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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des K in K, vertreten durch Dr. Christian Lang, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ballgasse 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 21. Dezember 2001, Zl. 2326/44 - Pr.3/01, betreffend Gewährung eines Karenzurlaubes gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Amtsdirektor in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Bis 31. Dezember 2001 war er auf Grund eines ihm bewilligten Karenzurlaubes im Rahmen eines privatwirtschaftlichen Vertragsverhältnisses für die "Customs Assistance Mission" in Albanien im Auftrag der Europäischen Kommission in Tirana tätig.
Am 12. Dezember 2001 beantragte der Beschwerdeführer einen Karenzurlaub gemäß § 75 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 333/1979 (im Folgenden: BDG 1979), für den Zeitraum vom 1. Jänner 2002 bis zum 31. Dezember 2003.
Am 20. Dezember 2001 richtete die belangte Behörde an den Beschwerdeführer eine Note, in der es heißt, dieser habe um Gewährung eines Karenzurlaubes gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1979 für die Zeit vom 1. Jänner 2002 bis 31. Dezember 2003 ersucht. Laut Stellungnahme seines Vorgesetzten könne einer Karenzierung in diesem Ausmaß jedoch nicht zugestimmt werden, zumal der Dienstantritt des Beschwerdeführers spätestens mit 1. Juli 2002 erforderlich sei. Der Gewährung des beantragten Karenzurlaubes stünden somit zwingende dienstliche Gründe im Sinne des § 75 Abs. 1 BDG 1979 entgegen. Es sei beabsichtigt, die beantragte Karenzierung bis 30. Juni 2002 zu verfügen. Dem Beschwerdeführer werde hiezu Parteiengehör gewährt.
Mit einer auf elektronischem Wege übermittelten Stellungnahme vom 20. Dezember 2001 gab der Beschwerdeführer folgende Erklärung ab:
"Sehr geehrte Damen und Herren!
Bezugnehmend auf den Vorhalt ... bzw. auf das Telefonat mit
dem Sachbearbeiter ... darf mitgeteilt werden, dass einer
Karenzierung ab 1. Januar 2002 mit Zuversicht entgegengesehen wird, da derzeit offensichtlich keine zwingenden dienstlichen Gründe entgegenstehen. Mein Antrag auf Karenzierung wurde lediglich nach Paragraph 75 Abs. 1 BDG gestellt. Eine Begründung war nicht vorgesehen.
Ich danke für die bevorzugte Behandlung auf Grund der Dringlichkeit und erlaube mir Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr zu wünschen."
Am 21. Dezember 2001 erließ die belangte Behörde daraufhin den angefochtenen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:
"Über Ihr Ansuchen vom 12. Dezember 2001 bzw. auf Grund ihrer Einverständniserklärung vom 20. Dezember 2001 wird Ihnen für die Zeit vom 1. Jänner 2002 bis 30. Juni 2002 ein Karenzurlaub gemäß § 75 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 gewährt.
Gemäß § 75a Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 ist die Zeit dieses Karenzurlaubes für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen."
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom 12. Dezember 2001 um Gewährung eines Karenzurlaubes gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1979 für die Zeit vom 1. Jänner 2002 bis 31. Dezember 2003 ersucht. Im Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, dass der Gewährung dieses Karenzurlaubes über den 1. Juli 2002 hinaus zwingende dienstliche Gründe entgegenstünden. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 sei dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, ihm einen Karenzurlaub für die Zeit vom 1. Jänner 2002 bis 30. Juni 2002 zu gewähren. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 habe er sich mit dieser Maßnahme einverstanden erklärt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem subjektiven Recht auf Gewährung eines Karenzurlaubes gemäß § 75 BDG 1979 in dem am 12. Dezember 2001 beantragten Umfang verletzt. Er erklärt, den angefochtenen Bescheid im gesamten Umfang anzufechten und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 75 Abs. 1 BDG 1979 in der Fassung dieses Absatzes durch die Novelle BGBl. I Nr. 61/1997 lautet:
"§ 75. (1) Dem Beamten kann auf Antrag ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen."
§ 75a Abs. 1, 2 und 3 BDG 1979, der erste Absatz in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 61/1997, die beiden anderen Absätze in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2001, lautet (auszugsweise):
"§ 75a. (1) Die Zeit eines Karenzurlaubes ist, soweit bundesgesetzlich nicht anderes bestimmt wird, für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen.
(2) Abweichend von Abs. 1 ist die Zeit eines Karenzurlaubes für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, in den nachstehend angeführten Fällen bis zum jeweils angeführten zeitlichen Höchstausmaß zu berücksichtigen,
...
2. wenn der Karenzurlaub
a) zur Begründung eines Dienstverhältnisses gemäß §§ 3
oder 4 des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983, oder
zur Ausbildung des Beamten für seine dienstliche Verwendung oder
b) zur Begründung eines Dienstverhältnisses zu einer
Einrichtung der Europäischen Union oder zu einer sonstigen zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört,
gewährt worden ist: für alle von Z 2 erfassten Karenzurlaube insgesamt fünf Jahre, davon für allfällige von lit. a erfassten Karenzurlaube insgesamt höchstens drei Jahre.
(3) In den Fällen des Abs. 2 Z 2 bedarf die Berücksichtigung für zeitabhängige Rechte eines Antrages. Ein solcher Antrag ist bei sonstiger Unwirksamkeit spätestens ein Jahr nach Beendigung des Karenzurlaubes zu stellen."
Der Beschwerdeführer tritt vor dem Verwaltungsgerichtshof der von der belangten Behörde vorgenommenen Deutung seiner Äußerung vom 20. Dezember 2001 als Zustimmung zur Gewährung eines Karenzurlaubes (nur) für den Zeitraum vom 1. Jänner 2002 bis 30. Juni 2002 entgegen. Er habe mit dieser Formulierung lediglich zum Ausdruck gebracht, es lägen derzeit offenbar keine zwingenden dienstlichen Gründe vor, die gegen eine Karenzierung im beantragten Ausmaß sprächen. Schon mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 93/12/0281, ausgeführt hat, liegt in Ansehung des Zeitraumes eines beantragten Karenzurlaubes keine Trennbarkeit vor, weil die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Gewährung des Karenzurlaubes vorliegen oder nicht, unter anderem auch von der beantragten Dauer desselben abhängt. Die gleiche Beurteilung ergibt sich auch vor dem Hintergrund der Interessenslage des Antragstellers, zumal Konstellationen durchaus nicht ausgeschlossen werden können, in denen aus der Sicht des Beamten eine gänzliche Antragsabweisung einer Teilstattgebung vorzuziehen ist.
Daraus folgt zunächst, dass die belangte Behörde allein auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom 12. Dezember 2001 keinesfalls befugt gewesen wäre, ihm einen Karenzurlaub bloß für den Zeitraum vom 1. Jänner bis 30. Juni 2002 zu gewähren.
Der angefochtene Bescheid, welcher nach seinem unzweideutigen Spruch sowohl den Antrag vom 12. Dezember 2001 als auch die Eingabe vom 20. Dezember 2001 einer einheitlichen Erledigung zuführen wollte, wäre somit nur dann rechtmäßig, wenn der Beschwerdeführer mit seiner Eingabe vom 20. Dezember 2001 eine Modifikation seines Antrages vom 12. Dezember 2001 vorgenommen hätte.
Zur Auslegung von Anbringen hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere folgende Rechtssätze geprägt:
Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann, mag auch das Begehren, so wie es gestellt worden ist, von Vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein. Ist der Inhalt eines von einer Partei gestellten Anbringens unklar, ist die Behörde entsprechend den ihr gemäß § 37 AVG obliegenden Auflagen verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern. Insbesondere sind Parteienerklärungen im Zweifel so auszulegen, dass die diese abgebende Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht wird (vgl. hiezu Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 50, 53 und 54 zu § 13 AVG).
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist aus der in der Eingabe vom 20. Dezember 2001 verwendeten Formulierung, der Beschwerdeführer sehe einer Karenzierung ab 1. Jänner 2002 mit Zuversicht entgegen, "da derzeit offensichtlich keine zwingenden dienstliche Gründe entgegenstehen", eine ausdrückliche Modifikation seines Anbringens vom 12. Dezember 2001 im Sinne einer Antragstellung auf Gewährung eines Karenzurlaubes nur im später bewilligten Umfang nicht zu erblicken. Der Wortlaut dieser Eingabe lässt es vielmehr auch offen, sie zum einen als einen bloßen Eventualantrag auf Gewährung eines Karenzurlaubes nur für den Zeitraum vom 1. Jänner 2002 bis 30. Juni 2002 zu deuten; zum anderen könnte die Eingabe auch lediglich dahingehend zu verstehen gewesen sein, dass der Beschwerdeführer entgegen der Ansicht der belangten Behörde die Auffassung vertritt, es sei ihm nach dem derzeitigen Stand der Dinge der Karenzurlaub im vollen beantragten Umfang zu gewähren.
Nach der vorzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte die belangte Behörde daher auf eine inhaltliche Klarstellung des vom Beschwerdeführer mit Eingabe vom 20. Dezember 2001 gestellten Begehrens zu drängen gehabt.
Indem sie eine solche Klarstellung unterließ, hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Relevanz dieses Verfahrensmangels wird vom Beschwerdeführer auch dargetan, indem er seine Eingabe dahingehend klarstellt, dass damit keine Abänderung seines ursprünglich gestellten Antrages vom 12. Dezember 2001 erfolgen sollte. Den solcherart ausschließlich vorliegenden Antrag vom 12. Dezember 2001 hätte die belangte Behörde aber nur entweder zur Gänze abweisen oder zur Gänze bewilligen dürfen. Im Falle einer Antragsabweisung hätte sie die der Antragsbewilligung entgegenstehenden zwingenden dienstlichen Gründe im Bescheid darzustellen gehabt.
Aus diesen Erwägungen erweist sich die Gewährung des Karenzurlaubes im beantragten Umfang als auf einem mangelhaften Verfahren beruhend. Der Ausspruch gemäß § 75a Abs. 1 BDG 1979 ist von dieser Rechtswidrigkeit mitumfasst.
Der angefochtene Bescheid war daher in seinem gesamten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Kosten aus dem Titel der Umsatzsteuer (vgl. hiezu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 687) und aus dem Titel eines Einheitssatzes sind neben dem in dieser Verordnung festgesetzten Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand nicht zuzuerkennen.
Wien, am 15. Mai 2002
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002120108.X00Im RIS seit
08.07.2002