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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde der A in L, geboren am 16. März 1969, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 4. August 1999, Zl. Fr-4250a-34/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Instanzenzug erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, mit Bescheid vom 31. Juli 1997 gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes (1992), BGBl. Nr. 838/1992, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit hg. Beschluss vom 25. Jänner 1999, Zl. 97/21/0746, gemäß § 114 Abs. 7 iVm Abs. 4 und § 115 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. August 1999 erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin neuerlich ein Aufenthaltsverbot, jetzt auf sieben Jahre befristet und auf § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 2 iVm den §§ 37 und 39 FrG gestützt.
Zur Begründung verwies die belangte Behörde auf die Verurteilung der Beschwerdeführerin vom 20. Februar 1997 wegen des Verbrechens des schweren Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB, teilweise als Beteiligte gemäß § 12 StGB, des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 2 und 4 StGB und des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass die Beschwerdeführerin am 2./3. September 1996 bei einem Einbruchsdiebstahl Aufpasserdienste geleistet und beim Abtransport des Diebsgutes behilflich gewesen sei, am 1. September 1996 gemeinsam mit Mittätern nach Aufbrechen eines Seitenfensters eines Pkw eine Kellnergeldtasche gestohlen habe und am 4. September 1996 aus einer Raubbeute S 1.000,-- und im September 1996 zehn gestohlene Jogginganzüge und mehrere gestohlene Paar Turnschuhe als Geschenk angenommen habe. Weiters habe sie es unterlassen, die Polizei oder das vorgesehene Raubopfer zu informieren und die Tat zu verhindern. Durch diese Verurteilung liege die Voraussetzung des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG vor. Weiters sei die Beschwerdeführerin nach Erlassung des ersten Aufenthaltsverbotes im Jahr 1997 unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet geblieben und deswegen nach § 82 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz (1992) mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- rechtskräftig bestraft worden. Damit lägen auch die Voraussetzungen gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG vor. Von der Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes werde Gebrauch gemacht, weil die Beschwerdeführerin auch nach Erlassung eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes nicht bereit gewesen sei, den gesetzmäßigen Zustand herzustellen und Österreich zu verlassen. Die Einstellung des Beschwerdeverfahrens gegen den ersten Aufenthaltsverbotsbescheid könne sich die Beschwerdeführerin nicht zugute halten lassen, weil die geplante Gesetzesänderung zum Zeitpunkt des ersten Aufenthaltsverbotsverfahrens nicht bekannt gewesen sei. Erst nach Erlassung des Beschlusses über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ihrer (ersten) Beschwerde am 17. November 1997 wäre sie berechtigt gewesen, sich wieder in Österreich bis zum Ende des Beschwerdeverfahrens aufzuhalten.
Vor den der Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten im September 1996 habe sich die Beschwerdeführerin längstens acht Jahre in Österreich aufgehalten, sodass sie sich angesichts der vorliegenden Verurteilung nicht auf eine Aufenthaltsverfestigung berufen könne.
Die Beschwerdeführerin sei im September 1988 mit ihrem jugoslawischen Ehemann in Österreich eingereist. Nach der Ehescheidung im Jahr 1996 lebe sie mit ihren beiden in Österreich geborenen Kindern im gemeinsamen Haushalt. Nach Erlassung des ersten Aufenthaltsverbotes sei sie eine Lebens- bzw. Wohngemeinschaft eingegangen, wobei ihr damals bereits bewusst gewesen sei, dass sie nicht mit einem längeren Aufenthalt in Österreich rechnen könne. Zwar sei mit dem Aufenthaltsverbot ein gravierender Eingriff in ihr Privat- und Familienleben verbunden, die Beschwerdeführerin stelle aber "eine Gefahr für das Rechtsgut Eigentum dar". Die von ihr ausgehende Gefahr werde nicht dadurch geschmälert, dass sie bei den Diebstählen nur Aufpasserdienste geleistet bzw. beim Abtransport des Diebsgutes behilflich gewesen sei. Das Aufenthaltsverbot sei dringend notwendig, um die Gesellschaft vor weiteren Vermögensschädigungen durch die Beschwerdeführerin zu bewahren. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin auch nicht durch das rechtskräftige Aufenthaltsverbot habe veranlasst werden können, Österreich zu verlassen. Nicht einmal der Umstand, dass ihre Mittäter einen Raub planten, habe sie zu einer Warnung des Opfers oder einer Verständigung der Polizei veranlasst. Vielmehr habe sie sogar einen Teil der Raubbeute angenommen. Ihr Verhalten bringe somit zum Ausdruck, nicht bereit zu sein, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten.
Das Aufenthaltsverbot in der Dauer von sieben Jahren erscheine erforderlich, um der Beschwerdeführerin die Schwere ihrer Rechtsverstöße vor Augen zu führen und den Verwaltungszweck zu erreichen, sie von weiteren Rechtsverstößen gegen fremdes Eigentum abzuhalten. Die Erhöhung der Aufenthaltsverbotsdauer von fünf auf sieben Jahre sei damit zu begründen, dass sie nicht einmal durch die Erlassung eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes habe veranlasst werden können, den gesetzmäßigen Zustand freiwillig herzustellen und Österreich zu verlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde ist nicht im Recht, wenn sie meint, dass nach Einstellung des Beschwerdeverfahrens gegen das erste Aufenthaltsverbot die Erlassung eines weiteren Aufenthaltsverbotes unzulässig sei. Solchen Aufenthaltsverboten darf lediglich gemäß § 114 Abs. 7 zweiter Satz FrG für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten des FrG getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen. Im Übrigen trat - wie aus dem zitierten hg. Beschluss vom 25. Jänner 1999 eindeutig hervorgeht - der erste Aufenthaltsverbotsbescheid gemäß § 114 Abs. 4 FrG deshalb außer Kraft, weil nach der neuen Rechtslage auf das nunmehr der Behörde eingeräumte Ermessen Bedacht zu nehmen sei. Diesem Gesetzesauftrag kam die belangte Behörde nunmehr nach; der angefochtene Bescheid enthält nämlich eine Begründung, warum sie sich außer Stande sehe, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes abzusehen.
Die belangte Behörde hat aber den angefochtenen Bescheid in zweifacher Weise mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Zum einen sah sie zu Unrecht den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG als verwirklicht an. Abgesehen davon, dass diese Bestimmung nicht nur eine, sondern zumindest zwei Bestrafungen "wegen einer schwerwiegenden Übertretung dieses Bundesgesetzes" voraussetzt, lag der Bestrafung wegen Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz 1992 das Aufenthaltsverbot vom 31. Juli 1997 zu Grunde. Dieses Aufenthaltsverbot ist jedoch mit 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten, was zufolge § 114 Abs. 7 erster Satz zweiter Halbsatz FrG auch das Außerkrafttreten des erstinstanzlichen Bescheides zur Folge hatte. § 114 Abs. 7 zweiter Satz FrG ordnet - wie bereits erwähnt - an, dass solchen Aufenthaltsverboten für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten des FrG getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen darf. Eine "nachteilige Wirkung" liegt nicht nur in einer an ein derartiges Aufenthaltsverbot anknüpfenden Bestrafung, sondern in weiterer Folge auch darin, dass eine solche Bestrafung zur Grundlage eines (neuerlichen) Aufenthaltsverbotes gemacht wird. Die belangte Behörde durfte daher die erwähnte Bestrafung nicht in ihre Beurteilung miteinbeziehen. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 20. März 2001, Zl. 99/21/0040.)
Die zweite Rechtswidrigkeit liegt in der Dauer des Aufenthaltsverbotes. Die Erhöhung der Aufenthaltsverbotsdauer von fünf auf sieben Jahre begründete die belangte Behörde damit, dass die Beschwerdeführerin nach Erlassung des ersten rechtskräftigen Aufenthaltsverbotsbescheides in Österreich geblieben sei. Gemäß § 39 Abs. 2 FrG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin die - letztlich für sie positive - Entscheidung über ihren Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, im Inland abgewartet hat, steht gegenüber, dass sie nach ihrem Fehlverhalten im September 1996 keine weiteren gerichtlich und verwaltungsrechtlich strafbaren Handlungen gesetzt hat. Indem die belangte Behörde dem erstgenannten Umstand ungeachtet dessen, dass dem ersten Aufenthaltsverbot keine "nachteilige Wirkung" zukommen darf, mehr Bedeutung zumaß als dem eine Abschwächung der Gefährlichkeitsprognose beinhaltenden zweiten Umstand und meinte, nun ein längeres Aufenthaltsverbot verhängen zu müssen, unterlag sie einem Rechtsirrtum. Da überdies - wie oben ausgeführt - die Bestrafung der Beschwerdeführerin nach § 82 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz 1992 zu Unrecht für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes herangezogen wurde, kann darauf auch die erhöhte Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht gestützt werden.
Der angefochtene Bescheid war somit - ohne eine Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit nach § 37 FrG vorzunehmen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 24. Mai 2002
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999210239.X00Im RIS seit
22.07.2002