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41/02 Melderecht;Norm
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. November 2001, Zl. 605.931/6- II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt in Klagenfurt, 2. Anita Payer in Wien II, Am Tabor 28/35, bzw. in Klagenfurt, Mühlgase 81/2/8), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die am 29. Dezember 1968 geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters, Klagenfurt (in der Folge kurz: K), gemeldet. Sie ist seit 25. April 2000 in Wien mit weiterem Wohnsitz gemeldet.
In einer Stellungnahme an die belangte Behörde vom 27. April 2001 (es handelt sich um ein formularmäßiges "Erhebungsblatt zur Feststellung des Hauptwohnsitzes") brachte die Zweitmitbeteiligte vor, sie halte sich in K etwa 190 Tage im Jahr auf ("Fr-So + Urlaub + Zeitausgleich"), rund 175 Tage im Jahr hingegen in Wien (nämlich montags bis donnerstags, fallweise auch am Freitag). In Kärnten lebten auch ihre Mutter, ihre Schwester mit Familie und ihr Bruder mit Familie. Der Weg zum Arbeitsplatz in Wien werde in der Regel von Wien aus angetreten. Ihre "aktiven gesellschaftlichen Betätigungen" in K seien "sehr intensiv" ("gesamte Familie + Freunde"), in Wien seien solche "kaum vorhanden". Sie brachte weiters vor, sie sei in Kärnten geboren und zur Schule gegangen, ferner habe sie etwa zwölf Jahre ihres beruflichen Werdegangs in Kärnten bestritten. Auf Grund einer beruflichen Veränderung sei sie nun beim Unternehmen X (zur Zeit in Wien) beschäftigt. Wie bekannt sein dürfte, habe dieses Unternehmen Niederlassungen in ganz Österreich, um nicht zu sagen weltweit. Aus diesem Grund sei ein Standortwechsel jederzeit im Bereich des Möglichen. Abschließend wolle sie noch erwähnen, dass sie ihre Eigentumswohnung in K, die sie rund S 10.000,-- monatlich koste, "nicht als Spass finanziere", sondern weil K der Mittelpunkt ihres Lebens sei, und sie diese einmalige Lebensqualität niemals missen wolle.
Soweit hier erheblich, gab sie in ihrer Wohnsitzerklärung vom 8. Mai 2001 an, sie wohne in Wien mit einem Partner, der in Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet sei (Anmerkung: es entspricht dies dem Vorbringen des beschwerdeführenden Bürgermeisters im Reklamationsantrag, wonach sie an dieser Anschrift mit einem namentlich bezeichneten Lebensgefährten dieses Geburtsjahrganges wohne). Mitbewohner an der Anschrift in K sind nicht angeführt.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten an jener Anschrift in K abgewiesen. Zusammengefasst ging die belangte Behörde davon aus, dass die Zweitmitbeteiligte in Wien den Schwerpunkt ihrer beruflichen Lebensbeziehungen habe, der Schwerpunkt ihrer gesellschaftlichen Lebensbeziehungen liege hingegen in Klagenfurt. Sie habe sich daher rechtmäßigerweise für K als Hauptwohnsitz entschieden.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens
vorgelegt; angesprochen wird der Vorlageaufwand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).
Die Zweitmitbeteiligte hat gesellschaftliche Beziehungen zu K geltend gemacht, die zu Wien nicht bestünden, und hat dabei auch darauf verwiesen, dass sie in K Eigentümerin einer Eigentumswohnung ist.
Im Beschwerdefall kommt aber dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass die Zweitmitbeteiligte in Wien nicht nur berufstätig ist, sondern auch mit einem Partner lebt (der im Übrigen in Wien seinen Hauptwohnsitz hat). Die in K bestehende Kapitalbindung ist im Beschwerdefall nicht entscheidend anders zu sehen als etwa das Eigentum an einem Wochenendhaus oder einem Freizeitwohnsitz. Eine mögliche Rückkehr nach Klagenfurt hat außer Betracht zu bleiben: Das Reklamationsverfahren ist nämlich, wie sich aus § 1 MeldeG unzweifelhaft ergibt, gegenwartsbezogen ("... dort weiterhin den Hauptwohnsitz hat"); es kommt also nicht auf mögliche künftige Veränderungen an, weil jederzeit eine neue Meldung erfolgen kann bzw. muss. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die Heimatverbundenheit einer Person in den im § 1 Abs. 8 MeldeG genannten Kriterien nicht enthalten ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Feber 2002, Zl. 2001/05/1163).
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist diese zu Wien bestehende Lebensbeziehung gegenüber der Lebensbeziehung zu K als derart überwiegend anzusehen, dass der Mittelpunktcharakter von K nicht mehr bejaht werden kann.
Ausgehend davon hat die Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte. Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 25. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001051206.X00Im RIS seit
11.07.2002