TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/23 99/09/0045

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Veröffentlicht am 23.05.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §37;
KOVG 1957 §1 Abs1;
KOVG 1957 §4 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf Starhemberg-Gasse 39/12, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 21. Jänner 1999, Zl. OB. 214-292507-001, betreffend Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1940 geborene Beschwerdeführer stellte am 29. Jänner 1997 den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957). Er machte geltend, er sei "im Jahr 1944 (Herbst)" während eines Fliegerangriffes über die abgedeckte Thayabrücke bei Hardegg geflüchtet und dabei zwischen den Traversen auf das Thayaufer gestürzt. Durch diesen Sturz habe er sich eine schwere Hüftverletzung (im Sinne der im Bescheid des Landesinvalidenamtes vom 6. November 1984 in einem Verfahren nach dem Invalideneinstellungsgesetz näher festgestellten Gesundheitsschädigungen) zugezogen.

Mit Bescheid vom 7. Mai 1998 wies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Wien Niederösterreich Burgenland den Antrag des Beschwerdeführers vom 29. Jänner 1997 ab.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Jänner 1999 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"Der Versorgungswerber hat weder anlässlich der Antragstellung am 29. Jänner 1997 noch im Laufe des in zwei Instanzen geführten Verfahrens den genauen seiner doch als schwer zu bezeichnenden Verletzung bekannt gegeben. Der Zeitraum Herbst 1944 ist derart unpräzise, dass es aus damaliger und heutiger Sicht äußerst unwahrscheinlich erscheint, den Zeitpunkt nicht exakter eingrenzen zu können.

Ein Tatzeuge, der den Vorfall und Unfallhergang aus eigener Wahrnehmung bezeugen könnte, wurde nicht genannt. Die Aussage (eidesstattliche Erklärung) der Mutter des Versorgungswerbers vom 20. Oktober 1997 "... dabei stürzte er zwischen den Traversen der dort befindlichen Behelfsbrücke..." ist in Anbetracht der erstmaligen Erklärung des Versorgungswerbers "... ich verheimlichte den Unfall vor meiner Mutter ..." als völlig unglaubwürdig zu qualifizieren.

Die im Berufungsverfahren vorgelegten Aussagen von Zeitzeugen über Fliegerangriffe im Raum Znaim und Hardegg - der Bogen reicht laut Angaben des Österreichischen Staatsarchivs vom 7. August 1944 bis 15. November 1944 - lassen allein nicht den Schluss zu, den dass der Versorgungswerber bei einer dieser Kampfhandlungen (Einsätze) die beschriebenen Verletzungen erlitten hätte.

Weder von Exekutivorganen (Gendarmeriekommanden) noch Angaben aus Pfarrchroniken noch Aufzeichnungen der Gemeinde Hardegg bieten irgendwelche Anhaltspunkte für die Darstellung und Untermauerung der Angaben des Versorgungswerbers.

Unterlagen über Lazarett- und spätere Spitalsbehandlungen sind nach derart langer Zeit (53 Jahre) - wobei den Versorgungswerber bzw. seiner Mutter schon die Frage gestellt werden müsste, nicht bereits nach Eintritt des schädigenden Ereignisses oder zeitgerecht danach die Ansprüche verfolgt zu haben - nicht mehr zu erlangen.

Weiters ist in höchstem Maße unglaubwürdig, dass - wie vom Versorgungswerber behauptet - die Ärzte im Krankenhaus Hollabrunn eine derart schwere traumatische Schädigung der Hüfte ("... eines Vierjährigen, die rechte Hüftgelenkskugel durch die Pfanne gestoßen...") als Hüftgelenksentzündung diagnostizierten.

Die Schiedskommission ist im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt in freier Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangt, dass nicht mit Wahrscheinlichkeit als erwiesen anzunehmen ist, dass die vom Berufungswerber beantragten Gesundheitsschädigungen auf einen Sturz von der Thayabrücke - in der Folge eines Fliegerangriffes - zurückzuführen sind."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem KOVG 1957 verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Gemäß § 2 Abs. 1 erster Satz KOVG 1957 wird eine Gesundheitsschädigung, die ohne Zusammenhang mit einem schädigenden Ereignis im Sinne des § 1 durch unverschuldete Verwicklung in militärische Handlungen oder durch unverschuldete Einwirkung von Waffen und sonstigen Kampfmitteln als Folge militärischer Maßnahmen eingetreten ist, wie eine Dienstbeschädigung entschädigt.

Gemäß § 86 Abs. 1 KOVG 1957 finden auf das Verfahren, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften des AVG 1991 Anwendung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Begründung eines Versorgungsanspruches nur die Wahrscheinlichkeit, nicht die bloße Möglichkeit einer Verursachung der Gewissheit gleichgestellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 94/09/0060, und die darin angegebene Judikatur). Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Während der ursächliche Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit dem schädigenden Vorgang nur wahrscheinlich zu sein braucht, müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen (schädigender Vorgang, gesundheitliche Schädigung) selbst bewiesen werden, d.h., es muss eine so hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass darauf die Überzeugung von der Wahrheit und nicht der bloßen Wahrscheinlichkeit gegründet werden kann. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder das Nichtfestgestelltsein einer Tatsache sind - auch bei amtswegiger Ermittlungspflicht - von dem zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 15. März 2000, Zl. 97/09/0315, und vom 17. Mai 2000, Zl. 97/09/0221, und die jeweils darin angegebene Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer war im Jahr 1944 (zum Zeitpunkt als der geltend gemachte Unfall sich ereignet haben soll) vier Jahre alt und er hat daher schon auf Grund seines Alters jedenfalls keine Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 KOVG 1957 erlitten. Ob die geltend gemachte Gesundheitsschädigung als eine solche im Sinne des § 2 Abs. 1 erster Satz leg. cit. anzuerkennen und als Dienstbeschädigung zu entschädigen ist, hängt - aus der Sicht des Beschwerdefalles - allein vom Beweis des dafür vorgebrachten anspruchsbegründenen schädigenden Vorgangs (ein Tieffliegerangriff) ab. Diesen Beweis hatte der Beschwerdeführer - zumal er aus dem behaupteten Ereignis sein Recht auf Beschädigtenversorgung nach dem KOVG 1957 herleiten will - zu erbringen.

Die belangte Behörde ist (ebenso wie die Versorgungsbehörde erster Instanz) zu dem Ergebnis gelangt, es sei nicht mit Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass die geltend gemachte Gesundheitsschädigung die Folge eines Sturzes von der Thayabrücke auf Grund eines Fliegerangriffes gewesen sei.

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei unschlüssig, oder dass das behauptete schädigende Ereignis von ihm erfolgreich bewiesen worden sei. Er rügt aber als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, dass kein medizinischer Sachverständiger beigezogen worden sei und die beantragte zeugenschaftliche Einvernahme seiner Mutter zu den näher bezeichneten Themen nicht durchgeführt worden sei.

Der Beschwerdeführer lässt unberücksichtigt, dass er den Zeitpunkt des behaupteten Tieffliegerangriffes im gesamten Verwaltungsverfahren datumsmäßig nicht umschrieb, hat er die in seinem Antrag vorgebrachten zeitlichen Angaben "Herbst 1944" doch im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren unverändert gelassen und demnach diesen Zeitraum -  der von Herbstbeginn 23. September 1944 bis zum 21. Dezember 1944 dauerte -

nicht etwa auf einen konkreten Herbsttag des Jahres 1944 präzisiert.

Insoweit der Beschwerdeführer erstmals in seiner Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof behauptet, er habe nunmehr als Unfallszeitpunkt den 25. August 1944 eruieren können, verletzt er mit diesem im Verwaltungsverfahren unterlassenen Sachvorbringen jedenfalls das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Zudem würde dieses neuerungsweise (und deshalb unbeachtliche) Vorbringen von den Antragsangaben dahingehend abweichen, dass derart der Unfallszeitpunkt nicht im Herbst sondern im Sommer 1944 stattgefunden habe.

In der vom Beschwerdeführer vorgelegten Erklärung seiner Mutter (datiert mit 20. Oktober 1997) hat diese einen konkreten Unfallszeitpunkt nicht angegeben, sondern sie hat den Unfallszeitpunkt lediglich mit "am besagten Unglückstage" bzw. "zu diesem Vorfall im Herbst 1944" umschrieben. Davon ausgehend ist aber nicht zu erkennen, warum die in der Beschwerde als fehlend gerügte Einvernahme der Mutter des Beschwerdeführers zur Klärung des konkreten Unfallszeitpunktes beitragen hätte können. Ob zwischen seiner Darstellung und jener seiner Mutter mehr oder weniger Widersprüche bestehen oder nicht, bzw. ob er den Unfall seiner Mutter zunächst verschwieg oder diese seinen Sturz ohnedies bereits beobachtet hatte, ändert die entscheidende Beweislage betreffend den anspruchsbegründenden schädigenden Vorgang nicht, könnte doch die zeugenschaftliche Einvernahme der Mutter des Beschwerdeführers zu den angegebenen Themen - wie das in der Beschwerde gerügt wird - daran nichts ändern, dass auch weiterhin der Unfallszeitpunkt datumsmäßig unbewiesen bleibt bzw. auch durch die ergänzende Beweisaufnahme nicht bewiesen würde. Ist aber der Unfallszeitpunkt datumsmäßig nicht erwiesen, bleibt ungewiss, ob einer der allenfalls im Jahr 1944 an der Thayabrücke bei Hardegg stattgefundene Tieffliegerangriffe jener war, der beim Beschwerdeführer die geltend gemachte Gesundheitsschädigung auslöste. Dass der Unfallszeitpunkt bzw. die Tatsache, ob der vorgebrachte Sturz des Beschwerdeführers durch einen Tieffliegerangriff ausgelöst wurde, mit Hilfe von medizinischem Fachwissen geklärt werden könnte, ist - nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass über die Behandlung und medizinische Versorgung des Beschwerdeführers keine Unterlagen vorhanden sind - für den Verwaltungsgerichthof nicht zu erkennen. Mit der nicht näher begründeten Behauptung allein, durch die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen können, dass die geltend gemachten Schädigungen auf einen Sturz von der Thayabrücke in der Folge eines Fliegerangriffes zurückzuführen seien, wird eine Eignung dieses Beweismittels das angegebene Beweisthema nachzuweisen, nicht nachvollziehbar dargetan.

Die geltend gemachte Unvollständigkeit des Ermittlungsverfahrens ist - ausgehend von den Beschwerdeausführungen - somit nicht als ein Verfahrensmangel anzusehen, bei dessen Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 23. Mai 2002

Schlagworte

Sachverhalt Beweiswürdigung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Ursächlicher Zusammenhang und Wahrscheinlichkeit Allgemein Verfahrensrecht Aufgabe des Sachverständigen Wertung von Sachverständigengutachten Befund und Attest (siehe auch KOVG §90 Abs1)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999090045.X00

Im RIS seit

13.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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