TE Vwgh Beschluss 2002/5/23 2001/07/0132

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Veröffentlicht am 23.05.2002
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Index

E1E;
E3D E03503000;
E3L E03503000;
E3L E15101000;
E6J;
L63001 Rinderzucht Tierzucht Burgenland;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
31985L0337 UVP-RL Art2 Abs1;
31985L0337 UVP-RL Art4 Abs4;
31990L0427 Equiden-RL;
31992D0353 Kriterien Zuchtorganisationen Equiden Art2 Abs2 lita;
31992D0354 Koordinierung Zuchtorganisationen Equiden;
61980CJ0158 Rewe Butterfahrten VORAB;
61988CJ0103 Fratelli Costanzo Spa VORAB;
61992CJ0091 Faccini Dori VORAB;
61992CJ0236 Comitato di coordinamento per la difesa della cava VORAB;
61992CJ0431 Kommission / Deutschland;
61997CJ0076 Tögel VORAB;
61997CJ0258 Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik VORAB;
61997CJ0435 World Wildlife Fund VORAB;
TierzuchtG Bgld 1995 §9 Abs3;
TierzuchtG Bgld 1995 §9 Abs5;
VwGG §38a;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2002/0002 * EuGH-Zahl: C-216/02 * Ausgesetzte Beschwerde gemäß §38 AVG iVm §62 VwGG:2001/07/0050 B 27. Juni 2002 * EuGH-Entscheidung:EuGH 62002CJ0216 11. November 2004 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2004/07/0176 B 16. Dezember 2004 VwSlg 16513 A/2004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des österreichischen Zuchtverbandes für Ponys, Kleinpferde und Spezialrassen in B, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinreich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in Wien II, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 30. April 2001, Zl. 4a-A-8881/16-2001, betreffend Anerkennung als Zuchtorganisation (mitbeteiligte Partei: Österreichischer Shetlandponyzuchtverband, W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Räumt Artikel 2 Abs. 2 lit. a der Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1992 mit Kriterien für die Zulassung bzw. Anerkennung der Zuchtorganisationen und Züchtervereinigungen, die Zuchtbücher für eingetragene Equiden führen oder anlegen, 92/353/EWG, Amtsblatt Nr. L 192 vom 11. Juli 1992, S. 0063 - 0065, einer bestehenden Zuchtorganisation (Züchtervereinigung) ein Recht ein, dass die Anerkennung einer weiteren Zuchtorganisation (einer weiteren Züchtervereinigung) von der zuständigen Behörde abgelehnt wird, wenn die Anerkennung der weiteren Zuchtorganisation (Züchtervereinigung) die Erhaltung der Rasse gefährdet oder das Funktionieren oder das Rassenverbesserungs- bzw. Selektionsprogramm einer bestehenden Organisation oder Vereinigung in Frage stellt?

2. Steht Artikel 2 Abs. 2 lit. a der in Frage 1 genannten Kommissionsentscheidung der Anwendung einer nationalen Vorschrift entgegen, welche einer bestehenden Zuchtorganisation oder Züchtervereinigung

a) in einem Verfahren zur Anerkennung einer weiteren Zuchtorganisation (Züchtervereinigung) vor der zuständigen Behörde lediglich ein Anhörungsrecht zugesteht, aber keinen Anspruch darauf, dass die Anerkennung der weiteren Organisation (Vereinigung) wegen Gefährdung der Erhaltung der Rasse oder wegen Infragestellung des Funktionierens oder des Rassenverbesserungs- bzw. Selektionsprogramms einer bestehenden Organisation oder Vereinigung verweigert wird, und

b) der bestehenden Organisation oder Vereinigung nicht das Recht einräumt, die trotz negativer Stellungnahme erfolgte Anerkennung durch die Verwaltungsbehörde beim Gericht (Verwaltungsgerichtshof) zu bekämpfen?

Begründung

I. Zum Sachverhalt:

Der Österreichische Zuchtverband für Ponys, Kleinpferde und Spezialrassen (im Folgenden: beschwerdeführende Partei) ist im Bundesland Burgenland nach den dort geltenden landesgesetzlichen Vorschriften (Burgenländisches Tierzuchtgesetz, im Folgenden: Tierzuchtgesetz) seit 14. August 1997 als Zuchtorganisation für Shetlandponys anerkannt.

Im Jahr 1997 beantragte der Österreichische Shetlandponyzuchtverband bei der Burgenländischen Landesregierung als zuständiger Verwaltungsbehörde die Anerkennung als Zuchtorganisation nach dem Tierzuchtgesetz.

In dem daraufhin eingeleiteten Verwaltungsverfahren wurde die beschwerdeführende Partei angehört. Sie sprach sich gegen die beantragte Anerkennung aus und begründete dies mit einer behaupteten Gefährdung der Erhaltung der Rasse, des Funktionierens einer bestehenden Organisation und des Rassenverbesserungs- und Selektionsprogrammes ihrer Organisation.

Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 30. April 2001 wurde der Österreichische Shetlandponyzuchtverband gemäß § 9 des Tierzuchtgesetzes als Zuchtorganisation für die Zucht von Pferden der Rasse "Shetlandpony" nach Maßgabe eines bestimmten Zuchtprogrammes, befristet auf 10 Jahre, im Bundesland Burgenland anerkannt.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde vertritt in ihrer Gegenschrift die Meinung, die beschwerdeführende Partei sei gar nicht befugt, die Anerkennung des Österreichischen Shetlandponyzuchtverbandes als Zuchtorganisation beim Verwaltungsgerichtshof zu bekämpfen, weil ihr im Verfahren zur Anerkennung des Österreichischen Shetlandponyzuchtverbandes als Zuchtorganisation keine Parteistellung und damit kein durchsetzbares Recht zukomme.

Bei der Entscheidung über die Beschwerde stellt sich somit als erstes die Frage nach der Berechtigung der beschwerdeführenden Partei zur Beschwerdeführung, die gleichzeitig auch eine Frage der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ist.

Die Beantwortung dieser Frage hängt maßgeblich davon ab, ob die beschwerdeführende Partei ein durchsetzbares Recht darauf hat, dass die Anerkennung einer neuen Zuchtorganisation verweigert wird, wenn durch eine solche Anerkennung die Erhaltung der Rasse oder das Zuchtprogramm einer bestehenden Organisation gefährdet würden.

II. Die innerstaatliche Rechtslage:

Die Anerkennung von Zuchtorganisationen ist im § 9 des Tierzuchtgesetzes geregelt.

Nach § 9 Abs. 1 des Tierzuchtgesetzes ist eine Zuchtorganisation von der Landesregierung anzuerkennen, wenn bestimmte, näher bezeichnete Voraussetzungen gegeben sind.

Von wesentlicher Bedeutung sind für den Beschwerdefall die Absätze 3 und 5 des § 9 des Tierzuchtgesetzes. Diese lauten:

"(3) Im Anerkennungsverfahren sind jene Züchtervereinigungen zu hören, deren räumlicher und sachlicher Tätigkeitsbereich sich ganz oder zum Teil mit dem in Abs. 2 Z. 5 lit. a genannten deckt.

...

(5) Bestehen bereits eine oder mehrere anerkannte Zuchtorganisationen für eine bestimmte Rasse, so hat die Landesregierung die Anerkennung einer neuen Zuchtorganisation zu verweigern, wenn dadurch die Erhaltung der Rasse oder das Zuchtprogramm einer bestehenden Organisation gefährdet werden."

Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich zwar bisher noch nie mit der Bestimmung des § 9 Abs. 3 des Tierzuchtgesetzes zu befassen. Nach seiner ständigen Rechtsprechung zu anderen Gesetzen bedeutet aber die Anordnung des Gesetzgebers, dass jemandem in einem Verwaltungsverfahren vor der Behörde (nur) das Recht der Anhörung eingeräumt wird, dass der Betreffende in diesem Verwaltungsverfahren keine (volle) Parteistellung hat. Die Parteistellung aber ist im österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht das verfahrensrechtliche Instrument zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen. Die Verneinung der Parteistellung hat zur Folge, dass der Betreffende auch keinen Anspruch auf einen bestimmten Inhalt der behördlichen Entscheidung hat und dass er in der Folge diese behördliche Entscheidung auch nicht beim Verwaltungsgerichtshof (und auch bei keinem anderen Gericht) bekämpfen kann.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass bei Zugrundelegung allein der innerstaatlichen Rechtsordnung die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei zurückgewiesen werden müsste, ohne dass die Frage geprüft werden könnte, ob durch die Anerkennung des Österreichischen Shetlandponyzuchtverbandes als Zuchtorganisation die Erhaltung der Rasse oder das Zuchtprogramm der beschwerdeführenden Partei gefährdet werden.

III. Zu den Voraussetzungen der Vorlage:

Die beschwerdeführende Partei vertritt die Auffassung, ihr komme ein vor dem Verwaltungsgerichtshof durchsetzbares Recht darauf, dass überprüft werde, ob durch die Anerkennung des Shetlandponyzuchtverbandes die Erhaltung der Rasse gefährdet und das Zuchtprogramm der beschwerdeführenden Partei gefährdet werde und dass bejahendenfalls dem Shetlandponyzuchtverband die Anerkennung als Zuchtorganisation verweigert werde, schon auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften zu.

Die beschwerdeführende Partei beruft sich dabei auf die Richtlinie 90/427/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 zur Festlegung der tierzüchterischen und genealogischen Vorschriften für den innergemeinschaftlichen Handel mit Equiden, Amtsblatt Nr. L 224 vom 18. August 1990, S. 0055 - 0059, auf die Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1992 mit Vorschriften für die Koordinierung zwischen Zuchtorganisationen und Züchtervereinigungen, die Zuchtbücher für eingetragene Equiden führen oder anlegen, 92/354/EWG, Amtsblatt Nr. L 192 vom 11. Juli 1992, S. 0066 - 0066, und auf die Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1992 mit Kriterien für die Zulassung bzw. Anerkennung der Zuchtorganisationen und Züchtervereinigungen, die Zuchtbücher für eingetragene Equiden führen oder anlegen, 92/353/EWG, Amtsblatt Nr. L 192, vom 11. Juli 1992, S. 0063 - 0065.

Aus der Richtlinie 90/427/EWG und aus der Entscheidung der Kommission 92/354/EWG ist nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes für den Standpunkt der beschwerdeführenden Partei nichts zu gewinnen. Hingegen ist nicht auszuschließen, dass die beschwerdeführende Partei ihren Standpunkt zu Recht auf die Entscheidung 92/353/EWG stützen kann, ohne dass dies aber mit der erforderlichen Klarheit festzustellen ist.

Die gestellten Fragen sind für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wesentlich, Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu diesen Fragen fehlen, soweit ersichtlich, und die anzuwendenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts sind, was die Beantwortung dieser Fragen anlangt, unklar.

Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art. 234 EG, also ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.

IV. Zu den Fragen:

1. Zu Frage 1:

Artikel 2 der Entscheidung der Kommission 92/353/EWG lautet:

"(1) Die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats sind gehalten, Organisationen oder Vereinigungen, die Zuchtbücher führen oder anlegen, amtlich zuzulassen bzw. anzuerkennen, sofern sie den Kriterien im Anhang genügen.

(2) Die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, in dem für eine gegebene Rasse bereits eine oder mehrere Organisationen oder Vereinigungen amtlich zugelassen bzw. anerkannt sind, können die Anerkennung einer weiteren Organisation oder Vereinigung jedoch ablehnen,

a) wenn diese die Erhaltung der Rasse gefährdet oder das Funktionieren oder das Rassenverbesserungs- bzw. Selektionsprogramm einer bestehenden Organisation oder Vereinigung in Frage stellt, oder

b) wenn die dieser Rasse zugehörigen Equiden in einem bestimmten Abschnitt eines Zuchtbuchs eingeschrieben oder eingetragen werden können, das von einer Organisation oder Vereinigung geführt wird, die insbesondere hinsichtlich dieses Abschnitts die von der Organisation oder Vereinigung, die das Zuchtbuch über den Ursprung der Rasse führt, gemäß Punkt 3 Buchstabe b) des Anhangs aufgestellten Grundsätze einhält."

Die Entscheidung der Kommission 92/353/EWG ist nach ihrem

Artikel 4 an alle Mitgliedstaaten gerichtet.

Unter denselben Bedingungen wie bei Richtlinien hat die Rechtsprechung des EuGH seit dem Urteil vom 6. Oktober 1970 in der Rechtssache Rs 9/71 (Grad, Slg. 1970, 825), in den Fällen einer an die Mitgliedstaaten gerichteten Entscheidung es für zulässig gehalten, dass sich Einzelpersonen unmittelbar gegenüber nationalen Behörden und Gerichten auf solche Entscheidungen berufen.

Der Berufung der beschwerdeführenden Partei auf die Entscheidung der Kommission 92/353/EWG könnten aber folgende Umstände entgegenstehen:

a) Eine der Voraussetzungen dafür, dass sich ein Einzelner unmittelbar auf eine Richtlinie berufen kann, ist nach der Rechtsprechung des EuGH, dass die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind (vgl. das Urteil des EuGH vom 23. Februar 1994 in der Rechtssache C-236/92, Comitato di coordinamento per la difesa della cava u.a., Slg. 1994, I-483), dass also dem Mitgliedstaat kein - größerer - Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung der Richtlinie zur Verfügung steht.

Gleiches muss wohl auch für Entscheidungen gelten.

Nun heißt es aber in Artikel 2 Abs. 2 der Entscheidung der Kommission 92/353/EWG, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates die Anerkennung einer weiteren Organisation oder Vereinigung ablehnen können, wenn diese die Erhaltung der Rasse gefährdet oder das Funktionieren oder das Rassenverbesserungs- bzw. Selektionsprogramm einer bestehenden Organisation oder Vereinigung in Frage stellt. Die Verwendung des Wortes "können" könnte bedeuten, dass es in das Belieben der Mitgliedstaaten gestellt ist, ob sie bei Vorliegen der Voraussetzungen des Artikels 2 Abs. 2 lit. a der Entscheidung der Kommission 92/353/EWG eine Ablehnung der Anerkennung vorsehen oder nicht und dass es daher den Mitgliedstaaten auch frei gestellt sei, zwar eine solche Ablehnung vorzusehen, aber niemandem ein Recht darauf einzuräumen, dass diese Ablehnung auch ausgesprochen wird. In diesem Fall wäre eine unmittelbare Berufung der beschwerdeführenden Partei auf die Entscheidung wohl ausgeschlossen.

Diese Auslegung ist aber nicht zwingend.

Zum einen muss die Verwendung des Wortes "können" nicht zwingend bedeuten, dass dem Mitgliedstaat ein Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, ob er bei Gefährdung der Rasse oder bei Infragestellung des Funktionierens oder des Rassenverbesserungs- bzw. Selektionsprogramms einer bestehenden Organisation oder Vereinigung eine Anerkennung versagt oder nicht.

Auch könnte ein allenfalls durch das Wort "können" scheinbar eingeräumter Gestaltungsspielraum durch andere Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts wieder zunichte gemacht werden. Es wird in diesem Zusammenhang auf das Urteil des EuGH vom 16. September 1999 in der Rechtssache C-435/97 (Flughafen Bozen, Slg. 1999 S. I- 05613) hingewiesen, in welchem der Gerichtshof das den Mitgliedstaaten nach Artikel 4 Abs. 4 der Richtlinie 85/337 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten scheinbar eingeräumte weite Ermessen als durch

Artikel 2 Abs. 1 der Richtlinie begrenzt erklärt hat.

Selbst wenn man aber in der Anordnung des Artikel 2 Abs. 2 der mehrfach zitierten Entscheidung der Kommission einen Gestaltungsspielraum für die Mitgliedstaaten erblickte, erhebt sich die Frage, ob es mit gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist, dass ein Mitgliedstaat diesen Gestaltungsspielraum in der Weise ausfüllt, dass er die Verweigerung der Anerkennung vorsieht, gleichzeitig aber betroffenen Organisationen keinen durchsetzbaren Anspruch auf diese Verweigerung einräumt.

b) Artikel 2 Abs. 2 lit. a der Entscheidung der Kommission 92/353/EWG könnte auch so gedeutet werden, dass selbst bei unmittelbarer Anwendbarkeit dieser Bestimmung aus ihr kein durchsetzbares Recht einer bestehenden Zuchtorganisation oder Züchtervereinigung abzuleiten ist, sondern dass die Umsetzung dieser Bestimmung allein den Behörden überantwortet ist. Fraglich scheint die Ableitbarkeit eines durchsetzbaren Rechts für eine bestehende Zuchtorganisation hinsichtlich des Tatbestandes der Gefährdung der Erhaltung der Rasse, weil hier kein unmittelbarer Zusammenhang mit den Interessen bestehender Züchterorganisationen zu bestehen scheint.

c) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine weitere Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit einer Richtlinienbestimmung (und damit wohl auch einer Entscheidung), dass sie eine den Einzelnen gegenüber dem Staat begünstigende Regelung enthalten muss. Hingegen kann eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Bürger begründen, sodass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist. Eine Richtlinie ist daher nicht unmittelbar anwendbar, wenn sie auf den einzelnen Bürger belastend wirkt, und zwar auch dann nicht, wenn sie gleichzeitig einen anderen Bürger begünstigt (Urteil des EuGH vom 14. Juli 1999 in der Rechtssache C- 91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325).

Artikel 2 Abs. 2 lit. a der Entscheidung der Kommission 92/353/EWG enthält aber - wenn überhaupt - nicht nur eine Begünstigung (einen Schutz) für bestehende Zuchtorganisationen (Züchtervereinigungen), sondern scheint auch eine Belastung für eine Zuchtorganisation (eine Züchtervereinigung) zu enthalten, die die Anerkennung als Zuchtorganisation (Züchtervereinigung) anstrebt. Dies deswegen, weil es ihr bei Zutreffen der Voraussetzungen des Artikel 2 Abs. 2 lit. a der Kommissionsentscheidung verwehrt ist, diese Anerkennung zu erhalten.

Ob es sich bei einer "Belastung" dieser Art allerdings um eine "Verpflichtung für einen Bürger" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH handelt, ist nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH nicht mit Sicherheit abzuleiten.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass der EuGH offenbar indirekte belastende Richtlinienwirkungen für denkbar hält. So wurde in der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofes die unmittelbare Anwendbarkeit von Bestimmungen der UVP-Richtlinie bejaht (Urteil des EuGH vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-431/92, Kommission/Deutschland, Slg. 1995, I-2189), obwohl die Berücksichtigung der Ergebnisse einer Umweltverträglichkeitsprüfung für den Betreiber eines Projektes durchaus von Nachteil sein kann.

Weiters hat der EuGH im Urteil vom 22. Juni 1989 in der Rechtssache 103/88, Fratelli Costanzo, Slg. 1989/1839, die unmittelbare Anwendung einer Bestimmung einer Vergaberichtlinie für geboten erachtet, obwohl ein Mitbewerber, dem zunächst der Zuschlag erteilt worden war, auf Grund der Anwendung der Richtlinie doch nicht zum Zug kam und die Kosten des Anbots zu tragen hatte.

2. Zu Frage 2:

Frage 2 betrifft das Problem, inwieweit durch das Gemeinschaftsrecht (auch) in nationales Verfahrensrecht und nationale Zuständigkeitsbestimmungen eingegriffen wird.

§ 9 Abs. 3 des Tierzuchtgesetzes trifft mit der verfahrensrechtlichen Bestimmung, dass bestehende Zuchtorganisationen (Züchtervereinigungen) Anhörungsrechte haben, gleichzeitig auch eine Entscheidung darüber, dass diese Organisationen keinen Anspruch auf eine bestimmte inhaltliche Entscheidung der Behörde haben und auch keine Möglichkeit, die Entscheidung der Behörde beim Gericht (Verwaltungsgerichtshof) überprüfen zu lassen.

Eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des österreichischen Rechts dahin gehend, dass anerkannten Zuchtorganisationen im Verfahren zur Anerkennung einer weiteren Zuchtorganisation Parteistellung und damit ein durchsetzbarer Anspruch zuerkannt wird, ist angesichts der Eindeutigkeit des § 9 Abs. 3 des Tierzuchtgesetzes nicht möglich. Ein durchsetzbarer Anspruch einer bestehenden Züchterorganisation, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Artikels 2 Abs. 2 lit. a der Kommissionsentscheidung einer weiteren Züchterorganisation die Anerkennung verweigert wird, wäre nur zu erzielen, wenn die Anwendung des § 9 Abs. 3 des Tierzuchtgesetzes durch Artikel 2 Abs. 2 lit. a der Kommissionsentscheidung verdrängt würde.

Nun wird aber in der österreichischen rechtswissenschaftlichen Literatur (Frank, Gemeinschaftsrecht und staatliche Verwaltung, 414 f) unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 7. Juli 1981 in der Rechtssache 158/80, REWE-Handelsgesellschaft Nord m.b.H. u.a., Slg. 1981 I-1805) die Auffassung vertreten, die Frage, ob Rechte, die dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht zustehen, innerstaatlich durchsetzbar sind, sei ausschließlich nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats zu beurteilen, soweit nicht besondere Sekundärrechtsvorgaben bestehen. Den Mitgliedstaaten sei die Aufgabe gestellt, den gemeinschaftsrechtlich vorgeprägten Rechtspositionen eine Klagebefugnis zur Seite zu stellen. Geschehe dies nicht, so setze sich der Mitgliedstaat dem Risiko eines Vertragsverletzungsverfahrens aus. Die jeweilige - gemeinschaftsrechtlich gewährleistete - Rechtsposition sei jedoch selbst nicht unmittelbar anwendbar in dem Sinn, dass es dem Einzelnen möglich wäre, sich bei behaupteten Rechtsverletzungen unmittelbar an eine staatliche Behörde zwecks Abhilfe zu wenden. Dies folge daraus, dass dem Gemeinschaftsrecht in der Regel keine Determinanten hinsichtlich jenes staatlichen Organs zu entnehmen seien, das berufen sei, die einschlägigen Normen des Gemeinschaftsrechts zu vollziehen. Insoweit könne vielmehr von einer "Autonomie" der Mitgliedstaaten gesprochen werden.

Dies läuft darauf hinaus, dass Gemeinschaftsrecht die Anwendung innerstaatlicher Verfahrens- und Zuständigkeitsbestimmungen nicht verdrängen könne.

Denkt man diesen Gedanken konsequent zu Ende, könnte dies bedeuten, dass selbst dann, wenn Artikel 2 Abs. 2 lit. a den bestehenden Züchterorganisationen ein Recht auf Einhaltung dieser Bestimmung einräumt, dieses Recht nicht durchsetzbar wäre, weil der österreichische Gesetzgeber die Verfahrensposition der bestehenden Züchtervereinigungen und Zuchtorganisationen durch Einräumung eines bloßen Anhörungsrechtes so gestaltet hat, dass sie den Verwaltungsgerichtshof nicht anrufen können. Mit anderen Worten, es gäbe demnach keinen Anwendungsvorrang des Artikels 2 Abs. 2 lit. a der Kommissionsentscheidung gegenüber dem § 9 Abs. 3 des Tierschutzgesetzes.

Ein solches Ergebnis scheint dem Verwaltungsgerichtshof aber unbefriedigend und weder aus der bereits erwähnten Rechtsprechung noch aus den Urteilen des EuGH vom 24. September 1998 in der Rechtssache C-76/97 (Tögel, Slg. 1998, I-5357, und vom 4. März 1999 in der Rechtssache C-258/97 (Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik Planungs-Gesellschaft m.b.H., Slg. 1999, I- 1405) ableitbar. Nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes kann zwar die Statuierung eines Rechtsanspruches des Einzelnen im Gemeinschaftsrecht nicht dazu führen, dass dadurch auch die Zuständigkeit eines innerstaatlich schon dem Grunde nach für solche Ansprüche nicht zuständigen Gerichtes begründet wird. Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Vielmehr wird durch das innerstaatliche Recht lediglich die Anrufung des für Ansprüche der in Rede stehenden Art grundsätzlich zuständigen Verwaltungsgerichtshofes durch die Beschränkung des Betroffenen auf eine bloße Anhörung im Verwaltungsverfahren ausgeschlossen.

Gemäß Artikel 234 EG waren daher die im Spruch formulierten Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Wien, am 23. Mai 2002

Gerichtsentscheidung

EuGH 61988CJ0103 Fratelli Costanzo Spa VORAB
EuGH 61997CJ0076 Tögel VORAB
EuGH 61997CJ0258 Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik VORAB
EuGH 61992CJ0091 Faccini Dori VORAB
EuGH 61980CJ0158 Rewe Butterfahrten VORAB
EuGH 61992CJ0236 Comitato di coordinamento per la difesa della
cava VORAB
EuGH 61997CJ0435 World Wildlife Fund VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001070132.X00

Im RIS seit

01.08.2002

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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