Index
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §49 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der X Versicherung AG, Landesdirektion Y, vertreten durch Dr. Herwig Kubac, Dr. Harald Svoboda und Dr. Richard Kirchweger, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kantgasse 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. Juni 1997, Zl. Vd-4428/3/Ob, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse, 6021 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse führte vom 15. Februar 1995 bis zum 23. März 1995 bei der Beschwerdeführerin eine Beitragsprüfung durch und schrieb dieser mit Bescheid vom 24. Juni 1996 weitere Beitragszahlungen in Höhe von S 632.509,99 vor. Sie stellte - soweit für den Beschwerdefall noch von Bedeutung -fest, dass die Beschwerdeführerin einer Vielzahl von Mitarbeitern im Zeitraum vom 1. Jänner 1992 bis zum 31. Dezember 1994 sogenannte Superprovisionen gewährt habe, welche monatlich akontiert und einmal im Jahr "endabgerechnet" worden seien. Es handle es sich um Zielerreichungsprämien, bei denen "nicht der Anspruch an und für sich ... sondern lediglich die Höhe der Prämien" dienstvertraglich geregelt sei. Die Ziele dienten dazu, die Prämien nach dem Erfolg zu staffeln. Die Prämien seien aliquot - je nach Über- oder Unterschreitung - errechnet worden. Der betreffende Dienstnehmer erhalte bereits bei Mindesterfüllung der Spartengruppe Punkte, die einem bestimmten Schillingwert (S 2.600,-- im Jahr 1991) entsprächen. Der Anspruch auf eine Superprovision entstünde nicht erst zu einem bestimmten Zeitpunkt am Jahresende, er entwickle sich vielmehr kontinuierlich während des Jahres. Provisionen seien daher nicht erst mit ihrer Flüssigmachung als gewährt anzusehen. Bis zu einer gewissen Höhe seien die Superprovisionen den betreffenden Dienstnehmern sogar garantiert worden.
Die Beschwerdeführerin habe die monatlichen Akontozahlungen als laufende Bezüge der Beitragspflicht unterworfen, ebenso die Endabrechnung, diese jedoch nur bis zur Höchstbeitragsgrundlage in jenem Monat, in dem die Auszahlung (die Endabrechnung) erfolgt sei. Der Anspruch auf die (endabgerechnete) Superprovision sei aber nicht in jenem Beitragszeitraum, in dem die Beitragsabrechnung durch den Dienstgeber erfolgt sei, entstanden. Es kämen "dafür vielmehr mehrere Beitragszeiträume in Betracht, weshalb diese Provisionen im Prüfungswege aufzurollen waren."
In ihrem gegen den Grund des Anspruchs gerichteten, die Höhe der Nachverrechnung letztlich außer Streit stellenden Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 24. Juni 1996 führte die Beschwerdeführerin aus, es handle sich bei den Superprovisionen nicht um ein laufendes Entgelt gemäß § 49 Abs. 1 ASVG, sondern um Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG, die gemäß § 44 Abs. 1 ASVG von der Bemessungsgrundlage auszunehmen seien. Die Ansprüche der Dienstnehmer auf Bezahlung der Superprovision entstünden nicht schon mit jedem getätigten Umsatz, sondern erst nach Ablauf eines längeren Zeitraumes, zB erst nach Ablauf eines Geschäftsjahres. Der Anspruch sei darüber hinaus nicht allein von der Tätigung laufender Umsätze, sondern auch von der Erfüllung weiterer Bedingungen bzw. von anderen Größen abhängig. Insbesondere sei der Anspruch nicht nur von der Leistung des einzelnen Dienstnehmers als Provisionsberechtigten, sondern auch von der anderer Mitarbeiter abhängig. Als weiteres Kriterium für die Zurechnung von Umsatzprovisionen zu den Sonderzahlungen sei im Lauf der letzten Jahre festgehalten worden, dass diese mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten, über die Beitragszeiträume hinausreichenden Zeitabschnitten wiederkehren müssten, wobei diese regelmäßige Wiederkehr im Wesentlichen entweder aus einer konkreten Dienstgeberzusage oder nach dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse zu beurteilen sei. Auch diese Voraussetzung werde durch die gegenständlichen Vereinbarungen erfüllt. Im gegenständlichen Zeitraum der Beitragsnachverrechnung seien insgesamt 36 Einzelvereinbarungen mit den im Bescheid angeführten Dienstnehmern abgeschlossen worden. Diese entsprächen in wesentlichen Punkten entweder den dem Prüfer der Tiroler Gebietskrankenkasse vorgelegten Dienstzetteln für Herrn A. oder für Herrn Ch.
Das mit Herrn A. vereinbarte Leistungshonorar sei "in Anbetracht der halbjährigen Akontierung und der Abrechnung nach Vorliegen der Dezemberproduktion jedenfalls für einen über den Beitragszeitraum hinausgehenden Zeitraum" gewährt worden und sei hinsichtlich seiner Erfüllung von verschiedensten Bedingungen neben der "Erzielung einer bestimmten Prämienproduktion" abhängig gewesen. Lediglich dieser Vertragstypus sei im Bescheid der mitbeteiligten Partei angesprochen worden, da dort nur Superprovisionen erwähnt würden, die monatlich akontiert und einmal im Jahr abgerechnet sowie bis zu einer bestimmten Höhe garantiert worden seien. Auch bei dem mit Herrn Ch. vereinbarten Leistungshonorar sei davon auszugehen, dass dieses für einen Jahreszeitraum vereinbart und von verschiedensten Bedingungen abhängig gemacht worden sei. Die Garantie beziehe sich auf das gesamte Jahr und erstrecke sich somit wieder auf einen über den Beitragszeitraum hinausgehenden Zeitraum. Dieses Vertragsmodell sei im Bescheid unerwähnt geblieben. Für beide Vertragstypen ergebe sich die regelmäßige Wiederkehr aus den mit den Mitarbeitern abgeschlossenen Dienstverträgen. In Bezug auf den entscheidungswesentlichen Inhalt der Vereinbarungen seien aber keine Ermittlungen bzw. Feststellungen vorgenommen worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.
In beiden Vereinbarungsgruppen (nach dem Muster der Dienstnehmer A. bzw. Ch.) sei letztlich mit der Gewährung der Superprovision auch eine Mehrarbeit über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus abgegolten worden.
Richtig sei zwar, dass dann, wenn eine Superprovision degressiv sei, weil sie nicht proportional zum jeweiligen Jahresumsatz, sondern nach einem gemischten Schlüssel (degressiv mit zunehmender Höhe der zu Grunde gelegten Provision würden die Superprovisionen immer langsamer wachsen) gewährt werde, das Entstehen des Anspruches noch davon abhängig sei, dass am Jahresende sämtliche Abschlüsse fest stünden. Die Beschwerdeführerin lasse jedoch völlig außer Acht, dass in sämtlichen Vereinbarungen durch die Gewährung der Superprovision (Leistungshonorare) auch eine Mehrarbeit über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus abgegolten sei. Diesbezüglich habe die Beschwerdeführerin in ihren Vereinbarungen klar festgelegt, dass diese Superprovision/Leistungshonorar als Abgeltung für geleistete Mehrarbeit - sohin auch für Überstunden - über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus geleistet werde. Die Superprovisionen seien daher laufendes Entgelt und keine Sonderzahlungen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, die jeweils nach Vorliegen der vereinbarten Kriterien am Jahresende bezahlten "Superprovisionen" als laufendes Entgelt gemäß § 49 Abs. 1 ASVG zu behandeln (und auf die einzelnen Beitragsmonate des Jahres aufzuteilen). Die belangte Behörde habe sich in ihren Sachverhaltsfeststellungen lediglich auf einen Punkt in den Vereinbarungen mit den Dienstnehmern der Beschwerdeführerin konzentriert, wonach durch die Gewährung der Superprovision auch eine Mehrarbeit über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus abgegolten sei. Dieser Umstand sei nicht einmal von der mitbeteiligten Partei als Begründung für die Beitragsnachverrechnung angeführt worden. Die belangte Behörde habe übersehen, dass bei der Vereinbarung von Sonderzahlungen wie Bilanzgeldern, Umsatzprovisionen oder eben Superprovisionen - insbesondere dann, wenn ein Teilbetrag garantiert werde - eine Vereinbarung dahingehend, dass mit der Gewährung einer solchen Sonderzahlung auch eine Mehrarbeit über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus abgegolten sei, durchaus ständige Praxis sei. Die diesbezügliche Vereinbarung stehe aber nicht im Vordergrund. Dass die Superprovision "letztlich als Abgeltung für geleistete Mehrarbeit bzw. Überstunden anzusehen ist", wäre sowohl widerrechtlich als auch der gesamten Vereinbarung und deren Zweck widersprechend. Die belangte Behörde hätte auf Grund der vorgelegten Vereinbarungen erkennen müssen, dass mit den Dienstnehmern der Beschwerdeführerin erfolgsabhängige Provisionen vereinbart worden seien. Die vereinbarte Erfolgsabhängigkeitskomponente des Provisionsanspruches habe geradezu aleatorischen Charakter, der diese Entgeltart ausdrücklich vom leistungsbezogenen Entgelt unterscheide. Diese Provisionen seien nicht nur vom Erfolg der Arbeit, also von der Leistung des Dienstnehmers, sondern auch von anderen Kriterien, wie der Markt- und Geschäftslage und von der Leistung der Mitarbeiter abhängig. Die belangte Behörde habe infolge ihrer unrichtigen Rechtsauffassung, dass es sich bei den Superprovisionen nur um eine Abgeltung für Überstunden handle, verabsäumt, aus den vorgelegten Vereinbarungen festzustellen, dass die Ansprüche auf Bezahlung der Superprovision nicht schon mit jedem getätigten Umsatz, sondern erst nach Ablauf eines längeren Zeitraumes, zB nach Ablauf eines Geschäftsjahres, von der Leistung anderer Mitarbeiter und von der Erfüllung weiterer verschiedener Bedingungen abhängig sei.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse führte in ihrer Gegenschrift aus, dass aus den der belangten Behörde vorgelegten Vereinbarungen (Dienstzettel) unmissverständlich hervorgehe, dass der Anspruch der betroffenen Dienstnehmer auf die Superprovisionen nicht von den erst am Jahresende feststehenden Abschlüssen abhänge, sondern die Gewährung der Superprovisionen hinsichtlich einer Mindesthöhe garantiert und auch monatlich akontiert worden seien. Nach den vorliegenden Vereinbarungen könnten die Dienstnehmer durch die Erreichung bestimmter Punktewerte lediglich die Höhe der Provision (nach oben) beeinflussen, der Anspruch sowie eine bestimmte Höhe samt monatlicher Auszahlung seien jedoch unabhängig von eventuell erreichbaren Punkten garantiert. Von der belangten Behörde sei keineswegs die Ansicht vertreten worden, dass es sich bei den Superprovisionen nur um eine Abgeltung für Überstunden gehandelt habe.
Aus den in den Verwaltungsakten einliegenden Dienstzetteln, auf die sich die belangte Behörde in ihrem Bescheid berief, geht hervor, dass die Dienstnehmer in der Vereinbarungsgruppe des A. (Leiter einer Verkaufsgruppe) nach der "Zusatzvereinbarung für Orga-Mitarbeiter der Sonderorganisation PV I mit Eigenproduktionsverpflichtung" Mitverantwortung für die Leistungsfähigkeit dieser Organisation und für die der angeworbenen bzw. der zur persönlichen Betreuung zugeteilten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen übernehmen (vgl. etwa den Dienstzettel für Herrn A. vom 17. Februar 1992 betreffend das Jahr 1992). Für die Dauer der Zusatzvereinbarung erhielten diese Dienstnehmer der Vereinbarungsgruppe A. aus "der Produktion der Mitarbeiter Ihres Verkaufsgebietes" eine Superprovision in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der "Jahresnettoproduktionsprämie". Die Superprovision sollte quartalsweise (nach den Dienstzetteln des A. für 1993 und 1994 "halbjährlich" bzw. "halbjährlich zu 80 %") akontiert und "nach Vorliegen der Dezemberproduktion endgültig abgerechnet" werden. Punkt 6. d) und 7. des genannten Dienstzettels lauten:
"6.d) Angesichts der im Jahre 1992 im Hinblick auf die Erfüllung des Aktionsprogrammes von Ihnen zu leistenden organisatorischen Arbeiten erhalten Sie, befristet für das Kalenderjahr 1992, ein monatliches Orga-Pauschale von S 1.200,-- brutto (12 x jährlich). Durch die Gewährung der Superprovision und des Orga-Pauschales ist auch eine Mehrarbeit über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus abgegolten.
7. Ihre Superprovision ist mit einem Höchstbetrag von
S 65.000,-- brutto limitiert."
Nach dem Dienstzettel des A. vom 10. Februar 1993 wurde als (weitere) Voraussetzung für die Superprovisionszahlung die "Erfüllung der Mindestleistungsnormen" durch den Dienstnehmer ausbedungen. Im Dienstzettel vom 10. März 1994 (für das Jahr 1994) wurde die "Erfüllung der Mindestleistungsnormen" wie folgt umschrieben:
"Das Mindestleistungsnormen-Soll Ihrer Verkaufsgruppe ... wird zum Jahresende 1994 addiert. Bei Erfüllung von 75 % der Soll-Mindestleistungsnormen-Gesamtsumme erhalten Sie 100 % des von Ihnen ins Verdienen gebrachten Leistungshonorares. Für jede nicht erreichte Mindestleistungsnorm Ihrer Verkaufsgruppe, die unter 75 % der Soll-Mindestleistungsnormen-Gesamtsumme liegt, werden Ihnen von dem ins Verdienen gebrachten Leistungshonorar 10 % in Abzug gebracht."
Die Dienstzettel der Dienstnehmer der Vereinbarungsgruppe A. enthielten für die Jahre 1992 bis 1994 gleichartige Bestimmungen.
Nach den in den Verwaltungsakten einliegenden Dienstzetteln betreffend die Dienstnehmer in der Vereinbarungsgruppe des Ch. wurde für die Berechnung der Superprovision bezogen auf bestimmte Versicherungssparten jeweils "Prämienziele" und "Orga-Ziele" definiert und für die teilweise, gänzliche oder sogar überschießende Erreichung dieser Ziele sowie als "Sonderförderung Mitarbeiterausbau" Punkte mit einem Wert von je S 2.600,-- vergeben (vgl. etwa den Dienstzettel des Herrn Ch. vom 27. Februar 1992 für das Jahr 1992).
Der genannte Dienstzettel weist ferner folgende Vereinbarungen aus:
"5. Die Ihnen gewährte Superprovision wird mit S 10.000,-- brutto monatlich (12 mal jährlich) bevorschußt. Die Höhe der Akontierung kann abhängig von der Erfüllung der Aktionsziele vom Dienstgeber während des Jahres geändert werden. Allfällige Änderungen werden nach dem 1. Halbjahr vorgenommen.
6. Ihre Superprovision ist mit S 100.000,-- brutto garantiert und mit S 273.000,-- brutto limitiert.
7. Das Leistungshonorar gebührt für die Tätigkeit während des gesamten Kalenderjahres. War das Dienstverhältnis nicht während des gesamten Kalenderjahres aufrecht, so gebührt das Leistungshonorar nur anteilsmäßig.
8. Im übrigen gelten die Bestimmungen der Vereinbarung vom 15.7.1986.
9. Ihr monatliches Orga-Pauschale beträgt S 2.000,--, zahlbar 12mal jährlich."
Die Dienstzettel der Dienstnehmer der Vereinbarungsgruppe Ch. enthielten für die Jahre 1992 bis 1994 gleichartige Bestimmungen.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die mit den Dienstnehmern beider Vereinbarungsgruppen getroffene Absprache, wonach durch die Gewährung der Superprovision auch eine Mehrarbeit über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus abgegolten werde.
Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
Nach § 49 Abs. 2 ASVG sind Sonderzahlungen Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie z.B. ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld. Sie sind als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfasst werden, zu berücksichtigen.
Für die Abgrenzung zwischen dem Entgelt nach § 49 Abs. 1 ASVG und den Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 leg. cit. ist somit entscheidend, ob Bezüge im Sinne des Abs. 1 in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine freiwillig oder verpflichtend gewährte Zuwendung "in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt" wird, kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob diese (verpflichtenden oder freiwilligen) Zuwendungen im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten, über die Beitragszeiträume hinausreichenden Zeitabschnitten wiederkehren, wobei die Regelmäßigkeit der wiederkehrenden Leistungen im Wesentlichen aus der Dienstgeberzusage oder dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse zu beurteilen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 91/08/0104).
Hinsichtlich der Qualifikation von sogenannten "Umsatzprovisionen" als Sonderzahlungen vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass vertraglich zustehende Umsatzprovisionen, die jährlich im Nachhinein abgerechnet werden, nicht schon dadurch zu Bezügen werden, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden. Maßgebend ist vielmehr die Art des Anspruches, der im Allgemeinen seiner Wesensart nach bei der vertraglichen Zusicherung einer Umsatzprovision mit der Tätigung von Umsätzen entsteht. Solche Umsatzprovisionen sind daher nicht erst mit ihrer Flüssigmachung als gewährt anzusehen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Mai 1990, Zl. 89/08/0227).
Anders verhält es sich, wenn das Entstehen eines Anspruches auf eine Umsatzprovision nach der dienstvertraglichen Vereinbarung nicht allein von der Tätigung laufender Umsätze, sondern darüber hinaus noch von der Erfüllung weiterer Bedingungen abhängig ist. In diesen Fällen entsteht der Anspruch auf die Leistung erst mit der Erfüllung dieser Bedingungen. Solche für das Entstehen des Anspruches auf die Leistung wesentliche Bedingungen liegen etwa vor, wenn vertraglich vereinbart wird, dass die Gewährung einer Provision von der Erzielung eines bestimmten Jahresumsatzes oder eines bestimmten Zuwachses des Jahresumsatzes abhängt oder dass die Provision nur dann gebührt, wenn das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember des in Betracht kommenden Jahres noch aufrecht ist. Auch bei Umsatzbeteiligungsprämien, bei denen nach den getroffenen Vereinbarungen der Umsatz einer bestimmten Periode bloß als Bemessungsgrundlage zur Bestimmung ihrer Höhe heranzuziehen ist, kann nicht gesagt werden, dass der Anspruch auf die Leistung schon mit jedem einzelnen Umsatz entsteht. Den Umsätzen kommt in diesen Fällen nur mittelbar als Maß für die Höhe der Prämie Bedeutung zu (vgl. das Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, Zl. 99/08/0079, mwN).
Die Frage, ob Umsatzprovisionen, Umsatzbeteiligungsprämien oder Superprovisionen als Sonderzahlungen oder als laufendes Entgelt anzusehen sind, kann somit nicht generell in die eine oder andere Richtung beantwortet werden. Es kommt hiefür vielmehr auf die jeweiligen zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses getroffenen Vereinbarungen an, für die der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt.
Nach den Feststellungen bzw. nach den unstrittigen Vereinbarungen mit den betroffenen Dienstnehmern der Vereinbarungsgruppe wie Dienstnehmer A. hing die Höhe des (viertel- bzw. halbjährlich zur Gänze oder zu 80 % akontierten und mit einem bestimmten Höchstbetrag begrenzten) Anspruches auf Superprovision von der "Jahresnettoproduktionsprämie" (der Verkaufsgruppe) und (ab 1993) von der Erfüllung bestimmter Mindestleistungsnormen durch die Verkaufsgruppe ab. Bei den Dienstnehmern der Vereinbarungsgruppe wie Dienstnehmer Ch. wurde die (monatlich bevorschusste, mit einem bestimmten Betrag garantierte und mit einem bestimmten Betrag limitierte) Superprovision nach Maßgabe der Erreichung bestimmter vorgegebener Prämien- bzw. Organisationsziele berechnet. Das Leistungshonorar sollte für die Tätigkeit während des gesamten Kalenderjahres gebühren. War das Dienstverhältnis nicht während des gesamten Kalenderjahres aufrecht, so gebührte das Leistungshonorar nur anteilsmäßig.
Die Superprovisionen der Dienstnehmer beider Vereinbarungsgruppen waren daher - jedenfalls soweit sie nicht akontiert wurden - nicht nur von der Tätigung von Umsätzen, sondern auch von der Erfüllung weiterer Voraussetzungen (Erreichung vorgegebener Ziele) abhängig. In diesen Fällen entstand der Anspruch auf (den weiteren in einer Endabrechnung ermittelten Teil der) Superprovision erst mit der Erfüllung dieser Bedingungen. Die nach den Vereinbarungen zu errechnende Prämie wurde nach Abzug der (in der Vereinbarungsgruppe wie Dienstnehmer Ch.) garantierten bzw. der monatlich ausbezahlten und jeweils als laufendes Entgelt behandelten Akontierung in einem ausbezahlt. Dass diese jährliche Superprovision einen größeren Zeitraum als den Beitragszeitraum erfasst hat, ist ebenso wenig strittig wie die regelmäßige Wiederkehr dieser Leistung. Auch der Umstand, dass die im Endabrechnungszeitpunkt ermittelte und einmalig ausbezahlte Superprovision eine "Restzahlung" zu den schon während des Jahres "akontierten" Provisionszahlungen darstellte, bedeutet nicht, dass der Anspruch auf Superprovision laufend entstanden wäre, weil die Verrechenbarkeit letzterer und der Anspruch auf erstere vom schließlichen Entstehen eines insgesamt höheren Anspruchs auf Superprovision abhing. Wegen der Verschiedenheit der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen kann daher aus der Leistung monatlicher Garantieprovisionen nicht auf die Rechtsnatur der Superprovision geschlossen werden, auch wenn diese bloß als Differenzzahlung (der Sache nach daher aber nicht als "Restzahlung" im eigentlichen Sinne) zur Garantieprovision in Erscheinung getreten ist (vgl. das zitierte, einen vergleichbaren Sachverhalt betreffende Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, Zl. 99/08/0079).
Um eine Superprovision mit vergleichbaren Berechnungsgrundlagen im Sinne des soeben zitierten Erkenntnisses handelt es sich auch bei den strittigen Zahlungen im Beschwerdefall. Die Qualifikation der Superprovision als "laufendes Entgelt" durch die belangte Behörde beruht auf deren Auffassung, es sei maßgebend, dass mit dieser Superprovision geleistete Überstunden sowie Mehrarbeit abgegolten sein sollten. Die belangte Behörde übersieht dabei jedoch einerseits, dass die sozialversicherungsrechtliche Abgrenzung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen nicht nach der arbeitsrechtlichen Abgeltungsfunktion sondern nach ihrem Bezug zu Beitragszeiträumen vorgenommen wird, sowie andererseits, dass auch Sonderzahlungen keine andere Funktion haben, als Entgelt für die geleistete Arbeit zu sein (vgl. zum Entgeltbegriff zB Spielbüchler in: Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4, 223ff). Ob Entgelt "laufend" oder zu einem bestimmten Zeitpunkt (zB am Jahresende) zu leisten ist, ist - zunächst unabhängig von der Frage ihrer Qualifikation als Sonderzahlung - eine Frage der Fälligkeit (vgl. Spielbüchler, aaO, 261f).
Arbeitsvertragsrechtlich könnte daher nur fraglich sein, ob es zulässig ist, nach Gesetz und Kollektivvertrag entgeltpflichtige laufende Mehrarbeit, soweit diese nicht durch laufend geleistete Zahlungen abgegolten ist, durch Superprovisionszahlungen der hier strittigen Art, d.h. zumindest zum Teil durch eine erst gegen das Jahresende fällig werdende Zahlung, abzugelten (für die Zulässigkeit einer solchen im Sinne der Vereinbarung eines Überstundenpauschales gedeuteten Abrede OGH 17. Februar 1987, 14 Ob A 17/87 = Arb 10.624, und vom 11. Juli 2001, 9 Ob A 161/01v = ecolex 2002/21). Ob die arbeitsvertragliche Abrede der Anrechnung der Superprovisionen auf gebührendes Überstundenentgelt zulässig ist oder nicht, vermöchte aber weder an der Fälligkeit der Superprovision noch an ihrer sonst gegebenen rechtlichen Eigenschaft als Sonderzahlung im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG etwas zu ändern. Dies wäre - aus der hier allein interessierenden beitragsrechtlichen Sicht - nur für die Frage bedeutsam, ob neben den vom Dienstgeber tatsächlich geleisteten Entgelten im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG noch weitere damit noch nicht abgegoltene Entgeltansprüche bestehen, für die wegen des im ASVG geltenden Anspruchslohnprinzips weitere, in der jeweiligen Höchstbeitragsgrundlage noch Deckung findende, laufende Beiträge oder Sonderbeiträge zu leisten wären. Die von der belangten Behörde vorgenommene "Umdeutung" einer Sonderzahlung im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG in Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG nach Maßgabe ihrer arbeitsrechtlichen "Abgeltungsfunktion" erweist sich somit als rechtlich verfehlt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Kostenmehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) abzuweisen.
Wien, am 15. Mai 2002
Schlagworte
Entgelt Begriff ProvisionEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1997080463.X00Im RIS seit
07.10.2002Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008