TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2002/05/0467

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2002
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §1 Abs6;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §1 Abs8;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs3;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Gemeinde Deutsch-Griffen in 9572 Deutsch-Griffen, vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag und Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, Alter Platz 19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 4. März 2002, Zl. 1W-PERS-4128/3-2002, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Partei: Bürgermeister der Gemeinde Albeck in 9571 Sirnitz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde, des vorgelegten, angefochtenen Bescheides sowie der weiters vorgelegten Beilagen geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Die 1957 geborene Betroffene, M.B., ist mit Hauptwohnsitz in Deutsch-Griffen, der Gemeinde des beschwerdeführenden Bürgermeisters, und mit weiterem Wohnsitz in der Gemeinde des mitbeteiligten Bürgermeisters, Albeck, gemeldet.

In ihrer Wohnsitzerklärung vom 17. Mai 2001 gab die Betroffene an, sie sei verheiratet und berufstätig. Sie halte sich in der Gemeinde des Hauptwohnsitzes rund 65 Tage im Jahr auf, in Albeck hingegen rund 300 Tage im Jahr, wo sie mit ihrem Ehemann, und ihren 1973, 1984 und 1987 geborenen Kindern wohne (die dort alle mit Hauptwohnsitz gemeldet seien). Die Frage nach Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften wird hinsichtlich beider Wohnsitze bejaht. Der Weg zum Arbeitsplatz wird überwiegend vom Nebenwohnsitz aus angetreten. Die beiden jüngeren Kinder besuchen die Schule in Feldkirchen.

In einem "Frageboden zur Feststellung des Hauptwohnsitzes" heißt es, die Betroffene benütze die Unterkunft am Hauptwohnsitz ganzjährig, und zwar im Sommerhalbjahr, im Winterhalbjahr, im Schuljahr/Arbeitsjahr "die ganze Woche", "werktags: häufig, immer" und "zum Wochenende: häufig immer", die Unterkunft am weiteren Wohnsitz im Zeitraum "Ferien/Urlaub" "die ganze Woche", "werktags:

häufig, immer", "zum Wochenende: häufig, immer". Die Angabe der Mitbewohner entspricht der Wohnsitzerklärung, der Weg zur Arbeitsstätte wird vom weiteren Wohnsitz aus angetreten. Die berufliche Tätigkeit wird mit "selbständig, als Betreiberin eines Seniorenheimes" angegeben, die Frage nach einer weiteren beruflichen Tätigkeit wird verneint. Die Frage nach aktiven gesellschaftlichen Betätigungen wird hinsichtlich beider Wohnsitze mit "weniger intensiv" beantwortet. In der Rubrik "allfällige ergänzende Bemerkungen" heißt es weiters (dort in der Ich-Form formuliert), auf Grund dessen, dass sie auf eigene Gefahr und Rechnung in Deutsch-Griffen ein Seniorenwohnheim betreibe, halte sie sich mit Ausnahme weniger Tage im Jahr in Deutsch-Griffen auf. Ihre Familie habe weiterhin den Wohnsitz in ihrem Wohnhaus in der Gemeinde Albeck. Sie habe aber in Deutsch-Griffen eine vollwertige Wohnung und ihr Ehegatte und die Kinder hielten sich, wenn dies die Freiheit zulasse, möglichst häufig in Deutsch-Griffen auf. Was die von ihr unterschriebene Wohnsitzerklärung betreffe, verhalte sich die Sachlage "umgekehrt", nämlich, dass sie sich ca. 300 Tage in Deutsch-Griffen und 65 Tage in Albeck aufhalte. Sie weise auch darauf hin, dass sie nicht nur tagsüber, sondern auch in der Nacht in Deutsch-Griffen sein müsse (Betreuung der Senioren). Für sie sei jedenfalls zur Zeit Deutsch-Griffen der Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen und daher auch ihr Hauptwohnsitz. Sie beantrage daher, sie in der Gemeinde Deutsch-Griffen "zu zählen".

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Hauptwohnsitz der Betroffenen in Deutsch-Griffen aufgehoben und ausgesprochen, dass binnen einem Monat bei der nunmehr für den Hauptwohnsitz zuständigen Meldebehörde die erforderliche Meldung vorzunehmen sei.

Zusammengefasst kam die belangte Behörde auf Grund der Angaben der Betroffenen im Verwaltungsverfahren zum Ergebnis, dass sich ihr Mittelpunkt der Lebensbeziehungen und damit ihr Hauptwohnsitz in Albeck befinde, weil sie angegeben habe, 300 Tage im Jahr an dieser Adresse aufhältig zu sein, wo auch ihr Ehemann und ihre drei Kinder wohnten und mit Hauptwohnsitz gemeldet seien. Dabei sei darauf Bedacht zu nehmen gewesen, dass die Angaben in der Wohnsitzerklärung und die weiteren Angaben im Fragebogen zur Feststellung des Hauptwohnsitzes widersprüchlich gewesen seien. Eine Änderung des Sachverhaltes in derart kurzer Zeit (dieser Fragebogen stamme vom 2. November 2001) sei nicht anzunehmen. Da auch der Ehemann und die drei Kinder in Albeck wohnten, sei dort der Familienwohnsitz anzunehmen. Die familiäre und wirtschaftliche Beziehung zu Albeck müsse als so intensiv angesehen werden, dass ein Mittelpunkt der Lebensbeziehungen an einem anderen Ort auszuschließen sei, möge auch der "berufliche Mittelpunkt" der Betroffenen in der Gemeinde Deutsch-Griffen zu liegen kommen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Sache nach wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

In der Beschwerde wird unter anderem vorgebracht, dem von der belangten Behörde angenommenen Widerspruch zwischen der Wohnsitzerklärung und dem Fragebogen komme entgegen der Annahme der belangten Behörde keine entscheidende Bedeutung zu, weil dieser Widerspruch durch die Angaben im Fragebogen bereits aufgeklärt worden sei. Da die Betroffene an ihrer Arbeitsstätte wohne, könne sie begrifflich einen Weg zur Arbeitsstätte nur von Albeck aus antreten, in diesem Sinne sei die Antwort auf die gestellte Frage zu verstehen.

Mit der Beschwerde wird eine Erklärung der Betroffenen vom 29. März 2002 vorgelegt, in welcher es heißt, ihre Wohnsitzerklärung, welche sie gegenüber der Gemeinde Albeck abgegeben habe, sei zwar von ihr unterschrieben, jedoch nicht von ihr, sondern von einer Gemeindebediensteten ausgefüllt worden. Diese Wohnsitzerklärung entspreche "nicht der Richtigkeit", anlässlich der Unterfertigung dieser Erklärung sei ihr nicht bewusst gewesen, welche Konsequenzen dies habe. Tatsache sei jedenfalls, dass die gegenüber der Gemeinde Deutsch-Griffen abgegebene Erklärung der Richtigkeit entspreche und dass sie sich seit der Verlegung ihres Hauptwohnsitzes in die Gemeinde Deutsch-Griffen am 4. Dezember 2000 mindestens 300 Tage in dieser Gemeinde aufhalte. Seither sei für sie diese Gemeinde der Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen und auch jener Wohnsitz, zu welchem sie "zum Stichtag und zur Zeit" das überwiegende Naheverhältnis habe. Die Entscheidung der belangten Behörde sei für sie deshalb nicht nachvollziehbar. Ihre Angaben, wonach sie sich mindestens 300 Tage im Jahr in Deutsch-Griffen aufhalte und dort auch ihr derzeitiger Lebensmittelpunkt sei, würden auch von ihrem Ehegatten und von einer Angestellten ihres Betriebes durch deren Unterschrift bestätigt (auf dieser Erklärung finden sich vier Unterschriften, wovon die eine der Betroffenen, die andere ihrem Ehemann und die beiden weiteren - offenbar - Angestellten zugeordnet werden können).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

Die Beschwerde ist jedenfalls im Ergebnis nicht berechtigt. Es trifft zwar zu, dass die Betroffene in diesem Fragebogen erklärt hat, Angaben in der Wohnsitzerklärung richtig zu stellen (ob damit alle Widersprüche bereinigt wurden, sei dahingestellt), dem kommt aber letztlich keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu: Die belangte Behörde hat sich nämlich (auch) darauf gestützt, dass der Ehemann und die Kinder der Betroffenen (darunter zwei schulpflichtige Kinder) in (der benachbarten Gemeinde) Albeck wohnen und dort ihren Hauptwohnsitz haben (was auch unbestritten ist). Angesichts dessen ist im Sinne des hg. Erkenntnisses (ebenfalls) vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0941, von einer so intensiven Beziehung zu Albeck auszugehen, dass die wenngleich intensive berufliche Beziehung zu Deutsch-Griffen demgegenüber in den Hintergrund tritt. Mit anderen Worten: im Hinblick auf die familiäre Beziehung zu Albeck vermag der Umstand, dass die Betroffene als Betreiberin des Seniorenheimes - offenbar zur Sicherstellung einer gehörigen Betreuung der dort untergebrachten Personen - ihren Angaben zufolge 300 Tage jährlich in diesem Heim wohnt, diesem Wohnsitz keine Mittelpunktqualität zu verschaffen. Die Erklärung der Betroffenen im Verwaltungsverfahren, sie habe im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer in Deutsch-Griffen den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen nur in dieser Gemeinde (und nicht in der benachbarten Gemeinde Albeck), ist daher (nicht wegen tatsächlicher Unrichtigkeit dieser Angaben, sondern) aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen, was die belangte Behörde zutreffend erkannt hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über einen Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu gewähren.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050467.X00

Im RIS seit

11.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten