TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/23 99/09/0013

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Veröffentlicht am 23.05.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §37;
HVG §2 Abs1;
HVG §4 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. Klaus Fürlinger, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Ferihumerstraße 31, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 27. November 1998, Zl. OB.: 410-455011-009, betreffend Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1976 geborene Beschwerdeführer leistete als einjährig Freiwilliger vom 2. Oktober 1995 bis 30. September 1996 ordentlichen Präsenzdienst beim Österreichischen Bundesheer. Am 22. Mai 1996 stürzte er auf dem Truppenübungsplatz Hochfilzen während einer Miliz-Kommandanten-Übung mit einem Panzerabwehrrohr (PAR 66/79) und erlitt hiebei eine Gesundheitsschädigung. Im Zuge einer neuerlichen Stellung wurde der Beschwerdeführer danach für untauglich erklärt.

Mit Antrag vom 10. November 1996 begehrte der Beschwerdeführer die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Heeresversorgungsgesetz. Er bezeichnete darin seine Gesundheitsschädigung (entsprechend einem mittels Magnetresonanztomographie erstellten Befundes über seine LWS vom 18. September 1996) mit "Osteochondrose der Bandscheiben L4/5 und L5/S1 mit Protrusion bei L4/5 mit großem mediorechtslateralem Prolaps bei L5/S1". Hinsichtlich des für diese Gesundheitsschädigung ursächlichen schädigenden Ereignisses verwies der Beschwerdeführer auf die beiliegenden Niederschriften.

Der Beschwerdeführer hat in seiner niederschriftlichen Befragung am 25. September 1996 Folgendes angegeben:

"Die ersten Wirbelsäulenbeschwerden traten am 22.5.1996 in Hochfilzen bei einer Miliz-Einheitskommandanten-Übung auf. Ich war als Richtschütze des PAR 66/79 eingeteilt und musste zum Stellung beziehen und zum Erreichen des Ausgangspunktes ca. 4 bis 5 km mit dem PAR laufen. Beim ersten Beziehen der Stellungen bin ich ausgerutscht bzw. mussten wir für ein paar Minuten eine Rundumsicherung aufbauen; als ich aufstehen wollte, bin ich ausgerutscht und mit dem PAR 66/79 gestürzt. Hier verspürte ich zum ersten Mal Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, bin jedoch weiterhin PAR-Richtschütze geblieben. Nur beim Beziehen des Ausgangspunktes gab ich das PAR dem Kameraden L ab. Da die Rückenschmerzen nicht stark waren, bin ich nicht zum Arzt gegangen. Nach drei Wochen hatte ich keine Beschwerden mehr. Nur bei längerem Laufen verspürte ich manchmal Schmerzen. Am 17. August traten die Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule wieder auf. In der ersten Septemberwoche suchte ich den Truppenarzt in Langenlebarn, Fliegerhorst, B auf. Dieser verschrieb mir eine Salbe und Tabletten. Nach andauernden Beschwerden bin ich am 18.9.1996 ins HSP Wien geschickt worden. Am 20.9.1996 wurde mir mitgeteilt, dass ein Bandscheibenvorfall vorliegt. Vom 2.10.1995 bis 20.6.1996 hatte ich eine sehr harte, meiner Meinung nach gesundheitsschädigende Ausbildung (vier Monate beim MILKDO OÖ in Hörsching und vier Monate Jägerschule in Saalfelden), die voraussichtlich zum Bandscheibenfall beigetragen hat."

Mit Bescheid vom 10. April 1997 hat das Bundessozialamt Oberösterreich die "mit Anträgen vom 25.9.1996 und 13.11.1996" geltend gemachte Gesundheitsschädigung nicht als Dienstbeschädigung anerkannt und den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung abgelehnt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und erstattete darin folgendes Vorbringen:

"Der Sturz vom 22.5.1996, der laut Sachverständigengutachten nicht dazu geeignet war, die geltend gemachten Gesundheitsschädigungen hervorzurufen, war meines Erachtens der letzte Auslöser zur Osteochondrose der Bandscheiben L4/5 und zum großen mediorechtslateralen Prolaps bei L5/S1. Derartige Veränderungen der Wirbelsäule traten nicht von einem Tag auf den anderen ein, sie entstanden durch starke wirbelsäulenschädigende Belastungen über längere Zeit, die sich in meinem einjährig freiwilligen Jahr stark anhäuften. Schon in der ersten Woche bin ich nachts mit ca. 70 kg (zweimal Kampfanzug 3, da ein Kamerad in der Gruppe eine Tagbefreiung hatte und die Gruppe das Gepäck mittragen musste) nach längerem schnellem Marschieren schließlich im Laufschritt zusammengebrochen. Dies ist ein extremes Beispiel, jedoch längere Laufstrecken mit dem Kampfanzug 3 (ca. 35 kg) zusätzlich Bewaffnung, waren nicht selten, sondern zum Beispiel auf der Jägerschule Saalfelden beinahe alltäglich, wo wir sogar auf den Skitouren, bei deren Abfahrten es oft zu Stürzen kam, sämtliche Ausrüstung und zusätzlich die Alpinausrüstung mitschleppten. Ich habe keine Zweifel daran, dass der Sturz vom 22.5.1996 und die vorhergegangenen Belastungen durch das einseitige Tragen des PAR 66/79 beim Beziehen der Stellungen und beim Erreichen des Ausgangspunktes der auslösende Faktor für die Schmerzen waren, jene Schmerzen, die eindeutig an den gleichen Stellen auftraten wie im September 1996, als die bereits genannte Diagnose gestellt wurde. In den folgenden Wochen hatten wir auch keine derartig starken Belastungen mehr und ich versuchte meine Wirbelsäule so gut wie möglich zu schonen, wobei mir meine Kameraden oft behilflich waren. Nach ca. 3 Wochen verschwanden die bis dahin ständig andauernden Schmerzen, die jedoch weiterhin häufig nach stärkeren Belastungen, wie zum Beispiel Sport oder längeren Fußmärschen mit Rückengepäck wieder auftauchten. Nach dem Sachverständigengutachten sind die Veränderungen an der Wirbelsäule auf degenerative und anlagebedingte Ursachen zurückzuführen, jedoch kann Anlagebedingtheit keinesfalls nachgewiesen werden, da keine Bandscheibenvorfälle im gesamten Familienkreis bekannt sind. Dieser Vorfall stellt keinen kurzfristigen Leidenszustand dar, da ich bis heute noch des Öfteren an Schmerzen leide und viele Tätigkeiten, wie z.B. Arbeiten am Bauernhof meiner Großeltern oder Sport oder meinen Traumberuf Pilot nicht mehr ausüben kann. Da bei der einwöchigen Fliegertauglichkeitsuntersuchung im Februar 1996 im Heeresspital, die nur "Auserwählte" bestanden, die Fliegertauglichkeit 1 festgestellt wurde, muss sich der Wirbelsäulenzustand zwischen diesen Untersuchungen und dem Sturz vom 22.5.1996 stark verschlechtert haben. In diesem Zeitraum diente ich an der Jägerschule Saalfelden. Ich hatte keine privaten Unfälle und kaum Belastungen in der Privatzeit, weil ich mich an den freien Stunden von den Anstrengungen an der Jägerschule meist zu erholen versuchte."

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. November 1998 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"Bei der Fliegertauglichkeitsuntersuchung zeigt sich bis auf den Rundrücken ein unauffälliger Befund. Es ist wohl die Beweglichkeit bei Prüfung des FBA gering besser als bei der jetzigen Untersuchung, jedoch im Wesentlichen ident. Es ist also allein auf Grund des klinischen Befundes nicht auszuschließen, dass bei der Untersuchung am 15. Februar 1996 bereits das degenerative Abnützungsleiden der Wirbelsäule bestanden hat. Selbst der Bandscheibenvorfall kann zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden haben.

Aus den vorgelegten Röntgenaufnahmen, die anlässlich der Fliegertauglichkeitsuntersuchung angefertigt wurden, ist ersichtlich, dass bereits vor dem gegenständlichen Ereignis eine deutliche Fehlhaltung mit Skoliose der Brust- und Lendenwirbelsäule gegeben und ein deutlicher Rundrücken mit keilförmiger Deformierung der mittleren Brustwirbel erkennbar war. Es zeigt sich auch bereits im Native-Röntgen eine etwas vermehrte Sklerosierung der Grund- und Deckplatten L4/L5 und L5/S1 im Sinne einer beginnenden Osteochontrose. Dieser Befund steht im Einklang zum MR-Befund, der nach dem gegenständlichen Ereignis angefertigt wurde. Dass sich im MR noch ein Bandscheibenvorfall L5/S1 und eine Verwölbung L4/L5 zeigen, beweist nicht, dass diese Veränderungen nicht auch schon vor dem gegenständlichen Ereignis bestanden haben, weil ein Vergleichs-MR-Befund fehlt und sich im Native-Röntgen der Bandscheibenvorfall nicht darstellen lässt.

Wesentlich für die Beurteilung ist jedoch Folgendes:

Üblicherweise entsteht ein Bandscheibenvorfall auf Grund eines jahrzehntelangen Degenerationsprozesses. Es kommt auf Grund von Bewegungsmangel und fehlendem Pumpmechanismus für die Ernährung der Bandscheibe oder durch Überlastung zum Austrocknen des Faserringes um den Gallertkern der Bandscheibe. Die Bandscheibe wird auf diese Weise rissbereit und es kann dann - unter Umständen durch Bagatelltrauma - zum Bandscheibenvorfall kommen. In seltenen Fällen handelt es sich um einen traumatischen Bandscheibenvorfall bei gesunder Bandscheibe. Dazu ist aber ein schweres Unfallereignis notwendig, ein Trauma, das auch geeignet ist, einen Knochen zum Brechen zu bringen bzw. einen Wirbelbruch hervorrufen kann. Ein solches Trauma liegt im gegenständlichen Fall keineswegs vor. Dabei ist auch zu fordern, dass die Beschwerden so stark sind, dass man sich sofort in ärztliche Behandlung begeben muss, üblicherweise in stationäre Behandlung zur Verabreichung starker Medikamente und Ruhigstellung. Die Fortsetzung einer Tätigkeit ist undenkbar. Dies ist auch die Begründung dafür, dass im gegenständlichen Fall der später diagnostizierte Diskusprolaps und das Abnützungsleiden nicht in kausalem Zusammenhang zu sehen sind.

Wohl ist denkbar, dass bei den bestehenden, bislang stumm gebliebenen Abnützungsleiden die starke Belastung zur vorübergehenden Verschlimmerung des anlagebedingten Leiden geführt hat. Dass ein anlagebedingtes Leiden gegeben ist, erkennt man allein schon auf Grund des starken Rundrückens und des bestehenden Hohlkreuzes. Diese Verschlimmerung bestand jedoch maximal für drei Wochen.

Zu den vorgebrachten Einwendungen ist ferner festzustellen:

Es wird als glaubhaft angenommen, dass der Berufungswerber vor dem Präsenzdienst beschwerdefrei war. Die Gesamtbelastung während des Präsenzdienstes überschritt nicht das normale Ausmaß und ist daher für die Bandscheibenprotrusion nicht verantwortlich. Der Sturz mit dem PAR war zwar für die Schmerzhaftigkeit bzw. den schmerzhaften Zustand mit Bewegungseinschränkung verantwortlich, nicht jedoch für den Bandscheibenvorfall. Der Bandscheibenvorfall steht - wie bereits ausführlich begründet - in keinem Zusammenhang mit dem Präsenzdienst.

Die Gutachten der Sachverständigen wurden als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Feststellung der von ihm erlittenen Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung und auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Heeresversorgungsgesetz verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 erster Satz Heeresversorgungsgesetz (HVG, in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 30/1998) ist eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat infolge des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes, einschließlich einer beruflichen Bildung im freiwillig verlängerten Grundwehrdienst oder im Wehrdienst als Zeitsoldat, erlitten hat, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes als Dienstbeschädigung zu entschädigen (§ 2).

Eine Gesundheitsschädigung ist nach § 2 Abs. 1 erster Satz HVG als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und soweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die (im gesamten Verfahren umstritten gewesene) Kausalitätsbeurteilung sei inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde bei der von ihr verneinten Zurechnung seine Anlageschädigung nicht berücksichtigt habe. Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 6. November 2001, Zl. 96/09/0004, und vom 18. April 2002, Zl. 2000/09/0184) dargelegt hat, ist bei der Kausalitätsbeurteilung im Bereich der Heeresversorgung von der Theorie der "wesentlichen Bedingung" auszugehen. Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn die festgestellte Gesundheitsschädigung auf mehrere Ursachen, darunter auch ein von § 2 Abs. 1 HVG erfasstes schädigendes Ereignis (hier: Präsenz- bzw. Ausbildungsdienst des Beschwerdeführers sowie sein Unfall während der Milizkommandantenübung in Hochfilzen) zurückgeht - erforderlich, dass das in Betracht kommende schädigende Ereignis eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist das Ereignis dann, wenn es nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung. Wirken eine krankhafte Veranlagung und ein Unfallereignis bei Entstehung einer Gesundheitsschädigung zusammen, so ist demnach zu beurteilen, ob das Unfallereignis eine wesentlich mitwirkende Bedingung für die Schädigung gewesen ist oder ob die krankhafte Veranlagung alleinige oder überragende Ursache war. Letzteres ist anzunehmen, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zur selben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Eine krankhafte Veranlagung hindert also die Annahme einer unfallbedingten Auslösung nicht. Eine solche kann auch vorliegen, wenn eine vorhandene krankhafte Veranlagung zu einer plötzlichen, in absehbarer Zeit nicht zu erwartenden Entwicklung gebracht oder eine bereits bestehende Erkrankung verschlimmert worden ist. Für die Frage, ob die Auswirkungen des Unfalles eine rechtlich wesentliche Teilursache des nach dem Unfall eingetretenen Leidenszustandes sind, ist in erster Linie von Bedeutung, ob dieser Leidenszustand auch ohne den Unfall etwa zum gleichen Zeitpunkt eingetreten wäre oder durch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis hätte ausgelöst werden können, ob also die äußere Einwirkung wesentliche Teilursache oder nur Gelegenheitsursache war.

Die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Bedingung (mittels der genannten Theorie) ist keine Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage. Der Versorgungswerber (der die Beschädigtenversorgung nach dem HVG begehrt) braucht demnach die Kausalität nicht zu beweisen. Anlageschäden sind regelmäßig durch überholende Kausalität derart gekennzeichnet, dass auf Grund der (medizinischen) Sachverhaltsprüfung neben der realen Ursache der Schädigung (etwa durch einen Unfall oder durch die Belastungen der Dienstleistung) eine hypothetische nachfolgende Ursache (als "Reserveursache") angenommen bzw. festgestellt wird. Die Zurechnung ist im Wesentlichen davon abhängig, dass die aus dem geschützten Bereich stammende Ursache zu einer Verfrühung oder Erschwerung des Schadens führte.

Die belangte Behörde geht vorliegend davon aus, dass der Beschwerdeführer vor seinem Präsenzdienst beschwerdefrei war und sie nimmt des Weiteren ausdrücklich an, dass ein anlagebedingtes Leiden (ein degeneratives Abnützungsleiden der Wirbelsäule) beim Beschwerdeführer vorgelegen ist. Unbestritten ist auch der Eintritt einer Gesundheitsschädigung des Beschwerdeführers, der deshalb in weiterer Folge für untauglich erklärt und vorzeitig entlassen werden musste.

Die belangte Behörde hat allerdings nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer diese tatsächlich eingetretene Gesundheitsschädigung ohne die Ableistung seines Präsenzdienstes gleichfalls erlitten hätte bzw. dass diese tatsächlich eingetretene Gesundheitsschädigung bei ihm ohne Präsenzdienstleistung zum gleichen Zeitpunkt und/oder in denselben Umfang eingetreten wäre. Vielmehr geht die belangte Behörde (erkennbar) bei ihrer Kausalitätsbeurteilung von der im Sinne der dargelegten Judikatur unrichtigen rechtlichen Auffassung aus, bereits die krankhafte Veranlagung des Beschwerdeführers allein verhindere, dass die Auswirkungen seines Sturzes mit dem Panzerabwehrrohr oder die aus seiner Präsenzdienstleistung entstandenen Belastungen als rechtlich wesentliche Teilursachen anzuerkennen seien. Es entbehrt zudem die rechtliche Schlussfolgerung der belangten Behörde, dass bei einem Präsenzdiener mit anlagebedingtem Leiden (der Wirbelsäule) die starke Belastung "zur vorübergehenden Verschlimmerung geführt hat, jedoch maximal für drei Wochen", der notwendigen Schlüssigkeit; dies vor allem hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung. Auch vermag die belangte Behörde ihre Beurteilung, bei rissbereiten (durch einen Degenerationsprozess geschädigten) Bandscheiben könne ein Bandscheibenvorfall auch ohne schweres Unfallgeschehen entstehen, nicht nachvollziehbar damit in Einklang zu bringen, dass beim Beschwerdeführer - dem ein "stumm gebliebenes Abnützungsleiden" attestiert wird - selbst der Sturz mit einem Panzerabwehrrohr auf dem Truppenübungsplatz Hochfilzen dennoch keinen Bandscheibenvorfall, sondern bloß "Schmerzhaftigkeit bzw. einen schmerzhaften Zustand mit Bewegungseinschränkung" auslöste. Der weitere Kausalverlauf, dass der Beschwerdeführer für untauglich erklärt und vorzeitig aus dem Präsenzdienst entlassen werden musste, vermag die Einschätzung der belangten Behörde, dass der (unbestritten eingetretene) Leidenszustand des Beschwerdeführers mit der Ableistung des Präsenzdienstes in keinem Zusammenhang stünde, jedenfalls nicht zu stützen.

Schon nach den von der belangten Behörde zugrunde Sachverhaltsannahmen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Präsenzdienstleistung (oder diese Dienstleistung im Zusammenhalt mit dem Sturz auf dem Truppenübungsplatz Hochfilzen) die anlagebedingte Vorschädigung des Beschwerdeführers zumindest mit Wahrscheinlichkeit im Sinne einer Prädisposition für seinen aufgetretenen Leidenszustand verschlimmert oder diesen Leidenszustand vorzeitig ausgelöst hat.

Der angefochtene Bescheid war daher - im Hinblick auf die rechtlich unschlüssige Kausalitätsbeurteilung - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 23. Mai 2002

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999090013.X00

Im RIS seit

13.08.2002

Zuletzt aktualisiert am

20.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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