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10 VerfassungsrechtNorm
PublizistikförderungsGLeitsatz
Abweisung von Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend Beschwerden gegen die Ablehnung von Ansuchen um Förderung periodischer Druckschriften von politischen Vereinen; kein Vorliegen besonderer Umstände; Unkenntnis der Rechtslage (hier: fehlender Hinweis auf Beschwerdemöglichkeit) grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund; gleichzeitige Zurückweisung der Beschwerden wegen Versäumung der BeschwerdefristSpruch
1. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden abgewiesen.
2. Die Beschwerden werden als verspätet zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Beschwerdeführerinnen sind Vereine. Als Verlegerinnen periodischer Druckschriften stellten sie im Jahr 1996 Ansuchen um Zuteilung von Förderungsmitteln gemäß §8 Abs1 des Bundesgesetzes über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik (im Folgenden: PublizistikförderungsG).
Das Bundeskanzleramt erledigte diese Ansuchen mit gleichlautenden Schreiben vom 18. Dezember 1996, die - im Wesentlichen - folgenden Wortlaut haben:
"Die Bundesregierung hat in ihrer Sitzung am 10. Dezember 1996 beschlossen, Ihr Ansuchen um Förderung gemäß dem Abschnitt II des Bundesgesetzes über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984 im Finanzjahr 1996 abzulehnen."
2.1. Gegen diese Erledigungen - die von den Beschwerdeführerinnen als Bescheide qualifiziert werden - wenden sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden. Die Beschwerdeführerinnen machen darin die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und in Rechten wegen Anwendung des behauptetermaßen verfassungswidrigen §10 Abs6 PublizistikförderungsG geltend und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide.
2.2. Die Beschwerden wurden nach Ablauf der im §82 Abs1 VerfGG 1953 normierten sechswöchigen Frist eingebracht.
2.3. Gleichzeitig mit ihren Beschwerden stellten die Beschwerdeführerinnen Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.
Diese Anträge werden - gleichlautend - jeweils wie folgt begründet:
"Das Fehlen eines Hinweises auf Beschwerdemöglichkeit ist grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund. Auch Unkenntnis der Rechtslage stellt grundsätzlich keinen Wiedereinsetzungsgrund dar; nur ganz besondere Umstände rechtfertigen eine Ausnahme von diesem Grundsatz (VfGH 6.3.1995, B2378/94-9).
Solche Umstände liegen hier vor:
Die BF hat sofort nach Erhalt des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 1997, G401,402/96-8, am 7.4.1997 mit der Kanzlei der nunmehrigen Rechtsvertreter Kontakt aufgenommen, hat also alle zumutbaren Bemühungen unternommen, um sich über die Rechtslage Klarheit zu verschaffen. Hilfsweise wurde ein (Antrag)auf bescheidmäßige Erledigung ihres Förderungsansuchens an den Bundeskanzler gestellt. Über diesen Antrag erging noch keine Entscheidung.
Der Bescheidcharakter der bekämpften Erledigung kann letztlich nur anhand von inhaltlichen Kriterien durch den Verfassungsgerichtshof überprüft werden. Es liegt eine in Mitteilungsform verschleierte bescheidmäßige Erledigung vor. Für die BF stellt es ein nach ihren subjektiven Fähigkeiten unvorhersehbares Ereignis dar, daß die Möglichkeit der Erhebung einer Bescheidbeschwerde nach Art144 B-VG besteht. Keinesfalls kann der BF grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden, daß sie den Bescheid zunächst nicht als solchen erkannt hat. Die Möglichkeit der Erhebung einer Bescheidbeschwerde gemäß Art144 B-VG konnte sie erst zu dem Zeitpunkt in Erwägung ziehen, zu dem ihr die oben angeführte Entscheidung des Verfassungsgerichthofes bekannt geworden ist.
Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach das (gänzliche) Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellt, kann hier nicht herangezogen werden, zumal ihr unausgesprochen die Prämisse zugrundeliegt, daß der betreffende Bescheid auch eindeutig als solcher erkennbar ist. Wenn dagegen ein Bescheid nicht die formalen gesetzlichen Erfordernisse erfüllt, insbesondere nicht als solcher bezeichnet ist, kann einem Beschwerdeführer, der den Bescheid nicht als solchen erkennt und erkennen kann, nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe es verabsäumt, sich nach allfälligen Rechtsmittelmöglichkeiten 'erkundigen' müssen."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist sind nicht begründet:
1.1. Da das VerfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 leg. cit. die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO, idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).
1.2. Den Beschwerdeführerinnen ist in den vorliegenden Fällen nicht bloß ein solcher Fehler vorzuwerfen: Grundsätzlich stellt weder die Unkenntnis der Rechtslage und der sie auslegenden Judikatur noch eine Änderung der Rechtsprechung einen Wiedereinsetzungsgrund dar (vgl. zB. VfSlg. 3537/1959, 5629/1967, 12614/1991, 12655/1991, 13243/1992). Ganz besondere Umstände, die allenfalls eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten, liegen hier nicht vor.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher nicht zu bewilligen.
2. Die Beschwerden wurden erst nach der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) erhoben (s.oben. Pkt. I.2.2.).
Sie waren daher allein deshalb - als verspätet - zurückzuweisen, ohne dass auf die Frage einzugehen war, ob es sich bei den bekämpften Erledigungen überhaupt um Bescheide handelt.
3. Dies konnte gemäß §33 und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen, PresseförderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B913.1997Dokumentnummer
JFT_10009388_97B00913_00