TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/29 98/03/0289

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Veröffentlicht am 29.04.2002
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Index

L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;
L92103 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Niederösterreich;
L92603 Blindenbeihilfe Niederösterreich;

Norm

SHG NÖ 1974 §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der ES in T, vertreten durch den Sachwalter Dr. Anton Bauer, Rechtsanwalt in 3400 Klosterneuburg, Stadtplatz 23, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. August 1998, Zl. GS5- F-40.610/6-98, betreffend Ersatz von Sozialhilfekosten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 25. Jänner 1979 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin gemäß § 33 Abs. 4 NÖ Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200, (im Folgenden: NÖ SHG) "Hilfe in besonderen Lebenslagen Pflege im NÖ Landespflegeheim St. Andrä ab Aufnahmetag gewährt". Über eine allfällige Verpflichtung zu einer Kostentragung (Kostenersatz) der Beschwerdeführerin bzw. ihrer unterhaltspflichtigen Angehörigen werde gesondert entschieden.

Bei der Einräumung des Parteiengehörs mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 5. Februar 1998 wurde unter Hinweis auf einen (näher bezeichneten) ungedeckten Verpflegskostenaufwand darauf Bezug genommen, dass der Hilfeempfänger die Kosten zu ersetzen habe, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelange, oder wenn er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen gehabt habe und dies nachträglich hervorgekommen sei.

Mit Bescheid vom 28. April 1998 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung die Beschwerdeführerin verpflichtet, (für) die Kosten der Sozialhilfe für ihren Aufenthalt im "NÖ Landes-Pensionisten- und Pflegeheim Tulln" einen Kostenersatz von S 119.578,10 dem Land Niederösterreich zu ersetzen.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Empfänger von Sozialhilfe die Kosten zu ersetzen, wenn er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen gehabt habe und dies nachträglich hervorgekommen sei. Für den Zeitraum vom 1. September 1996 bis zum 31. Dezember 1997 seien Verpflegskosten in Höhe von S 327.370,-- angefallen. Demgegenüber seien für den gleichen Zeitraum Pensionseingänge durch die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in der Höhe von S 178.043,90 überwiesen worden.

In der Begründung wurde weiters die Auffassung vertreten, dass sämtliche Ersparnisse, also auch solche aus jenem Teil der Rente/Pension nach dem ASVG, der nicht von der Legalzession nach § 324 Abs. 3 ASVG erfasst sei und daher einem Pflegling selbst ausbezahlt worden sei, von diesem eingesetzt werden müssten, ehe er Mittel der öffentlichen Sozialhilfe in Anspruch nehmen könne. Das Fünffache des Richtsatzes für einen Alleinstehenden, also ein Betrag von S 29.695,-- habe dem Hilfeempfänger (der Beschwerdeführerin) zu verbleiben.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde dargelegt, dass jenes Vermögen, auf welches im Wege des Rückersatzes gegriffen werden solle, ausschließlich aus dem 20 %igen grundsätzlich frei bleibenden Pensionsanteil der Beschwerdeführerin stamme. Es seien daher aus diesem Vermögen "vorerst die notwendigen der Lebensführung der betroffenen Berufungswerberin erforderlichen Mittel abzuziehen". Dabei belaufe sich der Aufwand für Besuchsdienste (der Tochter der Beschwerdeführerin) im verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 1. September 1996 bis 31. Dezember 1997 auf rund S 40.000,--. In weiterer Folge sei dann der fünffache Richtsatz von rund S 30.000,-

- in Abzug zu bringen, sodass vom möglichen Vermögensfonds insgesamt ein Betrag von S 70.000,-- der Beschwerdeführerin zu verbleiben habe. Dies ergebe die Rückersatzpflicht der Beschwerdeführerin im Ausmaß von S 79.273,10.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben, der angefochtene Bescheid jedoch insofern abgeändert, als der Spruch folgendermaßen zu lauten habe:

"Sie sind verpflichtet, die offenen Kosten der Sozialhilfe für ihren Aufenthalt im NÖ LPPH Tulln vom 1. September 1996 - 31. Dezember 1997 in der Höhe von S 149.273,-- dem Land Niederösterreich zu ersetzen."

Als Rechtsgrundlagen wurden § 66 Abs. 4 AVG sowie "§ 41 NÖ Sozialhilfegesetz, LGBl. 9200" angegeben.

Die "rechtliche Beurteilung" in der Begründung dieses Bescheides lautet:

"Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 2 e) der Verordnung über die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei Gewährung von Sozialhilfen, LGBl. 9200/2, haben Barbeträge oder sonstige Sachwerte, die das 5fache des Richtsatzes für einen Alleinstehenden im Sinne der gemäß § 12 NÖ SHG erlassenen Verordnung über die Sozialhilfe nicht übersteigen, vom Vermögen des Hilfesuchenden und seiner unhaltspflichtigen Angehörigen unberücksichtigt zu bleiben.

Dieser Betrag muss dem zum Kostenersatz Verpflichteten jedoch insgesamt von seinem Vermögen bleiben und ist nicht bei jeder einzelnen Kostenersatzverpflichtung abzuziehen. Insofern wird dahingehend die Rechtsmeinung der Behörde 1. Instanz korrigiert.

Gemäß § 41 NÖ Sozialhilfegesetz, LGBl. 9200, muss der Sozialhilfeempfänger die Kosten ersetzen, wenn er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte und dies nachträglich hervorkommt, bzw. wenn die Kosten deshalb entstanden sind, weil er seine eigenen Mittel nicht eingesetzt hat.

Die Kostenersatzverpflichtung ist in diesem Fall unabhängig vom Vorhandensein des angesparten 20%igen frei bleibenden Pensionsanteils, sondern beruht darauf, dass Sie die eigenen Mittel (Stand vom 17. März 1998: Guthaben auf diversen Konten insgesamt im Wert von S 329.156,25) für die Kosten der Sozialhilfe nicht eingesetzt haben, diese jedoch verwertbar sind.

Sozialhilfe wird nur subsidiär gewährt, somit ist unter den gegebenen Voraussetzungen der gesamte Aufwand, der aus Sozialhilfemitteln getragen wurde, zu ersetzen, solange eigene Mittel vorhanden sind.

Dadurch wird auch Ihr Einwand bezüglich der Anrechnung von Besuchskosten in der Höhe von S 40.000,-- entkräftet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der mit "Ersatz durch den Hilfeempfänger" überschriebene § 41 NÖ SHG bestimmte in seinem Abs. 1:

"(1) Der Hilfeempfänger hat, unbeschadet der Bestimmung des § 43, die Kosten zu ersetzen,

a)

wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt,

b)

wenn er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte und dies nachträglich hervorkommt oder

              c)              wenn die Kosten deshalb entstanden sind, weil er seine eigenen Kräfte und Mitteln nicht eingesetzt hat."

Abs. 4 dieser Gesetzesstelle normierte, dass von der Verpflichtung zum Kostenersatz abzusehen ist, wenn dies für den Hilfeempfänger eine Härte bedeuten oder den Erfolg der Sozialhilfe gefährden würde.

Die Beschwerdeführerin wendet sich zunächst gegen die Auffassung der belangten Behörde, wonach Ersparnisse zum verwertbaren Vermögen zu zählen seien, und zwar selbst dann, wenn sie aus dem von einer Legalzession nicht erfassten und damit dem Hilfsbedürftigen zur freien Verfügung stehenden Teil einer Pension herrühren. Zweckbereich der Norm hinsichtlich des Freibleibens von 20 % der Pensionsbezüge sei nämlich, "ein für die besachwalteten Personen jederzeit greifbares Vermögen anzusparen und zu sichern, aus dem unvorhergesehene Anschaffungen des täglichen Lebens, etwa auch Besuchskosten zusätzliche Aufwendungen, die die Lebensführung der Betroffenen erleichtern garantieren können".

Zur Erwiderung darauf genügt der Hinweis, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob und inwieweit Ersparnisse des Hilfe Suchenden zu berücksichtigen sind, nicht davon abhängig ist, aus welchen Quellen die Ersparnisse gebildet worden sind. Auch dann, wenn die Ersparnisse aus Einkommensteilen gebildet worden sind, die bei der Gewährung von Sozialhilfe außer Ansatz zu bleiben haben, sind die Ersparnisse als Vermögen des Betreffenden zu behandeln (siehe dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 97/08/0655, sowie die bei Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 1989, S. 404 zitierte hg. Rechtsprechung; vgl. ferner das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0214, wonach auch aus der Nachzahlung von Familienbeihilfe entstandenes Vermögen - trotz der Unpfändbarkeit von Forderungen auf Familienbeihilfe - die Grundlage für einen Ersatzanspruch bilden kann). Da somit die aus dem 20 %-igen Anteil der Pension gebildeten Ersparnisse kein geschütztes, der Verwertung entzogenes Vermögen darstellen, kommt es, anders als die Beschwerdeführerin (offenkundig unter dem Aspekt eines geschützten Vermögensteiles) meint, nicht darauf an, ob durch Zugriff "auf diese Ersparnisteile die weitere Lebensführung der Betroffenen gefährdet oder auch nur verschlechtert wird". Ebenso fehlt es an der rechtlichen Relevanz, wenn in der Beschwerde als Verfahrensmangel geltend gemacht wird, "gleiches gilt für die mangelnde Erörterung der Besuchsdienstkosten für die Tochter der Betroffenen und der gesamten jährlichen Besuchsdienstkosten von rund S 40.000,--". Dass aber dieses Beschwerdevorbringen (auch) unter dem Gesichtspunkt des § 41 Abs. 4 NÖ SHG von Bedeutung sei, wird gar nicht behauptet und ist wegen des ohnehin noch vorhandenen, weiteren, vom Bescheid nicht erfassten Vermögens auch nicht zu erkennen.

Im Ergebnis ist die Beschwerde jedoch begründet, wenn vorgebracht wird, die belangte Behörde habe "nicht kongruente Vergleichszeiten" gegenüber gestellt. Sie hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung das Vermögen für den Zeitraum 1. September 1996 bis 31. Dezember 1997 "unter Berücksichtigung des jeweiligen 5fachen Richtsatzes" ermitteln und festlegen müssen; später hinzukommende Vermögenswerte hätten nicht berücksichtigt werden dürfen.

Die Beantwortung der Frage, auf welches (zeitlich gesehen) Vermögen es ankommt, hängt schon davon ab, auf welchen der drei Tatbestände des § 41 Abs. 1 NÖ SHG die Behörde ihren Abspruch gestützt hat. Während die Behörde erster Instanz im Bescheid vom 28. April 1998 - nach dessen Begründung - zum Ausdruck gebracht hat, dass es sich um einen Anwendungsfall des § 41 Abs. 1 lit. b NÖ SHG handle (nach dem Schreiben vom 5. Februar 1998 um einen solchen des § 41 Abs. 1 lit. a und b NÖ SHG), lässt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ableiten, dass die ausgesprochene Ersatzpflicht sowohl auf die lit. b als auch die lit. c des § 41 Abs. 1 NÖ SHG gestützt werde, wobei der Spruch des angefochtenen Bescheides als angewendete Gesetzesbestimmung (vgl. § 59 Abs. 1 AVG) nur global § 41 Abs. 1 NÖ SHG nennt.

In ihrer Gegenschrift nimmt die belangte Behörde überhaupt auf alle drei Tatbestände des § 41 Abs. 1 NÖ SHG Bezug.

Auch sonst liegt nicht der Fall vor, dass eindeutig erkennbar wäre, auf welche gesetzliche Vorschrift sich der angefochtene Bescheid gründet.

Lässt aber ein Bescheid eine taugliche Rechtsgrundlage nicht erkennen und ist diese auch weder aus dem vorangegangenen unterinstanzlichen Bescheid noch aus der Aktenlage zu erschließen, dann ist dieser Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift relevant, weil er den Beschwerdeführer an der zweckmäßigen Verfolgung seiner Rechte und den Verwaltungsgerichtshof an der Wahrnehmung seiner verfassungsgemäßen Kontrollbefugnis hindert (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. April 1992, Zl. 92/09/0062, und die dort zitierte Vorjudikatur; vgl. im Übrigen zu den unterschiedlichen Anwendungsfällen der lit. a, b und c des § 41 Abs. 1 etwa das hg. Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 91/08/0006, und die dort zitierte Vorjudikatur und Literatur).

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 29. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1998030289.X00

Im RIS seit

19.07.2002

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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