Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des JM in G, vertreten durch Dr. Friedrich Piffl-Percevic, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 29. November 2001, Zl. UVS-303.10-5/2001-11, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen und des erstinstanzlichen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 9. Juli 2001 wurde dem Beschwerdeführer im Punkt 1. zur Last gelegt, er habe am 22. Oktober 1999, um 3.20 Uhr, in St. A., auf der Zufahrtsstraße zur Bar C. in St. A. Nr 84 den PKW ...
"in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sich nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organes der Straßenaufsicht geweigert, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet werden konnte, dass Sie sich beim Lenken in einem alkoholbeeinträchtigten Zustand befunden habe. Die Verweigerung erfolgte am 22.10.1999, um 4.20 Uhr, in St. A... Nr ... ."
Über den Beschwerdeführer wurde wegen Verletzung des § 99 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 18.000,-- (18 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde abgewiesen und der Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz wie folgt präzisiert:
"Sie haben sich geweigert, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl sie verdächtig waren, den PKW, behördliches Kennzeichen ... am 22.10.1999 um ca. 03.20 Uhr auf der Zufahrtsstraße zur Bar C... in ... St. A... Nr ... in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Die Verweigerung erfolgte am 22.10.1999 um 4.20 Uhr in St. A... Nr ... ."
Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer nicht bestritten habe, alkoholisiert gewesen zu sein. Es sei festgestellt worden, dass die Beamten vor Aufforderung zur Ablegung des Alkotestes den Beschwerdeführer im Verdacht gehabt hätten, sein Fahrzeug auf dem Zufahrtsweg zur Bar C. gelenkt zu haben. Der Meldungsleger RI D. habe konkrete Anhaltspunkte für diesen Verdacht nennen können. Insbesondere die Beobachtung der Zeugin I.F., dass der Beschwerdeführer zurück ins Lokal gekommen sei, nachdem er dieses kurz zuvor verlassen hätte, und angegeben habe, dass er "mit dem Fahrzeug abgestürzt sei" und dass sie diese Mitteilung den erhebenden Beamten BI M. und RI D. bei ihren Eintreffen gemacht habe und das Fahrzeug tatsächlich seitlich des Zufahrtsweges bei Eintreffen der Beamten gestanden sei, ließen die Vermutung, dass der Berufungswerber selbst sein Fahrzeug gelenkt habe, zu. Relevante Beweismittel, die diesen Verdacht zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Alkotest widerlegen hätten können, habe der Beschwerdeführer nicht angeboten, da die bloße Bestreitung der Lenkereigenschaft zum Zeitpunkt der Aufforderung nicht ausreichend erscheine. Eine Verbesserung des Spruches des Straferkenntnisses erster Instanz hätte deshalb zu erfolgen gehabt, da ein Beweisverfahren, ob und wann der Berufungswerber sein Fahrzeug tatsächlich am Zufahrtsweg zur Bar C. gelenkt habe, nicht durchgeführt worden sei. Dies sei auch nicht notwendig gewesen, da für die Aufforderung, einen Alkotest abzulegen, gemäß § 5 Abs. 2 StVO der Verdacht ausreiche. Der Vorhalt des Lenkens schließe jedoch den bloßen Verdacht des Lenkens mit ein.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 2 StVO, BGBl. Nr. 159/1960 i.d.F. BGBl. Nr. 518/1994, sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand
1.
ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder
2.
als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben,
auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO i.d.F. BGBl. I Nr. 92/1998 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 16.000,-- bis S 80.000,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,
"b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht."
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass es für die Vollziehung des § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO (erster Fall) nicht genügt, dass nur ein völlig abstrakter Verdacht vorliege. Das Straferkenntnis habe sich damit begnügt, festzustellen, dass eine Verweigerung am 22. Oktober 1999 um 4.20 Uhr erfolgt sei. Ein wesentliches Ergebnis des Beweisverfahrens, die Aussage des U.B. (der aussagte, dass der Beschwerdeführer bereits am Vortag um 22 Uhr um Abschlepphilfe für das abgestürzte Kraftfahrzeug ersucht habe) sei im erstinstanzlichen Straferkenntnis nicht berücksichtigt worden. Die belangte Behörde habe diesen Mangel richtig erkannt und habe eine "'Präzisierung' des Spruches durch Aufnahme einer genauen Uhrzeit vor der Verweigerung, nämlich um
3. Uhr 20, bescheidmäßig" vorgenommen. Diese Vorgangsweise der belangten Behörde sei gesetzwidrig, da sie eine reformatio in peius darstelle. Es liege eine gänzliche Neufassung des Bescheidinhaltes vor. Es werde deshalb auch Verjährung eingewendet.
Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden. Im erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, am 22. Oktober 1999 um 3.20 Uhr in dem näher angegebenen Ort auf der Zufahrtsstraße zur angeführten Bar den näher bezeichneten PKW in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Spruchteil insofern abgeändert, als nur mehr vom Verdacht gesprochen wird, dass der Beschwerdeführer um ca. 3.20 Uhr auf der angeführten Straße in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Gemäß der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 14. November 1997, Zl. 97/02/0431) schließt der Vorwurf des Lenkens im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO den bloßen Verdacht des Lenkens in sich. Durch die diesbezügliche Änderung des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses durch die belangte Behörde ist der Beschuldigte weder in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt noch der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt. Es kann daher auch keine Rede davon sein, dass aus diesem Grunde Verjährung gemäß § 31 Abs. 1 VStG eingetreten wäre.
Für die verfahrensgegenständliche Verwaltungsübertretung der Verweigerung der Ablegung des Alkotestes kommt es für die im Spruch gebotene Tatumschreibung im Übrigen auf Zeit und Ort der Verweigerung des Alkotests an und nicht auf Zeit und Ort des vorangegangenen Lenkens. Dies gilt auch im Falle des bloßen Verdachtes des Lenkens im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO (vgl. das bereits angeführte hg. Erkenntnis Zl. 97/02/0431). Dass zwischen dem tatsächlichen Zeitpunkt, auf den sich der Verdacht des Lenkens bezog (hier: 3.20 Uhr des 22. Oktober 1999), und der Aufforderung (4.20 Uhr dieses Tages) jedenfalls lediglich ein solcher zeitlicher Abstand bestand, dass noch ein praktisches Ergebnis der Atemluftprobe erwartet werden durfte, wird vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt.
Der Beschwerdeführer hält weiters die Beweiswürdigung der Behörde deshalb für gesetzwidrig, weil die Zeugenaussage des U.B., der ausgesagt habe, der Beschwerdeführer habe bereits am Vortag um 22 Uhr um Abschlepphilfe ersucht, nicht berücksichtigt worden sei (sodass der Beschwerdeführer den fraglichen PKW ca. mehr als 6 Stunden vor der Aufforderung zum Alkotest zuletzt gelenkt hätte).
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass maßgeblich ist, ob die einschreitenden Beamten im Zeitpunkt ihres Einschreitens zu Recht den Verdacht haben konnten, der Beschwerdeführer habe um
3.20 Uhr des 22. Oktober 1999 den PKW in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2001, Zl. 2000/03/0348). Nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid habe der Meldungsleger konkrete Anhaltspunkte für diesen Verdacht nennen können, insbesondere durch die Beobachtung der Zeugin I.F. (der Kellnerin des Lokales), dass der Beschwerdeführer ins Lokal zurückgekommen sei, nachdem er dieses kurz zuvor verlassen habe und er angegeben habe, dass er mit dem Fahrzeug abgestürzt sei und sie diese Mitteilung den erhebenden Beamten bei ihrem Eintreffen gemacht habe. Weiters sei das Fahrzeug bei Eintreffen der Beamten tatsächlich seitlich des Zufahrtsweges gestanden. Auf Grund dieser Feststellungen konnten die einschreitenden Beamten nach Auffassung der belangte Behörde den Verdacht haben, dass der Beschwerdeführer ca. um 3.20 Uhr des 22. Oktober 1999 sein Fahrzeug selbst gelenkt habe. Diese Beweiswürdigung der belangten Behörde kann nicht als unschlüssig erkannt werden.
Wenn der Beschwerdeführer auch rügt, dass weder die erhebenden Beamten, noch die Zeugin I.F. noch sonst irgend jemand direkte Wahrnehmungen darüber gemacht habe, dass der Beschwerdeführer um 3.20 Uhr oder in der Zeit nach 22 Uhr gefahren sei, ist noch einmal im Besonderen darauf zu verweisen, dass es im Fall des § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO nur darum geht, ob zutreffend ein Verdacht angenommen wurde, dass der Beschwerdeführer zu einer bestimmten Zeit sein Auto in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat sich die belangte Behörde - wie dargelegt - auf entsprechende Beweise gestützt, dass der diesbezügliche Verdacht der Beamten gerechtfertigt gewesen ist. Der bereits im erstinstanzlichen Straferkenntnis enthaltenen Feststellung, die Meldungsleger hätten beim Beschwerdeführer Alkoholisierungsmerkmale wahrgenommen, ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten. Es kann daher keine Rede davon sein, dass im vorliegenden Fall der Verdacht des Lenkens des näher angeführten Kraftfahrzeuges durch den Beschwerdeführer um 3.20 Uhr des 22. Oktober 1999 nur rein abstrakt angenommen worden sei.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Wien, am 23. Mai 2002
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Alkotest Verweigerung Alkotest Zeitpunkt Ort Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Spruch der Berufungsbehörde (siehe auch AVG §66 Abs4 Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides) Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten InstanzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002030041.X00Im RIS seit
14.08.2002