TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/30 97/08/0491

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Veröffentlicht am 30.04.2002
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §16 Abs1 litg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. Dipl. Dolm. Johann Zivic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. Juni 1997, Zl. LGS-W Abt. 12/1218/56/1997, betreffend Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 936,34 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld vom 1. März 1994 bis zum 20. März 1994 und vom 28. Februar 1996 bis zum 2. April 1996 gemäß § 16 Abs. 1 lit. g Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (BGBl. Nr. 609/1977 - AlVG) ruhe, weil sich der Beschwerdeführer in den angeführten Zeiträumen im Ausland aufgehalten habe. Den Angaben des Beschwerdeführers, er habe sich in den angeführten Zeiträumen nicht im Ausland aufgehalten, komme auf Grund entsprechender Ein- und Ausreisestempel in seinem Reisepass Nr. 503 953 keine Glaubwürdigkeit zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 16 Abs. 1 lit. g AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 416/1992 ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Aufenthaltes im Ausland, soweit nicht - was im vorliegenden Fall nicht zutrifft - Abs. 3 leg. cit. oder Regelungen auf Grund internationaler Verträge anzuwenden sind.

Die Beschwerde erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darin, dass die belangte Behörde die Feststellungen über die Auslandsaufenthalte des Beschwerdeführers in den angegebenen Zeiträumen auf eine erstmals in diesem Bescheid erwähnte Kopie des alten (jugoslawischen) Reisepasses des Beschwerdeführers stützt. Dem Beschwerdeführer sei jedoch im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit eingeräumt worden, zu diesen Unterlagen Stellung zu nehmen und (angebliche) Widersprüche zu seinen eidesstattlichen Angaben, wonach er sich eben nicht im Ausland aufgehalten habe, aufzuklären. Die belangte Behörde sei weder seinem Antrag nachgekommen, ihn als Partei zu vernehmen, noch habe sie den zum Beweis für den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland namhaft gemachten Zeugen Milenko C. vernommen. Eine allfällige Existenz von Ein- oder Ausreisestempeln in den besagten Zeiträumen müsse nicht zwingend die mehr als einen Tag andauernde Abwesenheit des Beschwerdeführers aus Österreich bedeuten. Die Aufnahme der angebotenen Beweise hätte ergeben, dass der Beschwerdeführer sich nicht im Ausland aufgehalten habe. Die belangte Behörde habe auch verabsäumt, "im Einzelnen genau und detailliert festzustellen ..., welches Datum diese Ein- bzw. Ausreisestempel tragen, von wann bis wann ich mich daher nach Meinung der belangten Behörde im Ausland und nicht in Österreich aufgehalten hätte und für welche genauen Zeitenräume (von - bis) daher mein Arbeitslosengeldanspruch gemäß § 16 Abs. 1 lit. g AlVG" ruhe.

Die Beschwerde ist begründet.

Aus der im Akt erliegenden Kopie des (nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Verstoß geratenen alten) Reisepasses des Beschwerdeführers leitete die belangte Behörde aus einer Vielzahl darin aufscheinender Ein- oder Ausreisestempel die Feststellung ab, dass entgegen der "eidesstattlichen Erklärung" des Beschwerdeführers sehr wohl in den o.a. Zeiträumen Reisebewegungen ins Ausland bzw. wieder zurück nach Österreich aufscheinen. Aus den völlig wahllos angebrachten, keiner (zeitlichen) Ordnung folgenden und teilweise übereinander liegenden Stempelabdrucken ergeben sich die von der belangten Behörde gezogenen Schlüsse zumindest nicht unmittelbar. Die Beschwerde beanstandet zu Recht, dass die belangte Behörde keinerlei Angaben über die konkreten, sich angeblich aus den Eintragungen im Reisepass ergebenden Reisebewegungen des Beschwerdeführers gemacht hat, sodass für den Verwaltungsgerichtshof überhaupt nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht für glaubwürdig befunden wurde.

Ob aus dem "Stempelgewirr" eindeutig abgeleitet werden kann, dass eine Ausreise am 1. März 1994, hingegen keine Wiedereinreise vor dem 20. März 1994 stattgefunden hat (und ob Entsprechendes für 1996 gilt) wird im angefochtenen Bescheid nicht gesagt. Eine oder mehrere "Reisebewegungen" irgendwann in einem Zeitraum vermögen jedenfalls denkmöglich keinen Auslandsaufenthalt für den gesamten Zeitraum zu erweisen. Ein auf der abgelichteten Seite 14 des Reisepasses (AS 6) deutlich erkennbarer ungarischer Stempel vom 14. März 1994 spricht, sollte er ein Einreisestempel sein, dagegen, dass sich der Beschwerdeführer vorher, sollte er hingegen ein Ausreisestempel sein, dagegen, dass sich der Beschwerdeführer danach im Ausland befunden hat.

Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 19ff und 86ff zu § 60 AVG). Der in § 45 Abs. 2 AVG zum Ausdruck kommende Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Diese Bestimmung hat nur zur Folge, dass - soferne in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Dies ist hier aus den genannten Gründen nicht der Fall.

Überdies hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Kopie des (alten) Reisepasses sowie ihre daraus abgeleiteten - bisher nicht transparent gemachten - Schlussfolgerungen vorhalten müssen, damit er zu diesen Stellung nehmen kann. Sollten dann noch Beweisthemen umstritten sein, zu denen der vom Beschwerdeführer beantragte Zeuge Aufklärung geben könnte, so wäre auch dieser zu vernehmen.

Weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig ist und die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren gründet sich auf § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 30. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1997080491.X00

Im RIS seit

14.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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