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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art65 Abs2 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Dr. G in S, vertreten durch Dr. Christian Egger, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Sigmund-Haffner-Gasse 1, gegen den Bescheid des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 20. Mai 1996, betreffend Antrag auf Nachsicht von der Vollziehung von Disziplinarstrafen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Salzburger Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigen Erkenntnissen der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission vom 18. Juni und 12. September 1994 zu Geldbußen in der Höhe von S 80.000,-- und S 280.000,-- sowie mit rechtskräftigem Kostenbeschluss vom 4. März 1996 zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens von S 18.000,-- und S 8.000,-- verurteilt.
Die Salzburger Rechtsanwaltskammer forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 5. März 1996 zur Bezahlung dieser Beträge binnen 14 Tagen auf. Daraufhin ersuchte dieser mit Schreiben vom 21. März 1996 - nach Darlegung der zu seiner Verurteilung führenden Umstände - "um Nachsicht von der Vollziehung dieser angesprochenen Beträge" und mit weiterem Schreiben vom 18. April 1996, in dem er anmerkte, dass über seinen Antrag noch nicht entschieden worden sei, um die Möglichkeit, diesen vor dem Ausschuss entsprechend zu begründen.
Aus dem Beschlussprotokoll der Ausschusssitzung vom 7. Mai 1996 geht hervor, dass der Beschwerdeführer über Aufforderung darzulegen, worauf er seine Vorstellungen stütze bzw. wo die Basis für die Zuständigkeit (zu ergänzen: des Ausschusses) liege, erklärte, dass man kammerintern sehr wohl in der Lage wäre, die Unbilligkeit nachzusehen, da man ja auch eintreiben könne. Folgedessen könne auch Nachsicht geübt werden, er gehe nicht auf Gnadenrecht, sondern auf Nachsicht aus.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Mai 1996 wies der Ausschuss der Salzburger Rechtsanwaltskammer den Antrag des Beschwerdeführers zurück und führte begründend aus, gemäß § 67 Abs. 1 Disziplinarstatut 1990 (DSt 1990) habe der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer, der der Beschuldigte angehöre, die Entscheidungen des Disziplinarrats und der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission zu vollziehen. Eine gnadenweise Nachsicht von Disziplinarstrafen und eine Niederschlagung des Disziplinarverfahrens seien - so Anm. 3 in der kommentierten Gesetzesausgabe von Schuppich-Tades, Rechtsanwaltsordnung,
5. Aufl. 1994, - verfassungsmäßig nicht vorgesehen (Art 65 Abs. 2 B-VG).
Weder das Disziplinarstatut noch eine andere gesetzliche Regelung ermächtigten den Ausschuss einer Rechtsanwaltskammer dazu, rechtskräftig verhängte Disziplinarstrafen nachzusehen oder von ihrer Vollstreckung Abstand zu nehmen. Mangels einer dahingehend ausdrücklich gesetzlichen Ermächtigung fehle daher auch eine Zuständigkeit der belangten Behörde für eine Sachentscheidung, wie sie der Beschwerdeführer begehre. Insbesondere enthalte auch die RAO keine Grundlage für eine dahingehende Zuständigkeit des Ausschusses.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vorerst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte Beschluss vom 2. Oktober 1996, B 2185/96, ihre Behandlung ab und trat sie antragsgemäß gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zu Entscheidung ab.
In seiner ergänzten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht "auf gesetzmäßige Behandlung seines Gnadengesuches im Sinne der §§ 507 ff StPO in Verbindung mit § 77 Abs. 3 Disziplinarstatut 1990, insbesondere darin, dass sein Gnadengesuch nicht an den Bundesminister für Justiz weitergeleitet wurde", verletzt zu sein.
Die belangte Behörde beantragt unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides kommt dem Beschwerdepunkt iSd § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, weil der Verwaltungsgerichtshof nach der Anordnung des § 41 Abs. 1 VwGG nicht zu prüfen hat, ob irgend ein subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt wurde, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1984, VwSlgNF 11.525/A, verst. Senat). Wird der Beschwerdepunkt vom Beschwerdeführer ausdrücklich und unmissverständlich bezeichnet, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht zugänglich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1984, VwSlgNF 11.283/A)
Wie bereits eingangs dargelegt, ersuchte der Beschwerdeführer in seinem Schreiben an den Ausschuss der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 18. April 1996 um "Nachsicht von der Vollziehung der angesprochenen Beträge", weil es aus seiner Sicht "unbillig" wäre, diese Beträge zu fordern. Dieses Ansuchen präzisierte er bei der Ausschusssitzung am 7. Mai 1996 ausdrücklich dahingehend, dass er nicht auf Ausübung des Gnadenrechts, sondern auf die Übung von Nachsicht abziele.
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid diesen - nach dem Vorgesagten unmissverständlich nicht auf Einleitung eines Verfahrens zur Begnadigung nach den im Beschwerdepunkt angeführten Gesetzesbestimmungen, sondern auf "Gewährung von Nachsicht" im Wege eines von der belangten Behörde zu erlassenden Bescheides gerichteten - Antrag des Beschwerdeführers mangels gesetzlicher Grundlage für ihre Entscheidungsbefugnis zurückgewiesen. Durch diese Zurückweisung hätte der Beschwerdeführer (gegebenenfalls) in seinem Recht auf meritorische Erledigung seines Antrages auf Gewährung von Nachsicht verletzt werden können. Dieses Recht ist aber von dem in der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) "Recht auf gesetzmäßige Behandlung des Gnadengesuches im Sinne der §§ 507 ff StPO in Verbindung mit § 77 Abs 3 DSt 1990, insbesondere darin, dass das Gnadengesuch nicht an den Bundesminister für Justiz weitergeleitet wurde" nicht erfasst.
Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in seinen Rechten nicht verletzt worden ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Im Übrigen ist die belangte Behörde auch damit im Recht, dass es ihr an der Zuständigkeit zur inhaltlichen Erledigung eines "Nachsichtsgesuches" fehlt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 15. Mai 2002
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung AnfechtungserklärungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002120041.X00Im RIS seit
08.07.2002