Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/02/0063Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Anträge 1. der RP in D und 2. des GP in A, beide vertreten durch Dr. Wilfried Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, 1.) auf Wiederaufnahme des durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 2002, Zl. 2001/02/0032, abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, 2.) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Februar 2001, Zl. 2001/02/0032, gesetzte Frist zur Beschwerdeergänzung, 3.) "die Korrektur des offenkundigen Korrektur- und Schreibfehlers zuzulassen und die korrigierte Fassung der Beschwerdeergänzung der weiteren Behandlung zu Grunde zu legen", den Beschluss
Spruch
gefasst:
1.
Der Antrag auf Wiederaufnahme wird abgewiesen.
2.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
3. Der "Korrekturzulassungsantrag" wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit hg. Beschluss vom 25. Jänner 2002, Zl. 2001/02/0032 (auf dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird), hat der Verwaltungsgerichtshof das Beschwerdeverfahren betreffend die Antragsteller eingestellt, weil der Beschwerde anhaftende Mängel trotz Mängelbehebungsauftrag nicht vollständig erfüllt wurden. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter der Beschwerdeführer am 20. Februar 2002 zugestellt.
Mit einem am 6. März 2002 zur Post gegebenen Schriftsatz begehren die Antragsteller 1. die Wiederaufnahme des durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 2002, Zl. 2001/02/0032, abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, 2. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Februar 2001, Zl. 2001/02/0032, gesetzte Frist zur Beschwerdeergänzung, und
3. "die Korrektur des offenkundigen Korrektur- und Schreibfehlers zuzulassen und die korrigierte Fassung der Beschwerdeergänzung der weiteren Behandlung zu Grunde zu legen". Gleichzeitig wurde die "verbesserte" Beschwerdeergänzung (Anm.: der darin enthaltene Kostenersatzantrag begehrt neuerlich den Zuspruch von Kosten gemäß § 17a und § 27 VfGG; auch im vorliegenden Antrag wird auf "§ 27 VfGG" Bezug genommen!) beigelegt.
Die Antragsteller behaupten, der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 2002, Zl. 2001/02/0032, beruhe auf einer irrigen Annahme der Versäumung einer im VwGG vorgesehenen Frist. Sie weisen auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 2002, Zl. 2001/21/0166, hin, in dem sich der Verwaltungsgerichtshof auf einen Beschluss vom 3. September 1998, Zl. 98/09/0094, bezogen habe und geben den letztgenannten Beschluss wörtlich wieder. In weiterer Folge berufen sie sich auf einen Korrekturfehler der Sekretärin des Beschwerdevertreters. Zudem sei ohnehin ersichtlich gewesen, dass sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet habe und von diesem die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt worden sei.
§ 45 VwGG idF. BGBl. Nr. 10/1985 lautet (auszugsweise):
"Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 45. (1) Die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens ist auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn
1. das Erkenntnis oder der Beschluss durch eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. das Erkenntnis oder der Beschluss auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht oder
...
4. im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, dass sonst das Erkenntnis oder der Beschluss anders gelautet hätte
...
(2) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen von dem Tag, an dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen.
(3) Über den Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden.
..."
§ 46 VwGG idF. BGBl. Nr. 564/1985 lautet (auszugsweise):
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
...
(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses, in den Fällen des Abs. 2 spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Über den Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden.
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
..."
Die Antragsteller meinen zunächst, ihre Ansicht auf das Urteil des EuGH vom 14. Dezember 1995, Peterbroeck, Van Campenhout & Cie SCS gegen Belgischer Staat, Rs. C-312/93, Slg. 1995, I-4599, stützen zu können. Der EuGH hat in der Rn 12 dieses Urteils ausgesprochen:
"Deshalb sind die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf diesem Gebiet Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten. Jedoch dürfen diese Verfahren nicht ungünstiger gestaltet werden als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Rechts betreffen, und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren."
Die im letztgenannten Satz erwähnten Einschränkungen liegen aber im gegenständlichen Verfahren nicht vor.
Breiten Raum widmen die Antragsteller der Wiedergabe von Passagen aus ihrer (ursprünglichen) Beschwerdeergänzung vom 28. März 2001, aus denen sich ergäbe, was sie "vom Verwaltungsgerichtshof wollten". Diese Passagen seien im Beschluss vom 25. Jänner 2002, Zl. 2001/02/0032-10, nicht dargestellt, weshalb der Verwaltungsgerichtshof "in irriger Annahme davon ausgegangen ist, sie seien von ihm nicht zu berücksichtigen".
Damit verkennen die Antragsteller, dass es der Wiedergabe dieser Passagen im genannten Beschluss vom 25. Jänner 2002 nicht bedurfte. Der mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Februar 2001, Zl. 2001/02/0032, erteilte Mängelbehebungsauftrag, ein bestimmtes Begehren gemäß § 28 Abs. 1 Z. 6 VwGG zu stellen, wies auf die Bestimmung des § 42 Abs. 2 VwGG hin. Der Auftrag wurde in der Beschwerdeergänzung vom 28. März 2001 mit dem ausdrücklich gestellten Antrag, der "Verfassungsgerichtshof möge ... den angefochtenen Bescheid wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte beheben" (Unterstreichungen durch den Verwaltungsgerichtshof), beantwortet. Ein solcher, von einem Rechtsanwalt als Vertreter der Antragsteller ausdrücklich an den Verfassungsgerichtshof gerichteter Antrag (in dem außerdem Kostenersatz gestützt auf Bestimmungen des VfGG begehrt wurde) ist aber einer Umdeutung durch den weiteren Inhalt des Schriftsatzes in dem von den Antragstellern gewünschten Sinn nicht zugänglich.
Es liegt daher keine "irrige Annahme" im Sinne des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG vor. Der gegenständliche Fall ist demnach dem hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 24. November 1998, Slg. Nr. 15.035 A nicht vergleichbar. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens war schon deshalb abzuweisen.
Die Bewilligung der Wiedereinsetzung gemäß § 46 Abs. 1 VwGG setzt voraus, dass der Partei kein den "minderen Grad des Versehens" übersteigendes Verschulden vorzuwerfen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu den Beschluss eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. Nr. 9226/A, sowie aus jüngerer Zeit etwa das Erkenntnis vom 11. September 2001, Zl. 2001/21/0061; diese Rechtsprechung ist auf § 46 Abs. 1 VwGG gleichermaßen anwendbar) trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und dem Vertreter höchstens ein minderer Grad des Versehens vorzuwerfen ist. Ein Verschulden, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt in dieser Weise außer Acht gelassen haben (vgl. zum Ganzen das zitierte hg. Erkenntnis vom 11. September 2001, Zl. 2001/21/0061).
Die Antragsteller stützen sich darauf, dass es sich bei "den im Beschluss vom 25. 01. 2002 gestellten Anträgen" (gemeint wohl:
bei den in der Beschwerdeergänzung vom 28. März 2001 gestellten Anträgen) "um einen offenkundigen Korrekturfehler der Sekretärin" des Beschwerdevertreters handle (ausgeführt unter der Überschrift "Gestattung der Berichtigung der offenkundigen Korrekturfehler"). Sie schließen eine "Eidesstättige Erklärung der Sekretärin" an, es sei ihre Aufgabe, (im Falle eines Mängelbehebungsauftrages nach Abtretung der zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und von diesem dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde) die "Formatvorlagen" zu korrigieren und nach "Beschwerdeausdruck zu kontrollieren". Auch im gegenständlichen Fall habe sie einen solchen "Verbesserungs- und Kontrollauftrag" gehabt.
Mit diesen Ausführungen zeigen die Antragsteller nicht auf, dass ihrem Vertreter kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen sei. Zwar darf ein Rechtsanwalt die Vornahme bestimmter Arbeitsgänge innerhalb seiner Kanzlei, wie etwa das Kuvertieren, die Postaufgabe oder die Berechnung von Fristen seinen Kanzleiangestellten überlassen, und stellt ein Versehen eines Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dann ein Ereignis gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (und gleichermaßen im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG) dar, wenn der Anwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenen Bediensteten gegenüber nachgekommen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0190). Davon zu unterscheiden ist jedoch die Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit eines vom Rechtsanwalt zu unterfertigenden Schriftsatzes, bevor er ihn unterschreibt. Diesbezüglich kann der Rechtsanwalt nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden, und zwar auch dann nicht, wenn er sich bei der Vorbereitung des Schriftstückes technischer Hilfsmittel sowie (besonders) verlässlicher Kanzleikräfte bedient (vgl. zu § 46 Abs. 1 VwGG etwa den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juli 1992, Zl. 92/18/0301; zu ähnlich gelagerten Fällen im Zusammenhang mit § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG, die gleich zu beurteilen sind, etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 1996, Zl. 96/09/0247). Dem Rechtsvertreter der Antragsteller ist im vorliegenden Fall vielmehr ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten, wenn er die in seiner Kanzlei vorbereitete Reinschrift des Verbesserungsschriftsatzes ohne inhaltliche Kontrolle bzw. ohne den falschen Antrag zu bemerken, unterfertigte. Ein Rechtsanwalt handelt nämlich auffallend sorglos, wenn er einen Schriftsatz unterfertigt, ohne ihn zu lesen, und dadurch Mängel dieses Schriftsatzes, etwa die unrichtige Bezeichnung des Gerichtshofes, unbemerkt bleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/15/0134, und den hg. Beschluss vom 18. Jänner 1994, Zl. 93/14/0199). Bereits ein bloß kurzer Blick in die dem Rechtsvertreter der Antragsteller von seiner Kanzleikraft vorzulegende Beschwerdeergänzung hätte aber genügt, um erkennen zu können, dass es sich bei den Anträgen in der an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Beschwerdeergänzung um an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Anträge handelt, die sich von einem dem § 28 Abs. 1 Z. 6 VwGG entsprechenden bestimmten Begehren an den Verwaltungsgerichtshof im Inhalt auffällig unterscheiden.
Dem Rechtsanwalt der Antragsteller fällt daher ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln zur Last, das den minderen Grad des Versehens im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG übersteigt.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.
Der von den Antragstellern im Schriftsatz vom 6. März 2002 gestellte Antrag, die "Korrektur des offenkundigen Korrektur- und Schreibfehlers zuzulassen und die korrigierte Fassung der Beschwerdeergänzung der weiteren Behandlung zu Grunde zu legen", entbehrt einer gesetzlichen Grundlage.
Dieser Antrag war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002020062.X00Im RIS seit
18.09.2002