner an der Wiener Anschrift sind nicht angegeben). Die Frage nach "Funktionen im öffentlichen und privaten Körperschaften" wird für beide Wohnsitze verneint. Der Weg zur Arbeitsstelle wird überwiegend von Wien aus angetreten.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten in T abgewiesen. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Schwerpunkt ihrer beruflichen Beziehungen in T liege, der "Familienwohnsitz" und somit der gesellschaftliche Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen hingegen in T. Das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck komme, habe im Beschwerdefall den Ausschlag gegeben.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt; angesprochen wird der Vorlageaufwand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).
Die Auffassung der Zweitmitbeteiligten im Verwaltungsverfahren, welche dahin geht, sie allein sei dazu berufen, ihren Hauptwohnsitz bindend festzulegen, ist in dieser Form unzutreffend, wie auch ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren nur teilweise sachdienlich war. Insgesamt, also insbesondere unter Bedachtnahme auf das Vorbringen des mitbeteiligten Bürgermeisters, ergibt sich aber daraus, dass die Zweitmitbeteiligte als "Wochenpendlerin" anzusehen ist, womit die Mittelpunktqualität des Heimatortes nicht verneint werden kann (siehe dazu das hg. Erkenntnis ebenfalls vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0945).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 25. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001051147.X00Im RIS seit
11.07.2002