TE Vfgh Erkenntnis 1999/6/15 G56/99

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Veröffentlicht am 15.06.1999
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art11 Abs2
AsylG 1997 §5
AsylG 1997 §32
AVG §63 Abs5

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der bloß zweitägigen Berufungsfrist im Fall der Zurückweisung von Asylanträgen wegen vertraglicher Unzuständigkeit infolge Verstoßes gegen rechsstaatliche Grundsätze und mangels Rechtfertigung unter dem Blickpunkt des Art11 Abs2 B-VG

Spruch

§32 Abs1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76, war insoweit verfassungswidrig, als dies nicht bereits in den den Kundmachungen BGBl. I Nr. 106/1998 und BGBl. I Nr. 41/1999 zugrundeliegenden Erkenntnissen ausgesprochen worden war.

Diese Gesetzesstelle ist nicht mehr anzuwenden.

Der Bundeskanzler ist unverzüglich zur Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, (im folgenden: AsylG) bestimmte - idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999 - in §5 unter der Rubrik "Unzulässige Asylanträge wegen vertraglicher Unzuständigkeit" folgendes:

"§5.(1) Ein nicht gemäß §4 erledigter Asylantrag ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden.

(2) Gemäß Abs1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist."

Der mit der Überschrift "Abgekürztes Berufungsverfahren" versehene §32 AsylG hatte in seiner ursprünglichen Fassung folgenden Wortlaut:

"§32.(1) Gegen Bescheide, mit denen Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder aus den Gründen der §§4 und 5 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen worden sind, kann nur binnen zwei Tagen nach Zustellung Berufung erhoben werden. Fällt diese Berufungsfrist in die Sicherung einer Zurückweisung, so ist diese jedenfalls während des ungenützten Ablaufes dieser Frist zulässig. Eine abgesonderte Berufung gegen eine Feststellung gemäß §8 ist in solchen Fällen nur insoweit möglich, als das Bestehen einer Gefahr gemäß §57 Abs1 FrG behauptet wird. Eine abgesonderte Berufung gegen Bescheide, mit denen in diesen Fällen der Asylerstreckungsantrag Angehöriger als unbegründet abgewiesen wurde, ist nicht zulässig, doch gelten solche Bescheide durch eine Berufung gegen die Entscheidung über den Asylantrag als im selben Umfang angefochten.

(2) Der Berufung ist stattzugeben, wenn die Feststellung der Behörde, der Antrag sei offensichtlich unbegründet oder es bestehe aus den Gründen der §§4 und 5 Unzuständigkeit, nicht zutrifft. In diesen Fällen hat die Berufungsbehörde die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Die zurückweisenden Asylerstreckungsbescheide sind gleichzeitig als überholt aufzuheben. Hat der angefochtene Bescheid auch eine Feststellung gemäß §8 enthalten, hat die Berufungsbehörde ihrerseits eine solche Feststellung zu treffen.

(3) Über die Berufung ist binnen vier Arbeitstagen nach dem Tag des Einlangens bei der Berufungsbehörde zu entscheiden. Wird die Berufung während der Sicherung einer Zurückweisung eingebracht, so ist diese entsprechend länger zulässig."

Aufgrund von Anträgen des Unabhängigen Bundesasylsenates (im folgenden: Bundesasylsenat) hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Juni 1998, G31/98 ua., die im ersten Absatz der eben wiedergegebenen Gesetzesbestimmung enthaltene Wendung "§4 und" als verfassungswidrig auf (s. die Kundmachung BGBl. I Nr. 106/1998) und begründete dies im wesentlichen damit, daß eine Verkürzung der Berufungsfrist von generell zwei Wochen auf zwei Tage in Verfahren nach §4 AsylG weder unter dem Aspekt rechtsstaatlicher Grundsätze noch unter dem Blickpunkt des Art11 Abs2 B-VG gerechtfertigt sei. Mit der gleichen Begründung hob der Gerichtshof aus Anlaß einer bei ihm anhängigen Beschwerdesache sowie aufgrund von Anträgen des Bundesasylsenates mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1998, G210/98 ua., die in derselben Gesetzesbestimmung enthaltene Wortfolge "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" als verfassungswidrig auf und sprach weiters aus, daß die bezogene Gesetzesstelle nicht mehr anzuwenden ist (s. die Kundmachung BGBl. I Nr. 41/1999).

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Juli 1998 wurde der Asylantrag des aus Guinea stammenden Beschwerdeführers der Beschwerdesache B1465/98 - ohne in die Sache einzutreten - gemäß §5 Abs1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, daß für die Prüfung seines Asylantrags gemäß Art6 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags, BGBl. III Nr. 165/1997 (Dubliner Übereinkommen), Italien zuständig sei. Ferner wurde mit diesem Bescheid die Ausweisung des Beschwerdeführers ausgesprochen. Er erhob innerhalb der zweitägigen Rechtsmittelfrist des §32 Abs1 erster Satz AsylG Berufung, die vom Bundesasylsenat mit Bescheid vom 23. Juli 1998 abgewiesen wurde. Gegen diesen Berufungsbescheid ergriff der Beschwerdeführer die unter B1465/98 protokollierte Beschwerde nach Art144 B-VG, in welcher er insbesondere unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G31/98 ua., Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §32 Abs1 erster Satz AsylG geltend macht.

3. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsge-richtshof beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Absatzes 1 im §32 AsylG einzuleiten (der - unter Bedachtnahme auf die erwähnten Aufhebungen von Teilen des ersten Satzes - nunmehr als eine einheitliche, dh. nicht weiter trennbare Vorschrift anzusehen sei).

4. Die Bundesregierung teilte mit, daß sie von einer meritorischen Äußerung Abstand nehme.

II. 1. Das amtswegig eingeleitete, den Absatz 1 des §32 AsylG betreffende Gesetzesprüfungsverfahren erweist sich als zulässig. Es ist offenkundig, daß die zitierte, nicht weiter trennbare Vorschrift im Anlaßbeschwerdeverfahren anzuwenden wäre. Anhaltspunkte für das Vorliegen etwaiger Prozeßhindernisse haben sich nicht ergeben.

2. Der Verfassungsgerichtshof legte im Einleitungsbeschluß folgende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die bezogene Gesetzesvorschrift dar:

"Gegen die in Prüfung zu ziehende Gesetzesbestimmung hegt der Verfassungsgerichtshof grundsätzlich die gleichen Bedenken, die ihn in seinen Erkenntnissen vom 24. Juni 1998, G31/98 ua., und vom 11. Dezember 1998, G210/98 ua., dazu veranlaßt haben, die Wendung "§4 und" bzw. die Wortfolge "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" im ersten Satz des §32 Abs1 AsylG als verfassungswidrig aufzuheben. Der Gerichtshof nahm in diesen Entscheidungen gestützt auf die Vorjudikatur den Standpunkt ein, daß Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen. Dies sei bei einer Regelung wie der über die Dauer einer Rechtsmittelfrist nur dann gegeben, wenn sie dem negativ beschiedenen potentiellen Rechtsschutzsuchenden gewährleistet, sein Rechtsmittel in einer Weise auszuführen, die sowohl dem Inhalt der anzufechtenden Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht adäquat ist als auch dem zu dieser Entscheidung führenden, allenfalls mit Mängeln belasteten Verfahren. Unter den das Asylverfahren kennzeichnenden praktischen Gegebenheiten genüge eine dem Asylwerber offenstehende zweitägige Frist diesen Anforderungen nicht. Auch unter dem Aspekt des Art11 Abs2 B-VG sei eine Verkürzung der Berufungsfrist, soweit sie dem - eben dargestellten - Prinzip der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes widerstreitet, nicht tolerierbar.

Der Gerichtshof geht weiters vorläufig davon aus, daß die Bedenken, welche ihn zur Aufhebung der Vorschrift über die zweitägige Berufungsfrist in Verfahren nach §4 AsylG (Zurückweisung wegen Drittstaatsicherheit) sowie in Verfahren nach §6 AsylG (Abweisung wegen offensichtlicher Unbegründetheit) veranlaßt haben, auch hinsichtlich jener Verfahren zutreffen, in denen Asylanträge gemäß §5 AsylG wegen vertraglicher Unzuständigkeit zurückgewiesen wurden. Die vom Gerichtshof im Erk. G31/98 ua. erstmals dargelegten und im Erk. G210/98 ua. erneut herangezogenen Argumente hinsichtlich der Schwierigkeit, die mit der Einbringung einer Berufung typischerweise (und insbesondere für einen der deutschen Sprache meist unkundigen Asylwerber) einhergehen, sowie hinsichtlich des Erfordernisses, die mit der Ergreifung eines Rechtsmittels notwendig verbundenen manipulativen Umstände zu bewältigen, dürften jedenfalls auch bei Verfahren nach §5 AsylG zum Tragen kommen. Dabei ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß in Verfahren nach §5 AsylG u. U. nicht einfach zu beurteilende vertragliche Zuständigkeitsfragen zu lösen sind, wie schon aus den hier auszugsweise zitierten, auf das Dubliner Übereinkommen bezughabenden Erläuterungen zur Regierungsvorlage des AsylG (686 BlgNR 20. GP 18f) hervorgeht:

'...

Nach diesem Abkommen ergibt sich eine komplexe Zuständigkeitsregelung, die sich wie folgt zusammenfassen läßt:

Primär zuständig ist nach Art4 erster Satz des Dubliner Übereinkommens der Staat, in dem ein als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannter Familienangehöriger des Asylwerbers seinen legalen Wohnsitz hat, wenn der Asylwerber zustimmt oder dies wünscht. Zu Art4 des Dubliner Übereinkommens subsidiär zuständig ist gemäß Art5 Abs1 und 2 jener Staat, der dem Asylsuchenden eine gültige Aufenthaltserlaubnis oder ein gültiges Visum erteilt hat. Unter Aufenthaltserlaubnis ist jede von den Behörden eines Mitgliedstaates erteilte Erlaubnis zu verstehen, mit der der Aufenthalt eines Ausländers im Hoheitsgebiet dieses Staates gestattet wird, mit Ausnahme der Visa und Aufenthaltsberechtigungen, die während der Prüfung eines Antrags auf Aufenthaltserlaubnis oder eines Asylantrages ausgestellt wird. Ist allerdings das Visum mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Dublin-Staates erteilt worden, so ist dieser für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Stellt der Asylwerber, der ein Transitvisum besitzt, seinen Antrag in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er nicht visumpflichtig ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig.

Stellt der Asylwerber, der ein Transitvisum besitzt, seinen Antrag in dem Staat, der ihm dieses Visum erteilt hat und der von den diplomatischen oder konsularischen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats eine schriftliche Bestätigung erhalten hat, derzufolge der von der Visumpflicht befreite Ausländer die Voraussetzungen für die Einreise in diesen Staat erfüllt, so ist letzterer für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Besitzt ein Asylwerber mehrere gültige Aufenthaltsgenehmigungen oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so ist für die Prüfung des Asylantrages jener Staat zuständig, der die Aufenthaltserlaubnis (das Visum) mit der längsten Gültigkeitsdauer bzw. die zuletzt ablaufende Aufenthaltserlaubnis (das zuletzt ablaufende Visum) erteilt hat. Ein Einreisevisum geht einem Transitvisum grundsätzlich vor.

Besitzt ein Asylwerber eine seit weniger als zwei Jahren abgelaufene Aufenthaltsgenehmigung oder ein seit weniger als sechs Monaten abgelaufenes Visum, auf Grund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einreisen konnte, so sind die vorstehenden Kriterien weiter anwendbar, solange der Ausländer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat. Wurde die Frist von zwei Jahren bzw. von sechs Monaten überschritten und hat der Asylwerber das gemeinsame Hoheitsgebiet nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag gestellt wird.

Hat der Asylwerber aus einem Drittstaat die Grenze eines Mitgliedstaates illegal auf dem Land-, See- oder Luftweg überschritten, so ist gemäß Art6 des Dubliner Übereinkommens des weiteren der Mitgliedstaat, über den er nachweislich eingereist ist, für die Antragsprüfung zuständig. Die Prüfung des Asylantrages obliegt gemäß Art7 Abs1 des Dubliner Übereinkommens in weiterer Folge dem Mitgliedstaat, der für die Kontrolle der Einreise des Ausländers in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zuständig ist, es sei denn, daß der Ausländer, nachdem er legal in einen Mitgliedstaat, in dem für ihn kein Visumzwang besteht, eingereist ist, seinen Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat stellt, in dem er ebenfalls kein Einreisevisum vorweisen muß. In diesem Fall ist der letztgenannte Staat für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Ein Mitgliedstaat, der die Durchreise durch die Transitzone seiner Flughäfen ohne Visum zuläßt, gilt gemäß Art7 Abs2 des Dubliner Übereinkommens solange nicht als zuständig, bis ein Abkommen über die Modalitäten des Grenzübergangs an den Außengrenzen in Kraft tritt. Wird ein Asylantrag beim Transit in einem Flughafen eines Mitgliedstaates gestellt, so ist gemäß Art7 Abs3 des Dubliner Übereinkommens dieser Staat zuständig.

Kann auf der Grundlage der übrigen Kriterien kein für die Prüfung des Asylantrages zuständiger Staat bestimmt werden, so ist der erste Mitgliedstaat, bei dem der Asylantrag gestellt wird, für die Prüfung zuständig (Art8 des Dubliner Übereinkommens).

...'"

3. Die dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken erweisen sich als zutreffend. Der Verfassungsgerichtshof hält an den vorläufigen Annahmen des Prüfungsbeschlusses fest und bleibt weiterhin auf dem in seinen Erk. G31/98 ua. und G210/98 ua. unter Bezugnahme auf seine Vorjudikatur eingenommenen Standpunkt, daß Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen. Dies ist jedoch bei einer Regelung über die Dauer einer Rechtsmittelfrist nur dann gegeben, wenn sie dem negativ beschiedenen potentiellen Rechtsschutzsuchenden gewährleistet, sein Rechtsmittel in einer Weise auszuführen, die sowohl dem Inhalt der anzufechtenden Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht adäquat ist als auch dem zu dieser Entscheidung führenden, allenfalls mit Mängeln belasteten Verfahren. Der Gerichtshof hält ebenso daran fest, daß auch unter dem Aspekt des Art11 Abs2 B-VG eine Verkürzung der Berufungsfrist, soweit sie dem Prinzip der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes widerstreitet, nicht tolerierbar ist.

Ein Vergleich des jeweiligen Gegenstandes der Verfahren nach §4 und nach §6 AslyG mit dem des Verfahrens nach §5 AsylG zeigt nun, daß der zeitliche Aufwand für den Rechtsschutzsuchenden bei gebotener Durchschnittsbetrachtung nicht geringer zu veranschlagen ist und jener grundsätzlich den gleichen Schwierigkeiten gegenübersteht wie ein in den Gesetzesprüfungsverfahren G31/98 ua. und G210/98 ua. betrachteter Berufungswerber. Es ist auch in dieser Gesetzesprüfungssache davon auszugehen, daß der Asylwerber im Regelfall der deutschen Sprache nicht mächtig ist und daher schon zum rein sprachlichen Verständnis des ihm zugestellten Bescheides fremder Hilfe bedarf, zumal ihm zwar der Spruch, die Rechtsmittelbelehrung sowie eine Übersetzung der für das Meritum der Entscheidung maßgeblichen Gesetzesbestimmung, nicht jedoch die Begründung in einer ihm verständlichen Sprache zukommen muß (§29 AsylG). Hinzu tritt der Umstand, daß das rein sprachliche Verständnis des Bescheides zur sachgerechten Aktualisierung eines notwendigen Rechtsschutzes nicht ausreicht. Dem Rechtsschutzsuchenden muß vielmehr auch das rechtliche Verständnis des Bescheides möglich gemacht werden; es muß ihm demnach die Möglichkeit geboten werden, sich der Hilfe einer fachkundigen Person als Beistand zu bedienen. Auch im Fall des Verfahrens nach §5 AsylG ist das Erfordernis gegeben, anzunehmende Mängel des Bescheides in materieller und formeller Hinsicht in die Form eines den Standpunkt des Asylwerbers deutlich zum Ausdruck bringenden Schriftsatzes zu kleiden und die damit verbundenen manipulativen Umstände zu bewältigen.

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß eine bloß zweitägige Berufungsfrist den Erfordernissen nicht entspricht, welche an die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung sowohl unter dem Aspekt rechtsstaatlicher Grundsätze als auch unter dem Blickpunkt des Art11 Abs2 B-VG zu stellen sind. Da §32 AsylG durch Z8 der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999 mit Wirkung vom 1. Jänner 1999 eine neue Fassung erhalten hat, hatte sich der Verfassungsgerichtshof auf die Feststellung zu beschränken, daß §32 Abs1 AsylG in dem in Prüfung gezogenen Umfang verfassungswidrig war.

4. Die übrigen Entscheidungen stützen sich auf Art140 Abs7 zweiter Satz sowie Abs5 erster und zweiter Satz B-VG. Der Ausspruch, daß die verfassungswidrige Vorschrift nicht mehr anzuwenden ist, berücksichtigt in Betracht kommende Verfahren vor dem Bundesasylsenat und den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts (vgl. VfGH 11.12.1998, G210/98 ua.).

III. Diese Entscheidung wurde

gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen.

Schlagworte

Asylrecht, Bedarfskompetenz, Rechtsstaatsprinzip, Verwaltungsverfahren, Berufung, Berufungsfrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:G56.1999

Dokumentnummer

JFT_10009385_99G00056_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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