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41 Innere AngelegenheitenNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinanderdurch die neuerliche Abweisung des Antrags eines islamischenReligionslehrers auf Verleihung der österreichischenStaatsbürgerschaft und Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrauund die drei minderjährigen Kinder wegen "erheblicherIntegrationsdefizite" des Antragstellers nach Aufhebung des erstenBescheides durch den Verfassungsgerichtshof; neuerliche Unterlassungeiner Gesamtbetrachtung über das Ausmaß der Integration desAntragstellers durch alleiniges Abstellen auf das Verhalten beimHändereichen bei der Beurteilung der persönlichen Integration;objektive WillkürSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Kärnten ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.988,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Erstbeschwerdeführer lebt seit dem Jahr 1990 in Österreich; seine erste Beschäftigung nahm er im Mai 1990 in Graz auf. Seit 22. April 1993 ist er als islamischer Religionslehrer beschäftigt; darüber hinaus betreut er seit dem Jahr 2002 unentgeltlich in der Justizanstalt Klagenfurt inhaftierte Insassen mit islamischem Glaubensbekenntnis. Der Erstbeschwerdeführer verfügt seit 29. Mai 2000 über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung. Am 8. März 2005 stellte er einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft; gleichzeitig ersuchte er um Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau und ihre gemeinsamen Kinder.
2. Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 9. Februar 2006 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau und die minderjährigen Kinder abgewiesen.
Unter Bezugnahme auf Stellungnahmen von Schulleitern und ehemaligen Kollegen des Erstbeschwerdeführers, wonach er etwa eine "Anpassung an übliche Umgangsformen (Grüßen, Händereichen)" vermissen lasse, ging die Kärntner Landesregierung davon aus, "dass erhebliche Integrationsdefizite existieren". In diesem Sinne hat die Behörde auch der Kündigung seines Dienstverhältnisses im Jahr 1998, Behauptungen über angebliche Aussagen zu den Ereignissen am 11. September 2001 sowie der Auffassung der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, wonach das Verhalten des Staatsbürgerschaftswerbers ihren Interessen und dem islamischen Religionsunterricht abträglich sei, die entscheidungswesentliche Bedeutung beigemessen, dass "mehr als begründete Zweifel an der persönlichen Integration" des Erstbeschwerdeführers bestehen.
3. Auf Grund einer dagegen erhobenen Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof wurde der Bescheid der Kärntner Landesregierung mit Erkenntnis vom 13. Oktober 2006, B329/06, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander aufgehoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass es die belangte Behörde verabsäumt habe, "auch auf jene Gründe einzugehen, die für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sprechen würden" und "die Interessen des Erstbeschwerdeführers an der Verleihung der Staatsbürgerschaft und die dagegen sprechenden öffentlichen Interessen einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen."
4. Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26. April 2007 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau (Zweitbeschwerdeführerin) und die minderjährigen Kinder (Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer) gemäß §§11, 16, 17, 18 iVm §39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG 1985) erneut abgewiesen. Begründend wird nunmehr Folgendes ausgeführt (Hervorhebungen im Original):
"Herr A.M. lebt seit 1990 im Bundesgebiet und ist als Religionslehrer beschäftigt. Er beantragt für sich und seine Familie die österr. Staatsbürgerschaft, wobei es der Verleihungsbehörde im Rahmen des Verleihungsverfahrens auch obliegt, sein Gesamtverhalten zu berücksichtigen. Zu diesem zählt insbesondere auch die persönliche Integration des Antragstellers, also seine Orientierung am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie den Grundwerten eines europäisch-demokratischen Staates und seiner Gesellschaft.
Die Staatsbürgerschaftsbehörde ist daher auch angehalten zu prüfen, ob ein Emigrant [gemeint wohl: Immigrant], der die österr. Staatsbürgerschaft beantragt, nicht nur die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfüllt, sondern darüber hinaus sich auch die Kultur und die allgemeinen Umgangsformen des ihn beherbergenden Gastlandes zu Eigen gemacht hat. Dabei ist davon auszugehen, dass ein Antragsteller auch in die Gesellschaft integriert ist und sich in die Lebensverhältnisse eingeordnet hat. Die Einbürgerung stellt dabei kein Mittel der Integration dar, sondern steht am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses.
Dieser gelungene Integrationsprozess kann von der Verleihungsbehörde im gegenständlichen Fall jedoch nicht festgestellt werden.
A.M. ignoriert nach wie vor Grundwerte eines europäischen demokratischen Staates. Dies wiegt gegenwärtig umso schwerer, als ihm spätestens seit der Kündigung seines Dienstverhältnisses bewusst sein muss, dass er sich als eine Person im öffentlichen Leben einer besonderen Integration stellen muss. Schließlich hat insbesondere sein Verhalten Frauen gegenüber ein Einlenken und ein Eingeständnis der islamischen Religionsgemeinschaft gegenüber im zitierten Arbeitsprozess zur Folge gehabt. Jedoch ist er nach wie vor nicht bereit, seine Haltung Frauen gegenüber zu ändern. Integration berücksichtigt die Einbindung in das öffentliche Leben und die Eingliederung in das soziale Umfeld. Der Antragsteller ist als Religionslehrer in einer öffentlichen Funktion tätig. In dieser muss von ihm eine gewisse Vorbildwirkung verlangt werden und jedenfalls eine gelungene Einbindung in das öffentliche Leben.
A.M. verweigert Frauen den Handschlag.
Er hat sich entschieden, mit seiner Frau in Österreich zu leben und die Staatsbürgerschaft anzunehmen. Wenn er österreichischer Staatsbürger werden will, so muss man von ihm verlangen, dass er nicht in diametralem Widerspruch zu Prinzipien seines Gastlandes wie überhaupt des europäischen Kulturkreises steht. Ein Grundprinzip dabei ist die Regel des Grüßens, wobei es zur Vollständigkeit der Begrüßung gehört, auch die Hand zu reichen. Männer und Frauen sind dabei gleichberechtigt, jedoch lehnt es Herr A.M. ab, die europäische Sitte des Händeschüttelns Frauen gegenüber zu pflegen.
Der Gruß mit Handschlag ist Usus im Europäischen Kulturkreis.
Es ist daher von einem Staatsbürgerschaftswerber zu verlangen, wenn er die Staatsbürgerschaft dieses Kulturkreises annehmen will, dass diese Regel auch berücksichtigt wird, ist diese doch Ausdruck der Toleranz und der Menschenwürde, die insbesondere Frauen gegenüber gelebt wird.
Das vorbehaltslose und widerspruchsfreie Bekenntnis zum Händereichen Frauen gegenüber sichert die Achtung der gesellschaftlichen Umgangsformen. Ein Staatsbürgerschaftswerber, der dieses Gesellschaftsprinzip nicht beachtet, diskriminiert Frauen und lässt den Respekt und die Toleranz gegenüber den Sitten und Gebräuchen seines Gastlandes vermissen. Es ist dies Ausdruck der Intoleranz, die im Widerspruch zur Verleihung der österr. Staatsbürgerschaft steht. Bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens stellt diese Haltung ein massives Defizit im Gesamtausmaß der Integration des Staatsbürgerschaftswerbers dar. Seine Orientierung an, insbesondere gesellschaftlichen und kulturellen Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft kann A.M. nicht nachweisen, weshalb im Hinblick auf das allgemeine Wohl und die öffentlichen Interessen die Verleihung der österr. Staatsbürgerschaft nicht in Betracht gezogen werden kann."
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird. Der Beschwerdeführer bringt insbesondere Folgendes vor:
"... Nach wie vor wird die Abweisung des Antrages auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vor allem und vordergründig damit begründet, dass der Beschwerdeführer Frauen gegenüber den Handschlag verweigere und nicht ausreichend integriert sei. Im einzelnen bezieht sich die belangte Behörde zwar auf die (offensichtlich nur vordergründig zur formalhaften Vollständigkeit des Ermittlungsverfahrens durchgeführte) Niederschrift vom 19.03.2007. Wie aus dem Bescheid jedoch hervorleuchtet, hat sich die Behörde nach wie vor lediglich von Gerüchten, Anschuldigungen, Behauptungen, die nicht näher verifiziert werden konnten, gestützt und sich mit den vielen Argumenten, die der 1. Beschwerdeführer schon im ersten Verfahren vorgelegt hat, in keiner Weise auseinandergesetzt.
...
Der Erstbeschwerdeführer hat, nachdem ihm mit Schreiben vom 07.10.2005 der belangten Behörde mitgeteilt wurde, dass Erhebungen vorgenommen werden würden, welche die bejahende Einstellung zur Republik Österreich und Beachtung seiner Gesetze zum Inhalt haben, zahlreiche Bestätigungen und Stellungnahme[n] von Schulen, an denen er als islamischer Religionslehrer tätig war, und von Kollegen aus der Lehrerschaft vorgelegt, die ihm übereinstimmend bestätigten, dass er den Religionsunterricht korrekt und pflichtbewusst gehalten hat und auch zwischen ihm und den jeweiligen Kollegen und Schulleitungen gutes Einvernehmen geherrscht hat. Mit diesen Beurteilungen stimmt auch die ebenfalls der belangten Behörde vorgelegte Bestätigung der Leitung der Justizanstalt Klagenfurt vom 20.10.2005 überein, die dem Erstbeschwerdeführer desgleichen bescheinigt, dass er die in der Justizanstalt Klagenfurt inhaftierten Insassen mit islamischem Glaubensbekenntnis zur vollsten Zufriedenheit betreut hat.
...
Der Erstbeschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme vom 13.01.2006 auch ausdrücklich darauf hingewiesen, und durch entsprechende Nachweise belegt, dass diese dem Christentum und allen anderen Religionen gegenüber aufgeschlossene und jegliche fundamentalistische Strömung ablehnende Haltung des Erstbeschwerdeführers auch dem Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Jörg Haider, sehr wohl bekannt war, denn sonst hätte dieser den Erstbeschwerdeführer nicht zu den von ihm am 23.04.2003 im Spiegelsaal des Amtes der Kärntner Landesregierung veranstalteten Dialog der Kulturen und Religionen eingeladen, an dem Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche sowie des Islam teilgenommen haben.
...
Schließlich hat der Erstbeschwerdeführer auch zum Nachweis
dafür, dass er Frauen keineswegs als dem Manne untergeordnet und
minderwertig ansieht, Zeitungsberichte und Stellungnahmen vorgelegt,
aus denen eindeutig hervorgeht, dass ihm jegliche frauenfeindliche
Einstellung fremd ist, er vielmehr sogar gemeinsam mit Frau ... K.S.
ein Projekt mit dem Ziel ausführen wollte, islamische Frauen durch
Deutschkurse und Unterweisungen im Lesen und Schreiben näher an
unsere westliche Gesellschaft heranzuführen und zu integrieren. Nur
wegen der Pensionierung von Frau ... S. ist es nicht zu einer
Realisierung dieses Projektes gekommen. Im einzelnen legte er zum
Nachweis für dieses Vorbringen die Stellungnahme der ehemaligen
Direktorin ... in Klagenfurt ... vom 02.01.2006 vor.
...
Der Niederschrift vom 19.03.2007, jedenfalls der dem Beschwerdeführer nach Abfassung der Niederschrift und von diesem auch gefertigten Abschrift, die zur Dokumentation gleichfalls unter einem in Vorlage gebracht wird, ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer irgendjemanden (sei es Frau oder Mann) nicht die Hand gereicht hätte oder dass er dazu aufgefordert worden wäre und er der Leiterin der Amtshandlung den Handschlag verweigert hätte. Soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, solche Einwendungen sind dem Beschwerdeführer nicht bekannt, liefert eine gemäß §14 aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der Amtshandlung vollen Beweis. Irgendwelche Ermittlungen, die im übrigen die belangte Behörde von Amts wegen zu treffen gehabt hätte, sind dem
1. Beschwerdeführer nicht bekannt. Jedenfalls ist er von irgendwelchen, sollten solche überhaupt stattgefunden haben, Ermittlungen nie in Kenntnis gesetzt worden. Auch diesbezüglich ist das Verfahren mangelhaft geblieben.
Unbeschadet dessen existiert keine Verfahrens- oder sonstige Vorschrift, die das 'Händeschütteln' bei Verwaltungsbehörde[n] oder auch bei Gerichten vorschriebe. Gegenteilig ist allerdings auch kein Verbot bekannt. So wird es wohl an jedem einzelnen gelegen sein, wie er dies halten will. Was an der dem Beschwerdeführer negativ ausgelegten Fragebeantwortung, in dem er es der Freiheit des einzelnen überlassen will, wem man die Hand gibt oder nicht, verwerflich sein sollte und inwiefern dies gegen eine allfällig abgeschlossene Integration des 1. Beschwerdeführers sprechen kann, entzieht sich der denklogischen Nachvollziehbarkeit und ist schlichtweg unerfindlich.
Die belangte Behörde hat, obwohl sie selbst davon ausgeht, dass beim 1. Beschwerdeführer sämtliche Voraussetzungen zur Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegen, diesem die Staatsbürgerschaft nicht verliehen. Vollkommen unberücksichtigt hat die Erstbehörde das Faktum, dass der Erstbeschwerdeführer seit nunmehr rund 17 Jahren in Österreich lebt und im gesamten Zeitraum auch kein einziges Mal auch nur verwaltungsstrafrechtlich, geschweige denn gar strafgerichtlich, auffällig wurde. Somit bleibt bei der Abwägung der Interessen einzig und allein übrig, dass für die belangte Behörde das angebliche Nichtschütteln einer Frauenhand stärker wiegt als alle übrigen für den 1. Beschwerdeführer sprechenden Argumente, die im übrigen augenscheinlich von der belangten Behörde zugestanden werden, sonst könnte die belangte Behörde ja nicht ausdrücklich davon ausgehen, dass sämtliche Verleihungsvoraussetzungen vorliegen.
...
Der 1. Beschwerdeführer ist in Österreich vollständig integriert und zwar sowohl nachhaltig persönlich und privat, ebenso wie beruflich. Der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration gilt als erbracht, wenn der Fremde sowohl beschäftigungsrechtlich (er ist unbestritten seit vielen Jahren als Religionslehrer tätig) als auch fremdenrechtlich (er verfügt über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht) eine bis auf weiteres gesicherte Position in Österreich hat und hier persönlich nachhaltig verankert ist. Dass die Familie nachhaltig in Österreich verankert ist, ist ebenfalls notorisch. Seine Kinder sind hier geboren, besuchen teils die Schule teils den Kindergarten. All diese Umstände, die die Integration des 1. Beschwerdeführers nachhaltig darstellen, hat die belangte Behörde lediglich das angebliche Nichthandreichen entgegenzustellen. Dies ist Willkür."
6. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 - StbG), BGBl. I 311 idF BGBl. I 37/2006, lauten wie folgt:
"Verleihung
§10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn
1.
er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;
2.
er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;
3.
er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist;
4.
gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;
5.
durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6.
er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art8 Abs2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;
7.
sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist und
8.
er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.
(1a) Eine gemäß Abs1 Z2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf. Eine gemäß Abs1 Z2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt.
(2) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden nicht verliehen werden, wenn
1.
bestimmte Tatsachen gemäß §60 Abs2 Z4, 5, 6, 8, 9, 10, 12, 13 und 14 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, vorliegen; §60 Abs3 FPG gilt;
2.
er mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt, insbesondere wegen §99 Abs1 bis 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, wegen §37 Abs3 oder 4 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. Nr. 120/1997, §366 Abs1 Z1 i.V.m. Abs2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, wegen §§81 bis 83 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. 566/1991, oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG), BGBl. Nr. 435/1996, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, rechtskräftig bestraft worden ist; §55 Abs1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, gilt;
3.
gegen ihn ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist;
4.
gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß §60 FPG besteht;
5.
gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-Staates besteht;
6.
gegen ihn in den letzten zwölf Monaten eine Ausweisung gemäß §54 FPG oder §10 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, rechtskräftig erlassen wurde oder
7.
er ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.
(3) Einem Fremden, der eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn er
1.
die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterläßt, obwohl ihm diese möglich und zumutbar sind oder
2.
auf Grund seines Antrages oder auf andere Weise absichtlich die Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit erwirkt.
(4) Von der Voraussetzung des Abs1 Z1, dem Verleihungshindernis nach Abs2 Z2 sowie in den Fällen der Z2 auch des Abs3 ist abzusehen.
1.
bei einem Fremden mit Aufenthalt im Bundesgebiet, der durch mindestens zehn Jahre die Staatsbürgerschaft ununterbrochen besessen und diese auf andere Weise als durch Entziehung (§§33 oder 34) verloren hat;
2.
bei einem Fremden, der vor dem 9. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie hatte oder staatenlos war, seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hatte und sich damals deshalb in das Ausland begeben hat, weil er Verfolgung durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Einsatzes für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche mit Grund zu befürchten hatte.
(5) Der Lebensunterhalt (Abs1 Z7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des §293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß §291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.
(6) (Verfassungsbestimmung) Die Voraussetzungen des Abs1 Z1 und 7 sowie des Abs3 entfallen, wenn die Bundesregierung bestätigt, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik liegt.
§10a. (1) Voraussetzung jeglicher Verleihung der Staatsbürgerschaft ist weiters der Nachweis
1.
der Kenntnis der deutschen Sprache und
2.
von Grundkenntnissen der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes.
(2) Ausgenommen von den Nachweisen nach Abs1 sind:
1.
Fälle des §10 Abs4 und 6, §11a Abs2 und §58c;
2.
Fremde, die zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig sind und noch nicht der allgemeinen Schulpflicht unterliegen;
3.
Fremde, denen auf Grund ihres hohen Alters oder dauerhaft schlechten Gesundheitszustandes die Erbringung der Nachweise nicht möglich ist und Letzteres durch ein amtsärztliches Gutachten nachgewiesen wird;
4.
andere, nicht nur allein auf Grund ihres Alters selbst nicht handlungsfähige Fremde.
(3) Die Nachweise nach Abs1 gelten als erbracht, wenn der Fremde zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig ist und
1.
im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§3 Abs3 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat oder
2.
im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§3 Abs4 des Schulorganisationsgesetzes) besucht und
a)
der Unterrichtsgegenstand 'Deutsch' in dem der Antragstellung vorangegangenen Schuljahr positiv beurteilt wurde oder die Schulnachricht am Ende des ersten Semesters des laufenden Schuljahres im Unterrichtsgegenstand 'Deutsch' eine positive Leistung ausweist oder
b)
der Antragsteller bis zum Entscheidungszeitpunkt die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand 'Deutsch' durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist.
(4) Der Nachweis nach Abs1 Z1 gilt als erbracht, wenn
1.
die deutsche Sprache die Muttersprache des Fremden ist oder
2.
der Fremde das Modul 2 der Integrationsvereinbarung nach §14 Abs5 Z2 bis 5 und 7 NAG erfüllt hat, auch wenn er nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz dazu nicht verpflichtet ist, und einen entsprechenden Nachweis vorlegt.
(5) Der Nachweis nach Abs1 Z2 ist, soweit dieser nicht nach Abs3 als erbracht gilt, durch eine von der zuständigen Landesregierung durchzuführende Prüfung zu erbringen. Das Nähere über die Durchführung der Prüfung ist nach Maßgabe der folgenden Grundsätze durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festzulegen:
1.
Die Prüfung ist schriftlich abzuhalten, wobei vom Prüfungsteilnehmer unter mehreren vorgegebenen Antworten die richtige erkannt werden muss;
2.
Der Prüfungserfolg ist mit 'Bestanden' oder 'Nicht bestanden' zu beurteilen;
3.
Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig.
(6) Das Nähere über die Inhalte der Prüfung im Bezug auf die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung der Republik Österreich und die Geschichte Österreichs (Prüfungsstoffabgrenzung I) ist nach Maßgabe der folgenden Grundsätze durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festzulegen:
1.
Die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung der Republik Österreich umfassen in Grundzügen den Aufbau und die Organisation der Republik Österreich und ihrer maßgeblichen Institutionen, der Grund- und Freiheitsrechte einschließlich der Rechtsschutzmöglichkeiten und des Wahlrechts auf dem Niveau des Lehrplans der Hauptschule für den Unterrichtsgegenstand 'Geschichte und Sozialkunde' in der 4. Klasse gemäß Anlage 1 zu BGBl. II Nr. 134/2000, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 571/2003;
2.
die Grundkenntnisse über die Geschichte Österreichs haben sich am Lehrstoff des Lehrplans der Hauptschule für den Unterrichtsgegenstand 'Geschichte und Sozialkunde' in der 4. Klasse gemäß Anlage 1 zu BGBl. II Nr. 134/2000, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 571/2003, zu orientieren.
(7) Das Nähere über die Inhalte der Prüfung im Bezug auf die Grundkenntnisse der Geschichte des jeweiligen Bundeslandes (Prüfungsstoffabgrenzung II) ist durch Verordnung der Landesregierung festzulegen. In dieser Verordnung kann die Landesregierung die Bezirksverwaltungsbehörden mit der Durchführung der Prüfungen im Namen der Landesregierung ermächtigen.
§11. Bei Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz ist das Gesamtverhalten des Fremden im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß seiner Integration zu berücksichtigen. Zu dieser zählt insbesondere die Orientierung des Fremden am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie an den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft.
§12. Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des §10 Abs1 Z2 bis 8, Abs2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er
1.
nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§33 und 34) oder des Verzichts auf die Staatsbürgerschaft (§37) Fremder ist und entweder
a)
seit mindestens 30 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat oder
b)
seit mindestens 15 Jahren seinen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet hat und seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist;
2.
die Staatsbürgerschaft zu einer Zeit, da er nicht eigenberechtigt war, auf andere Weise als durch Entziehung nach §33 verloren hat, seither Fremder ist, sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und die Verleihung der Staatsbürgerschaft binnen zwei Jahren nach Erlangung der Eigenberechtigung beantragt oder
3.
die Staatsbürgerschaft nach §17 durch Erstreckung der Verleihung nur deshalb nicht erwerben kann, weil der hierfür maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) bereits Staatsbürger ist und die Voraussetzungen nach §16 Abs1 Z2 vorliegen.
§16. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden ist unter den Voraussetzungen des §10 Abs1 Z2 bis 8, Abs2 und 3 auf seinen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zu erstrecken, wenn
1.
sich dieser seit mindestens sechs Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält;
2.
zum Zeitpunkt der Antragstellung
a)
dieser rechtmäßig niedergelassen war (§2 Abs2 NAG) oder
b)
ihm zum Zeitpunkt der Antragstellung der Status des Asylberechtigten zugekommen ist oder
c)
dieser Inhaber einer Legitimationskarte (§95 FPG) ist;
3.
die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist;
4.
er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach §33 Fremder ist und
5.
die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht ist.
(2) Das Fehlen der Voraussetzungen nach Abs1 Z3 und §10 Abs3 steht der Erstreckung nicht entgegen, wenn die Staatsbürgerschaft nach §10 Abs6 verliehen wird.
§17. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unter den Voraussetzungen der §§10 Abs1 Z2 bis 8, Abs2 und 3 sowie 16 Abs1 Z2 zu erstrecken auf
1.
die ehelichen Kinder des Fremden,
2.
die unehelichen Kinder der Frau,
3.
die unehelichen Kinder des Mannes, wenn seine Vaterschaft festgestellt oder anerkannt ist und ihm die Pflege und Erziehung der Kinder zustehen,
4.
die Wahlkinder des Fremden,
sofern die Kinder minderjährig, ledig und nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach §33 Fremde sind.
(2) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unter den Voraussetzungen des §10 Abs3 weiters auf die unehelichen Kinder der im Abs1 genannten Nachkommen zu erstrecken, soweit letztere weiblichen Geschlechtes sind und die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf sie erstreckt wird.
(3) Die Voraussetzung der Minderjährigkeit entfällt bei einem behinderten Kind, wenn die Behinderung erheblich ist und das Kind mit dem für die Erstreckung der Verleihung maßgebenden Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt oder diesem die Sorgepflicht für das Kind obliegt und er seiner Unterhaltspflicht nachkommt. Als erheblich behindert im Sinne dieser Bestimmung gelten Personen, die infolge eines Leidens oder Gebrechens in ihrer körperlichen oder geistigen Fähigkeit so wesentlich beeinträchtigt sind, daß sie einer besonderen Pflege oder eines besonderen Unterhaltsaufwandes bedürfen und voraussichtlich dauernd nicht fähig sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die erhebliche Behinderung ist durch ein Zeugnis eines inländischen Amtsarztes nachzuweisen.
(4) Das Fehlen der Voraussetzung nach §10 Abs3 steht der Erstreckung nicht entgegen, wenn die Staatsbürgerschaft nach §10 Abs6 verliehen wird.
§18. Die Erstreckung der Verleihung darf nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden.
ABSCHNITT IV
BEHÖRDEN UND VERFAHREN
§39. (1) Zur Erlassung von Bescheiden in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft ist unbeschadet des §41 die Landesregierung zuständig.
(2) Örtlich zuständig ist jene Landesregierung, in deren Bereich die Person, auf die sich der Bescheid bezieht, ihren Hauptwohnsitz hat, sonst die Landesregierung, in deren Bereich die Evidenzstelle (§49 Abs2) liegt. Die Zuständigkeit zur Erstreckung der Verleihung richtet sich nach der Zuständigkeit zur Verleihung der Staatsbürgerschaft."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Vorauszuschicken ist, dass der Gesetzgeber die Grundkonzeption des StbG 1985 durch die - von der Behörde zutreffend angewendete - Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I 37/2006, nicht verändert hat. §10 StbG 1985 sieht allgemeine Verleihungsvoraussetzungen und bestimmte (absolute) Verleihungshindernisse vor. Gemäß §10a StbG 1985 sind vom Verleihungswerber - abgesehen von bestimmten Ausnahmen - zudem Kenntnisse der deutschen Sprache und der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes nachzuweisen. §11 StbG 1985 verpflichtet die Behörde, bei ihren Entscheidungen "das Gesamtverhalten des Fremden im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß seiner Integration zu berücksichtigen".
Schließlich sieht §12 Z1 litb StbG 1985 vor, dass einem Fremden unter den Voraussetzungen des §10 Abs1 Z2 bis 8, Abs2 und 3 StbG 1985 die Staatsbürgerschaft zu verleihen ist, wenn er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft oder des Verzichts auf die Staatsbürgerschaft Fremder ist sowie seit mindestens 15 Jahren seinen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet hat und "seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist".
Der Gesetzgeber hat im Falle des Vorliegens dieser Voraussetzungen einen Rechtsanspruch des Fremden auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft normiert.
1.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 2006, B329/06 (s. dazu oben Pkt. I.3.) dargelegt hat, ist es - angesichts der Eigenart der vom Gesetz verwendeten (auslegungsbedürftigen) Begriffe, die sensible Bewertungen verlangen - erforderlich, eine sorgfältige Interessenabwägung vorzunehmen und nachvollziehbar zu begründen, weshalb bestimmten Aspekten entscheidendes Gewicht beigemessen wird.
2.1. Die belangte Behörde ist - allerdings nach einem ergänzenden Ermittlungsverfahren - erneut zur Auffassung gelangt, dass der Erstbeschwerdeführer "den Respekt und die Toleranz gegenüber den Sitten und Gebräuchen seines Gastlandes vermissen [lässt]", was schon darin zum Ausdruck komme, dass er Frauen den Gruß mit Handschlag als "Usus im Europäischen Kulturkreis" verweigert. Zusammenfassend kam die Kärntner Landesregierung zu folgendem Ergebnis:
"A.M. erfüllt zwar die allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen des §10 und des §10a des Staatsbürgerschaftsgesetzes, jedoch muss ihm aufgrund seiner bewussten Missachtung gesellschaftspolitischer Grundprinzipien des ihn beherbergenden Gastlandes, dessen Staatsbürger er ja werden will und der Negierung europäischer Grundwerte eine so mangelhafte persönliche Integration vorgehalten werden, dass es der Verleihungsbehörde verwehrt ist, den Antrag auf Verleihung der österr. Staatsbürgerschaft positiv zu entscheiden."
2.2. Die Kärntner Landesregierung geht also davon aus, dass der Erstbeschwerdeführer, der seit dem Jahr 1990 in Österreich lebt, zwar die Einbürgerungsvoraussetzungen der §§10 und 10a StbG 1985 erfüllt, seine mangelnde persönliche Integration der Verleihung der Staatsbürgerschaft jedoch entgegensteht. Die "bewusste Missachtung gesellschaftspolitischer Grundprinzipien des ... beherbergenden Gastlandes" manifestiert sich nach Auffassung der Behörde darin, dass es der Erstbeschwerdeführer - der dieser Behauptung allerdings entgegentritt - ablehnt, "die europäische Sitte des Händeschüttelns Frauen gegenüber zu pflegen".
Die belangte Behörde misst dem Begrüßungsritual des Händereichens im Zusammenhang mit dem auslegungsbedürftigen Begriff "persönliche Integration" in §12 Z1 litb StbG 1985 sichtlich entscheidungswesentliches Gewicht bei; ausgehend von der unzutreffenden Prämisse, der Gruß mit Handschlag sei Usus im europäischen Kulturkreis, unterstellt sie dem Erstbeschwerdeführer, dass er die Toleranz gegenüber den Sitten und Gebräuchen seines Gastlandes vermissen lässt, weil er Frauen (angeblich) den Handschlag verweigere, weshalb vom Fehlen der persönlichen Integration im Sinne des Gesetzes auszugehen sei.
2.3. Die Behörde hat sich jedoch, soweit sie auf die behauptete "Missachtung gesellschaftspolitischer Grundprinzipien" abstellt, mit dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers, wonach er Frauen keineswegs als untergeordnet oder minderwertig ansieht, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Zudem übersieht sie, dass die Entscheidung darüber, ob man zum Gruß die Hand reicht, bei einer "Orientierung am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie an den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft" stets dem Einzelnen überlassen bleibt.
Der vom Staatsbürgerschaftsgesetzgeber geforderten und sich in den Regelungen der §§11 und 12 StbG 1985 widerspiegelnden Verpflichtung, eine Gesamtbetrachtung über das Ausmaß der Integration vorzunehmen, ist die belangte Behörde erneut nicht nachgekommen, indem sie das angebliche Verhalten des Erstbeschwerdeführers beim Händereichen als alleinigen Indikator für die Beurteilung seiner persönlichen Integration herangezogen hat.
Der belangten Behörde ist mithin - objektiv - Willkür vorzuwerfen. Damit wurden die Beschwerdeführer in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
3. Der Bescheid war daher aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag sind ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 540,-, Umsatzsteuer in Höhe von € 468,- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in Höhe von € 180,- enthalten.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Staatsbürgerschaftsrecht, Bescheidbegründung, Ermessen,Interessenabwägung, Ersatzbescheid, NovellierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B863.2007Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009