TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/23 99/03/0144

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Veröffentlicht am 23.05.2002
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

B-VG Art18 Abs1;
KFG 1967 §108 Abs2;
KFG 1967 §134 Abs1;
MRK Art7;
VStG §1 Abs1;
VStG §7;
VwGG §13;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des P K in L, vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in 6500 Landeck, Malser Straße 13/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 29. Oktober 1998, Zl. uvs-1998/7/1- 5, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 10. Dezember 1997 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Inhaber einer Fahrschule in Landeck vorsätzlich veranlasst, dass der Fahrlehrer H.L. jedenfalls in der Zeit vom 4. Oktober 1996 bis 28. Juli 1997 in seiner Fahrschule wiederholt den theoretischen Fahrschulunterricht für den Führerschein der "Gruppe A (Al)" teils im Unterrichtsraum im Fahrschulgebäude in Landeck und teils auf dem Übungsplatz in der Fließerau abgehalten habe, obwohl er lediglich im Besitze einer Fahrlehrerberechtigung sei, ihm vom Landeshauptmann für Tirol keine Probefahrschullehrerberechtigung erteilt worden sei und er daher nur praktischen Fahrunterricht erteilen dürfe. Er habe dadurch § 7 VStG iVm § 108 Abs. 2 und § 117 KFG 1967 idgF verletzt, weshalb über ihn nach § 134 KFG 1967 eine Geldstrafe im Betrag von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: zwei Wochen) verhängt wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf S 12.000,-

- (EUR 872,07; Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Tage) herabgesetzt und dementsprechend gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz mit S 1.200,-- (EUR 87,21) neu bestimmt wurde. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde mit der Maßgabe bestätigt, dass im Schuldvorwurf vor der Wortfolge "vorsätzlich veranlasst": "durch Erteilung von Vorgaben im Bezug auf die Unterrichtsgestaltung", dass nach "§ 108 Abs. 2" an Stelle der Bestimmung "§ 117" die Bestimmung: "§ 116 Abs. 2" trete und dass die Verhängung der Strafe "gemäß § 134 Abs. 1 KFG" erfolge.

Begründend führte die belangte Behörde insbesondere Folgendes aus: In der Anzeige des Gendarmeriepostens Landeck vom 10. Juli 1997 sei dargestellt, dass die Fahrschule des Beschwerdeführers im Auftrag des Amtes der Tiroler Landesregierung einer Überprüfung unterzogen und dabei festgestellt worden sei, dass der Theorieunterricht für die Führerscheingruppe A zum größten Teil durch den Fahrlehrer H.L. aus K abgehalten würde. Auf Grund dieser Erhebungen habe die Verkehrsabteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung Anzeige bei der Erstbehörde erstattet und die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen den Beschwerdeführer, einen Fahrschulinhaber, beantragt. Mit Straferkenntnis der Erstbehörde sei über H.L. wegen Übertretung des § 108 Abs. 2 KFG 1967 eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-

- (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Tage) verhängt worden. Dieses Straferkenntnis sei in Rechtskraft erwachsen.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

1.3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 7 VStG lautet:

"§ 7. Wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, unterliegt der auf diese Übertretung gesetzten Strafe und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Regelungen des KFG 1967 lauten:

"§ 108. Ausbildung in Fahrschulen

......

(2) Bewerber um eine Lenkberechtigung und Besitzer einer Lenkberechtigung dürfen im Rahmen des Betriebes einer Fahrschule nur durch deren Besitzer, sofern er die Voraussetzungen des § 109 erfüllt, durch einen Leiter (§ 113 Abs. 2 bis 4), durch Fahrschullehrer (§ 116) und durch Fahrlehrer (§ 117) ausgebildet oder weitergebildet werden. Die Bewerber müssen das für die angestrebte Lenkberechtigung erforderliche Mindestalter erreicht haben oder in spätestens sechs Monaten erreichen. Wurde einem Fahrschulbesitzer, einem Leiter oder einem Fahrschullehrer die Lenkberechtigung wegen des Mangels der körperlichen Eignung entzogen, so dürfen sie, solange die Lenkberechtigung entzogen ist, nicht praktischen Fahrunterricht erteilen."

"§ 116. Fahrschullehrer

(2) Der Landeshauptmann kann auf Antrag vom Erfordernis des Besitzes eines in Österreich gültigen Reifezeugnisses befreien, wenn der Antragsteller während der letzten fünf Jahre vor der Einbringung des Antrages als Fahrlehrer tätig war und einen guten Erfolg nachweisen kann und wenn im örtlichen Wirkungsbereich des Landeshauptmannes, bei dem er um die Erteilung der Fahrschullehrerberechtigung angesucht hat, ein Mangel an Fahrschullehrern besteht. Eine auf Grund dieser Befreiung erteilte Fahrschullehrerberechtigung gilt nur für das Bundesland, dessen Landeshauptmann sie erteilt hat.

(2a) Über einen Antrag auf Erteilung der Fahrschullehrerberechtigung entscheidet der Landeshauptmann. Auf Antrag hat der Landeshauptmann, in dessen örtlichem Wirkungsbereich der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz hat, die Durch- oder Weiterführung des Verfahrens auf den Landeshauptmann zu übertragen, in dessen örtlichem Wirkungsbereich der Ort der Ausbildung des Antragstellers liegt, wenn dadurch eine wesentliche Vereinfachung des Verfahrens oder eine erhebliche Erleichterung für den Antragsteller erzielt wird."

"§ 117. Fahrlehrer

(1) Die Berechtigung, als Fahrlehrer an einer Fahrschule praktischen Fahrunterricht zu erteilen, darf nur Personen erteilt werden, die die im § 109 Abs. 1 lit. b und g angeführten Voraussetzungen erfüllen; § 2 Abs. 1 bis 3 FSG gilt mit der Maßgabe, dass die Fahrlehrerberechtigung für die Klasse C oder D oder die Unterklasse C1 nicht auch die Fahrlehrerberechtigung für die Klassen B, F und G umfasst. Die Bestimmungen des § 109 Abs. 3 und Abs. 5 bis 9 und § 116 Abs. 2a, 3, 4 und 6 sind auf Fahrlehrer sinngemäß anzuwenden. Die Fahrlehrerberechtigung ist zu entziehen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr gegeben sind.

(2) § 116 Abs. 6a und 7 gilt sinngemäß."

"§ 134. Strafbestimmungen

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 1 sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3572/90, ABl. Nr. L 353 vom 17. Dezember 1990, S 12, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 30 000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe Arrest bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Arreststrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Arreststrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar."

2.3. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer vorliegend vorgeworfen, entgegen dem § 7 VStG einen anderen, nämlich den Fahrlehrer H.L., vorsätzlich zu der im angefochtenen Bescheid genannten Verwaltungsübertretung des § 108 Abs. 2 KFG 1967 veranlasst zu haben.

Ein solcher Vorwurf setzt (denknotwendig) voraus, dass das dem Fahrlehrer H.L. vorgeworfene Verhalten, Theorieunterricht für die Führerscheingruppe A abgehalten zu haben, tatsächlich nach § 108 Abs. 2 KFG 1967 strafbar ist. Dies ist aber aus den folgenden Erwägungen nicht der Fall: Das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG verlangt für Strafbestimmungen - aus dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des unter Strafe gestellten Verhaltens (vgl. hiezu VfSlg 13.785/1994). Ferner ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des § 1 Abs. 1 VStG und des Art. 7 EMRK der Grundsatz zu beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2002, Zl. 2000/03/0066, mwH). Diesen Anforderungen wird § 108 Abs. 2 KFG 1967 nicht gerecht. § 108 Abs. 2 leg. cit. knüpft (sieht man von seinem letzten, hier nicht einschlägigen, Satz ab) an die "Bewerber um eine Lenkberechtigung" an und sieht diesbezüglich vor, dass diese im Rahmen des Betriebs einer Fahrschule nur von den dort näher angeführten Personen, (u.a.) Fahrlehrer, ausgebildet oder weitergebildet werden dürfen (erster Satz), und weiters ein bestimmtes Alter aufweisen müssen (zweiter Satz). Eine unmissverständliche und klare Verpflichtung der dort näher angeführten Personen, nur im Rahmen der ihnen zustehenden Lehrbefähigung in einer Fahrschule tätig zu werden, enthält diese Regelung aber nicht. Bezüglich eines Fahrlehrers kann dies auch nicht aus dem Verweis "(§ 117)" neben dem Wort Fahrlehrer im § 108 Abs. 2 KFG 1967 abgeleitet werden. § 117 leg. cit. enthält lediglich nähere Regelungen über die Voraussetzungen und das Verfahren der Erteilung bzw. der Entziehung bei Berechtigung, als Fahrlehrer in einer Fahrschule praktischen Unterricht zu erteilen, und dient daher in § 108 Abs. 2 KFG 1967 nur der Verdeutlichung des Begriffes Fahrlehrer. § 108 Abs. 2 KFG umschreibt somit auch nicht im Sinn des § 44a Z. 2 VStG die besagte dem Fahrlehrer H.L. vorgeworfene Verwaltungsübertretung als Tatbild. Damit gilt aber § 134 Abs. 1 KFG 1967, demzufolge (insbesondere) Zuwiderhandlungen gegen dieses Bundesgesetz als Verwaltungsübertretung strafbar sind, keine Grundlage für die Bestrafung des genannten Fahrlehrers ab, fehlt doch (wie dargestellt) im KFG 1967 eine klare gesetzliche Vorschrift, derzufolge die im § 108 Abs. 2 genannten im Rahmen einer Fahrschule tätigen Personen dort lediglich im Rahmen der ihnen zustehenden Lehrbefugnis tätig werden dürfen. Damit konnte aber auch dem Beschwerdeführer nicht im Grunde des § 7 VStG vorgeworfen werden, den Fahrlehrer H.L. vorsätzlich zu der besagten Übertretung des § 108 Abs. 2 KFG 1967 angestiftet zu haben. Wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. September 1965, Zl. 885/65, zu einem gegenteiligen Ergebnis kam, so kann diese Auffassung im Lichte der dargestellten rechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit einer Verwaltungsstrafbestimmung nicht aufrecht erhalten werden. Von dieser Rechtsprechung konnte ohne Bildung eines verstärkten Senates (§ 13 VwGG) abgegangen werden, fußte doch das Erkenntnis vom 28. September 1965 auf dem KFG 1955 und damit auf einer anderen Rechtslage als der angefochtene Bescheid. Dass der besagte Fahrlehrer tatsächlich rechtskräftig wegen einer Übertretung des § 108 Abs. 2 KFG 1967 bestraft wurde, vermag im Übrigen an diesem Ergebnis nichts zu ändern, entfaltet doch dieses Straferkenntnis gegenüber dem Beschwerdeführer - der auch nicht Partei des Strafverfahrens war - keine Bindungswirkung.

2.4. Auf dem Boden des Gesagten hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und somit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

2.5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2.6. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in den in der angeführten Verordnung vorgesehenen Pauschalbeträgen für Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer mitumfasst ist (vgl. das zur Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 ergangene, aber auch bezüglich der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001 einschlägige hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2001, Zl. 2000/03/0158).

Wien, am 23. Mai 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999030144.X00

Im RIS seit

14.08.2002

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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