TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/24 99/21/0206

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Veröffentlicht am 24.05.2002
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Index

E3Y E19103010;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Z12;
31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Z17;
AsylG 1991 §19 Abs3;
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §19;
AsylG 1997 §21;
AsylG 1997 §4;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §6;
AVG §39 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 30. September 1961 geborenen V, vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Biondekgasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. April 1999, Zl. Fr 790/90, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 23. Februar 1999 wurde der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsbürger, gemäß §§ 33 Abs. 1 und 40 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 4. November 1991 unrechtmäßig nach Österreich eingereist sei. Sein Asylantrag sei mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (vom 9. Mai 1994) abgewiesen worden. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer in Anwendung des § 19 Abs. 3 des Asylgesetzes 1991 am 13. Mai 1994 durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt worden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sei er daher in Rechtskraft erwachsen. Mit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens habe der Beschwerdeführer seine (asylrechtliche) vorläufige Aufenthaltsberechtigung verloren.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte darin im Wesentlichen aus, dass eine rechtswirksame Zustellung des Bescheides des Bundesministers für Inneres durch Hinterlegung deswegen nicht erfolgt sei, weil eine Hinterlegung nur dann rechtswirksam erfolgen könne, wenn sie an einem Ort stattfinde, an dem der Empfänger tatsächlich anwesend und aufhältig sei. Das Verfahren über seinen Asylantrag sei daher noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, und er sei noch immer im Besitz eines asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsrechts.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 6. April 1999 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den eingangs erwähnten Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 33 Abs. 1 FrG abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 4. November 1991 illegal, aus der damaligen CSFR kommend, nach Österreich eingereist sei und im Flüchtlingslager Traiskirchen einen Asylantrag gestellt habe. Mit Schriftsatz vom selben Tag sei ihm durch die Bezirkshauptmannschaft Baden gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968 die Aufenthaltsberechtigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich anhängigen Asylverfahrens zuerkannt worden. Dabei sei er auch aufgeklärt worden, dass die vorläufige Aufenthaltsberechtigung mit Rechtskraft des diesbezüglichen Asylbescheides erlösche. Der Asylantrag sei von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark mit Bescheid vom 11. März 1992 abgewiesen worden, die dagegen eingebrachte Berufung sei vom Bundesminister für Inneres gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 AsylG 1991 abgewiesen worden, weil er im Laufe des Verfahrens seinen Wohnsitz in Seewiesen ohne Bekanntgabe einer neuen Abgabestelle verlassen hätte. Dieser Bescheid sei in Anwendung der Vorschrift des § 19 Abs. 3 AsylG 1991 am 3. Mai 1994 durch Hinterlegung bei der Asylbehörde rechtswirksam zugestellt worden. Ab diesem Zeitpunkt sei dieser Bescheid entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers in Rechtskraft erwachsen.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung, wonach eine Hinterlegung nicht an einem Ort erfolgen dürfe, an dem der Empfänger nicht anwesend sei, könne nicht gefolgt werden. Entsprechend den bereits zitierten Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 sei die Hinterlegung des asylbehördlichen Berufungsbescheides direkt bei der Asylbehörde auf Grund seiner nicht gemeldeten "Ortsänderung" zulässig gewesen. Wie bereits die Erstbehörde festgestellt habe, habe er mit dem rechtskräftigen negativen Abschluss des Asylverfahrens die vorläufige Aufenthaltsberechtigung verloren. Der Beschwerdeführer halte sich somit spätestens seit dem 14. Mai 1994 durchgehend unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Daran ändere auch seine Erstantragsstellung auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach dem AufG nichts. Durch diese Erstantragsstellung sei kein Aufenthaltsrecht entstanden. Darüber hinaus sei dieser Antrag im Berufungsverfahren mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. November 1997 rechtskräftig abgewiesen worden. Die Ausweisung sei auch im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte unter Verzicht auf die Abfassung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, wobei auf § 37 leg. cit. Bedacht zu nehmen ist.

Nach § 31 Abs. 1 Z. 4 FrG halten sich Fremde (u.a.) rechtmäßig im Bundesgebiet auf, "solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt". Dafür ist im vorliegenden Zusammenhang die Bestimmung des § 19 Asylgesetz 1997 über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung von Bedeutung, welche die vorläufige Aufenthaltsberechtigung von Asylwerbern schlechthin regelt und nicht bloß von solchen, die im zeitlichen Geltungsbereich des Asylgesetzes 1997 einen Asylantrag gestellt haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 98/21/0373). Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. März 2000, Zl. 99/21/0266, ausgesprochen hat, ist aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 und aus dem vom Gesetzgeber erkennbar mit dieser Bestimmung verfolgten Zweck der Schluss zu ziehen, dass auch unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereisten Asylwerbern eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung gewährt werden soll, außer es liegt eine Entscheidung darüber vor, dass der Asylantrag unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Im Einzelnen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen.

Im vorliegenden Fall wurde der Asylantrag des - unstrittig unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereisten - Beschwerdeführers weder als unzulässig zurückgewiesen (§§ 4 und 5 Asylgesetz 1997) noch als offensichtlich unbegründet abgewiesen (§ 6 leg. cit.). Es ist daher entscheidungswesentlich, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - mangels wirksamer Zustellung des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 9. Mai 1994 - noch als Asylwerber anzusehen und daher zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt war.

Der Beschwerdeführer bringt vor, der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Mai 1994 sei ihm niemals rechtswirksam zugestellt worden. Die zuständigen Behörden im Asylverfahren hätten keine Ermittlungen darüber durchgeführt, wo sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Bescheiderlassung aufgehalten hätte. Das bloße Verlassen der Abgabestelle stelle keinen Grund dar, vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz i.V.m. § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991 auszugehen; allein das bloße Nachfragen bei seiner vormaligen Wohnadresse hätte unschwer und ohne Komplikationen ergeben, dass der Beschwerdeführer nach Baden verzogen sei. Das Asylverfahren sei demnach nicht rechtskräftig abgeschlossen und sein Aufenthalt nicht rechtswidrig.

Gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz ist die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, wenn eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert und dies der Behörde nicht unverzüglich mitteilt, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. § 19 Abs. 3 des Asylgesetzes 1991 normierte für die Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz im Asylverfahren, dass die Hinterlegung bei der Behörde selbst zu erfolgen habe.

Die Ermächtigung der Behörde gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, hat nicht nur zur Voraussetzung, dass die unverzügliche Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle unterlassen wurde, sondern auch, dass eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Ohne - wenn auch durch "einfache Hilfsmittel" (so RV 162 BlgNR. 15. GP, 10) - versucht zu haben, die (neue) Abgabestelle auszuforschen, darf von § 8 Abs. 2 Zustellgesetz kein Gebrauch gemacht werden. Die durch § 8 Abs. 2 Zustellgesetz der Behörde erlaubte einfache Zustellung durch Hinterlegung darf somit die Behörde nicht veranlassen, gar nicht zu versuchen, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf zumutbare Weise die neue Abgabestelle auszuforschen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1998, Zl. 96/20/0017, und die zu § 8 Abs. 2 Zustellgesetz in Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, unter E 31 zitierte hg. Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde argumentiert, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei deswegen rechtswidrig, weil sein Asylantrag mit dem - gemäß § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991 zugestellten - Bescheid des Bundesministers für Inneres rechtskräftig abgewiesen sei. Die belangte Behörde hat hiebei jedoch verkannt, dass eine solche Zustellung nur dann wirksam erfolgte, wenn der zumutbare und ohne Schwierigkeiten zu bewältigende Versuch unternommen wurde, die neue Abgabestelle des Empfängers festzustellen. Indem sie dahin gehende Feststellungen hinsichtlich der diesbezüglichen Vorgangsweise des Bundesministers für Inneres unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. Mai 2002

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999210206.X00

Im RIS seit

22.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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