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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der F J & M J KG in W, vertreten durch Dr. Peter Zöllner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausplatz 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 12. Oktober 2001, Zl. WA1-W-41.139/2-01, betreffend Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B (der Erstbehörde) vom 12. April 2001 war die beschwerdeführende Partei verpflichtet worden, auf dem Areal der gewerblichen Betriebsanlage in L folgende Maßnahmen unverzüglich durchzuführen:
"1. Das Teichwasser des in der nordöstlichen Ecke des Betriebsareales angelegten Teiches zur Sammlung der Oberflächenwässer ist durch eine Fachfirma abzupumpen und nachweislich bei einer Entsorgungsanstalt zu entsorgen.
2. Die massiven Bodenkontaminationen vor der Betriebshalle sind mechanisch und chemisch durch eine Fachfirma zu entfernen.
3. Die entsprechenden Nachweise über die Entsorgung des Teichwassers und des angefallenen ölkontaminierten Reinigungsmateriales sind der Wasserrechtsbehörde der BH B vorzulegen.
4. Die Abpump- und Reinigungsarbeiten sind der technischen Gewässeraufsicht mind. 3 Tage vorher telefonisch (...) bekannt zu geben.
5. Sämtliche Fahrzeuge, aus deren Zustand mit Verunreinigungen durch Mineralöl zu rechnen ist, (insbesondere die 2 Bagger und die 2 LKWs, die im Zuge der Überprüfung vom 9. April 2001 beanstandet wurden), dürfen nicht verwendet werden und sind zu entfernen.
Die aufschiebende Wirkung einer Berufung wird ausgeschlossen, d. h. der Bescheid kann trotz einer Berufung vollstreckt werden."
Die von der beschwerdeführenden Partei gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 19. Juni 2001 abgewiesen.
Mit Schreiben vom 6. Juli 2001 drohte die Erstbehörde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 4 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 - VVG die Ersatzvornahme der ihr aufgetragenen Maßnahmen an.
In der Folge holte die Erstbehörde drei Kostenvoranschläge bzw. Anbote betreffend die Durchführung der mit vorgenanntem Bescheid vom 12. April 2001 aufgetragenen Maßnahmen im Weg der Ersatzvornahme ein.
Die technische Gewässeraufsicht der Erstbehörde nahm am 23. Juli 2001 eine örtliche Überprüfung vor und stellte dabei fest, dass dem Bescheid vom 12. April 2001 in keinem Punkt entsprochen worden sei.
Mit Bescheid vom 21. August 2001 trug die Erstbehörde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 4 VVG auf, als Vorauszahlung für die Kosten der ihr mit Schreiben vom 6. Juli 2001 angedrohten Ersatzvornahme S 780.000,-- (EUR 56.684,81) innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides bei der Erstbehörde zu hinterlegen. Begründend führte die Erstbehörde im Wesentlichen aus, dass die beschwerdeführende Partei zu den im Bescheid vom 12. April 2001 angeführten Leistungen verpflichtet worden sei, eine Überprüfung durch die technische Gewässeraufsicht der Erstbehörde ergeben habe, dass dem Bescheid vom 12. April 2001 trotz Androhung der Ersatzvornahme unter Setzung einer Nachfrist nicht entsprochen worden sei, und daher die Vorauszahlung der Kosten für die Ersatzvornahme vorzuschreiben gewesen sei, wofür drei Kostenvoranschläge einschlägiger Fachunternehmen eingeholt worden seien.
Die beschwerdeführende Partei berief.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 2001 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass Grundlage für die Höhe des im erstinstanzlichen Bescheid vom 21. August 2001 festgesetzten Betrages das billigste Anbot der Firma K. vom 5. Juli 2001 in der Höhe von S 780.000,-- (inklusive 20 % MwSt.) gewesen sei. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung habe die beschwerdeführende Partei sinngemäß vorgebracht, dass die Vorschreibung des Betrages mit S 780.000,-- bei weitem überhöht wäre, weil nicht das gesamte Teichwasser abgepumpt werden müsste, jedenfalls die Kosten für die Ersatzvornahme wesentlich überhöht wären und diesbezüglich noch ein Kostenvoranschlag vorgelegt werden würde. Das Vorbringen, dass nicht notwendigerweise das gesamte Teichwasser abgepumpt werden müsste, richte sich gegen die Rechtmäßigkeit des Titelbescheides, der im Vollstreckungsverfahren nicht mehr geprüft werden könne. Dem Vorbringen, die Vorschreibung eines Betrages von S 780.000,-- wäre überhöht, sei entgegenzuhalten, dass den Verpflichteten die Beweislast für die Behauptung der preislichen Unangemessenheit einer Kostenvorauszahlung treffe und er also konkrete Umstände angeben müsse, die seiner Auffassung nach geeignet wären, die Unrichtigkeit der Annahme der Behörde über die Höhe der Kostenschätzung darzutun. Eine Verpflichtung der Behörde, eine Ersatzvornahme für die beschwerdeführende Partei "so kostengünstig als möglich" zu gestalten, könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Wenn sich die Erstbehörde bemüht habe, durch Einholung mehrerer Kostenvoranschläge das voraussichtliche Mindestmaß des Vollstreckungsaufwandes (hier für die Durchführung einer Ersatzvornahme) festzustellen, sei ein weiteres Ermittlungsverfahren nicht erforderlich, wenn der Verpflichtete selbst keine geeigneten, die Unrichtigkeit der Annahme der Behörde dartuenden konkreten Umstände, allenfalls durch Vorlage von entsprechenden Kostenvoranschlägen, darlege. Die Erstbehörde als Vollstreckungsbehörde habe von drei eingeholten Kostenvoranschlägen von Fachunternehmen das billigste Anbot dem Kostenvorauszahlungsauftrag zu Grunde gelegt, und es sei bis zum heutigen Tag kein Kostenvoranschlag, wie in der Berufung angekündigt, der Behörde vorgelegt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die beschwerdeführende Partei bringt im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei keine Gelegenheit geboten habe, konkrete Umstände anzugeben, die ihrer Auffassung nach geeignet gewesen seien, die Unrichtigkeit der Annahme der Erstbehörde über die Höhe der Kostenschätzung darzutun. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die beschwerdeführende Partei vom Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens zu verständigen und ihr zumindest das dem Kostenvorauszahlungsauftrag zu Grunde gelegte Anbot der Firma K. zu übermitteln, was die belangte Behörde jedoch unterlassen habe. Bei Kenntnis dieses Anbots wäre es der beschwerdeführenden Partei möglich gewesen, zu überprüfen, ob die in diesem Anbot angeführten Arbeiten überhaupt zur Durchführung der mit Bescheid vom 12. April 2001 aufgetragenen Maßnahmen geeignet bzw. erforderlich seien, und eine Überprüfung der Höhe der vorgeschriebenen Kostenvorauszahlung wäre überhaupt erst möglich gewesen, wenn die beschwerdeführende Partei Kenntnis von den diese Kosten verursachenden Arbeiten gehabt hätte. Im Hinblick darauf sei das Verfahren mangelhaft geblieben.
Die belangte Behörde legte den Akt des Berufungsverfahrens vor, verwies im Übrigen auf die Vorlage des Aktes der Erstbehörde im hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2001/07/0109 und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann die mangelnde Leistung, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden. Nach § 4 Abs. 2 leg. cit. kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, zu § 4 VVG E 169 ff zitierte Judikatur) trifft, wenn die voraussichtlichen Kosten einer Ersatzvornahme im Wege einer "amtlichen Kostenschätzung" ermittelt werden, die Beweislast für die Behauptung der preislichen Unangemessenheit dieser Kosten den Verpflichteten. Die amtliche Kostenschätzung muss jedoch so aufgeschlüsselt sein, dass dem Verpflichteten die Möglichkeit der Überprüfung und damit der Konkretisierung der preislichen Unangemessenheit eingeräumt wird. Bei der Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit eines Kostenvorauszahlungsauftrages kommt dem Umstand, dass dem Verpflichteten durch "nähere Aufschlüsselung der geschätzten Kosten" im Zug des Rechtsmittelverfahrens bekannt ist, aus welchen Teilbeträgen sich die zu entrichtende Vorauszahlung der voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme zusammensetzt, rechtliche Bedeutung zu, wobei sich die "konkret vorzunehmenden Maßnahmen" jedoch nicht aus der Begründung des Bescheides ergeben müssen.
Zutreffend macht die beschwerdeführende Partei geltend, dass das Verwaltungsverfahren mangelhaft geblieben ist, weil ihr das von den Vollstreckungsbehörden zu Grunde gelegte Anbot (Leistungsverzeichnis) nicht zur Kenntnis gebracht wurde. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die Erstbehörde zwar drei detaillierte Kostenvoranschläge (bzw. Anbote) eingeholt, von denen jener der Firma K. über S 780.000,-- der kostengünstigste ist. Den vorgelegten Verwaltungsakten kann jedoch nicht entnommen werden, dass der beschwerdeführenden Partei von der Erstbehörde oder der belangten Behörde einer dieser Kostenvoranschläge zur Kenntnis gebracht und dazu Parteiengehör eingeräumt wurde oder diese Kostenschätzung in sonstiger Weise gegenüber der beschwerdeführenden Partei aufgeschlüsselt wurde. Wenn die belangte Behörde darauf hinweist, dass die beschwerdeführende Partei den von ihr in ihrer Berufung angekündigten Kostenvoranschlag nicht vorgelegt habe, und sie in ihrer Gegenschrift vorbringt, dass eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs im erstinstanzlichen Verfahren durch die Möglichkeit des Vorbringens in der Berufung saniert sei, so ist es zwar richtig, dass fehlendes Parteiengehör im Verfahren erster Instanz durch Berufung saniert werden kann, nur konnte dies die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei deshalb nicht mit Erfolg entgegenhalten, weil dieser, wie dargelegt, durch den erstinstanzlichen Bescheid der Inhalt des Leistungsverzeichnisses nicht zur Kenntnis gebracht worden war und somit die Begründung dieses Bescheides nicht ausgereicht hatte, um die beschwerdeführende Partei - ohne Kenntnis des Leistungsverzeichnisses - in die Lage zu versetzen, entsprechend hiezu Stellung zu nehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Dezember 1999, Zl. 99/06/0066, mwN). In diesem Zusammenhang wird in Bezug auf das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, dass "ihrer Erinnerung nach" die beschwerdeführende Partei in ihrer Berufung die Unkenntnis des Inhaltes des Kostenvoranschlages des Billigstbieters nicht geltend gemacht habe, darauf hingewiesen, dass sich die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 21. August 2001 weder in dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren vorgelegten Verwaltungsakt noch in dem im hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2001/07/0109 vorgelegten Verwaltungsakt findet. Abgesehen davon hätte die belangte Behörde im Hinblick auf das von ihr im angefochtenen Bescheid zitierte Berufungsvorbringen der beschwerdeführenden Partei, wonach diese die Höhe der vorgeschriebenen Kosten bekämpfte, dieser den Inhalt des herangezogenen Kostenvoranschlages zur Kenntnis bringen und dazu Parteiengehör einräumen müssen.
Da dies von der belangten Behörde unterlassen wurde, ist ihr ein wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. Mai 2002
Schlagworte
Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und Mutwillensstrafen Verhältnis zu anderen Materien Normen VStGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001070183.X00Im RIS seit
22.07.2002