TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/28 2000/11/0169

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Veröffentlicht am 28.05.2002
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §8 Abs2;
FSG-GV 1997 §13 Abs1;
FSG-GV 1997 §19 Abs1;
FSG-GV 1997 §3 Abs1 Z4;
FSG-GV 1997 §3 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Mai 2000, Zl. MA 65-8/570/99, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Rahmen der Anfechtung, d.i. soweit damit die Berufung des Beschwerdeführers gegen die durch die Erstbehörde verfügte Entziehung der Lenkberechtigung abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit rechtskräftigem Mandatsbescheid vom 7. August 1998 entzog die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer die für die Klassen A, B, C, E, F und G erteilte Lenkberechtigung für die Zeit von 15 Monaten, ab Abnahme des Führerscheins bis einschließlich 25. Oktober 1999.

Gestützt auf eine verkehrspsychologische Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 21. Juni 1999 und ein amtsärztliches Gutachten nach § 8 FSG vom 28. Juli 1999 entzog die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 30. Juli 1999 dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 FSG die für die Klassen A, B, C, E, F und G erteilte Lenkberechtigung für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung, gerechnet ab der vorgesehenen Wiederausfolgung. Einer eventuellen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG aberkannt. Unter einem wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Mai 1999 auf Wiederausfolgung des Führerscheins abgewiesen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Der Landeshauptmann von Wien holte daraufhin neuerlich eine verkehrspsychologische Stellungnahme, und zwar des Psychologischen Zentrums in Wien, ein. In der Zusammenfassung dieser Stellungnahme vom 17. Dezember 1999 über eine am 10. Dezember 1999 vorgenommene Untersuchung des Beschwerdeführers wird ausgeführt, auf Grund der Ergebnisse der erhobenen Befunde sowie der Hinweise aus den explorativ gewonnenen Daten könne eine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur Verkehrsanpassung "derzeit" nicht angenommen werden. Der Beschwerdeführer sei aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheingruppen 1 und 2, Klassen A, B, C, E, F und G "derzeit" nicht geeignet.

Der Landeshauptmann von Wien holte weiters ein Gutachten der Universitätsklinik für Psychiatrie des Allgemeinen Krankenhauses ein. In der Zusammenfassung dieses Gutachtens vom 21. Februar 2000 wird aufbauend auf einer am 31. Jänner 2000 erfolgten Untersuchung des Beschwerdeführers ausgeführt, auf Grund der erhobenen Befunde und in Anbetracht der Vorgeschichte sei der Beschwerdeführer aus psychiatrischer Sicht "derzeit" bedingt zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A, B, C und E geeignet. Eine auf ein Jahr befristete Ausfolgung der genannten Führerscheingruppen könne bei regelmäßiger Kontrolle (CDT-Wert) der Alkoholabstinenz gewährt werden.

Im gemäß § 8 FSG erstatteten amtsärztlichen Gutachten vom 13. März 2000 ist lapidar davon die Rede, dass auf Grund der deutlich reduzierten kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und der nicht ausreichenden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung der Beschwerdeführer "derzeit" zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 nicht geeignet sei.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2000 gab der Landeshauptmann von Wien der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe, dass als Beginn der Entziehungszeit der 25. Oktober 1999 festgesetzt werde. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Wien nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften und der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 17. Dezember 1999 sowie einer verkürzten Wiedergabe des Gutachtens der Universitätsklinik für Psychiatrie vom 21. Februar 2000 aus, gestützt auf sämtliche Befunde und Gutachten habe die amtsärztliche Sachverständige der Magistratsabteilung 15 in ihrem "Endgutachten" vom 13. März 2000 abschließend festgestellt, der Beschwerdeführer sei auf Grund der deutlich reduzierten kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und der nicht ausreichenden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 nicht geeignet. Befund und Gutachten seien schlüssig, nachvollziehbar und nach den derzeitigen medizinischen und verkehrspsychologischen Erkenntnissen erstellt. Die Berufungsbehörde habe demnach keine Veranlassung, sie nicht heranzuziehen. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zu diesen Ermittlungen auf vermeintliche Widersprüche zwischen dem zu Grunde liegenden Befund der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle und dem psychiatrischen Gutachten sowie auf die bereits ca. vier Monate zurückliegende verkehrspsychologische Untersuchung verweise, übersehe er, dass "diese Aussagen" verschiedene Aspekte in der Gesamtbeurteilung beträfen. Auch sei der Beschwerdeführer dem abschließenden Gutachten der Magistratsabteilung 15 nicht mit einem auf gleicher wissenschaftlicher Ebene stehenden Gegengutachten entgegen getreten und habe auch mit dem Hinweis auf den Zeitablauf seit der letzten verkehrspsychologischen Untersuchung nicht darlegen können, dass deren Ergebnisse schon deswegen nicht mehr dem derzeitigen Zustand des Beschwerdeführers entsprächen. Es sei somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer "nach wie vor" zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht geeignet sei. Auch die Erstbehörde sei zu Recht von einem Mangel der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers im Sinne des § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 FSG-GV ausgegangen und habe rechtens die Entziehung der Lenkberechtigung ausgesprochen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich beider Spruchpunkte des erstbehördlichen Bescheides (Entziehung der Lenkberechtigung; Abweisung des Antrags auf Wiederausfolgung des Führerscheines) abgewiesen. Durch die Angabe des Beschwerdepunktes, derzufolge sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid "in seinem Recht auf Nichtentziehung der Lenkberechtigung bei gesundheitlicher Eignung verletzt" erachtet, und seine weiteren Beschwerdeausführungen, in denen er auf die Abweisung des Antrages auf Wiederausfolgung des Führerscheins nicht mehr zurückkommt, gibt der Beschwerdeführer zu erkennen, dass er sich ausschließlich insoweit gegen den angefochtenen Bescheid wendet, als darin die durch die Erstbehörde verfügte Entziehung seiner Lenkberechtigung bestätigt wird.

2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FSG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 134/1999) lauten (auszugsweise):

"§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. ... .

...

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. ... .

(2) Die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen ausgesprochen werden, wenn der Grund für die Entziehung oder Einschränkung nur mit der Eigenart des Lenkens dieser bestimmten Klasse zusammen hängt. ... .

...

(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.

..."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Führerschein-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) lauten (auszugsweise):

"§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. ... .

...

§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt.

...

§ 17. (1) Die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs. 2 FSG ist im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht

1.

auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder

2.

auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung

erwecken. ... .

(2) Die Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme ist im Hinblick auf das Lebensalter jedenfalls zu verlangen, wenn auf Grund der ärztlichen Untersuchung geistige Reifungsmängel oder ein Leistungsabbau im Vergleich zur Altersnorm zu vermuten sind; hierbei ist auch die Gruppe der Lenkberechtigung zu berücksichtigen.

...

§ 19. (1) Eine verkehrspsychologische Stellungnahme darf nur von einer vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) ermächtigten verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle abgegeben werden.

...

(5) Die verkehrspsychologischen Stellungnahmen sind von dem hierfür verantwortlichen Psychologen abzugeben; ... ."

3. Eingangs ist festzuhalten, dass eine positive verkehrspsychologische Stellungnahme, und zwar auch dann, wenn die Behörde zu Recht eine solche einholt, keine formelle Voraussetzung für die Annahme der gesundheitlichen Eignung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 3 FSG bzw. § 3 Abs. 1 FSG-GV ist. Das Nichtvorliegen einer positiven verkehrspsychologischen Stellungnahme allein erlaubt es der Behörde nicht, die gesundheitliche Eignung eines Inhabers einer Lenkberechtigung zu verneinen (vgl. zum Falle einer versagten Erteilung einer Lenkberechtigung das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 98/11/0312).

Zwar trifft es zu, dass nach § 19 Abs. 1 FSG-GV eine verkehrspsychologische Stellungnahme nur von einer ermächtigten verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle abgegeben werden kann. Die FSG-GV sieht aber selbst in § 13 Abs. 1 bei Verdacht einer psychischen Erkrankung die Einholung einer psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme vor, welche die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt. Dabei handelt es sich um die - eine Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung im Sinne des § 3 Abs. 1 FSG-GV bildende - "aus ärztlicher Sicht" gegebene "nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit" nach § 3 Abs. 1 Z. 4 FSG-GV, die sich aus der nötigen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zusammensetzt.

Wird der Behörde eine solche fachärztliche Stellungnahme im Sinne des § 13 Abs. 1 FSG-GV vorgelegt, in der auch die "kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen" des Antragstellers beurteilt worden sind, so hat sich der Amtsarzt der Behörde, dem gemäß § 8 Abs. 2 FSG die Erstattung des Gutachtens obliegt, und in weiterer Folge die Behörde mit dieser Stellungnahme inhaltlich auseinander zu setzen und, bevor sie die gesundheitliche Eignung verneinen, zu begründen, warum sie diese fachärztliche Stellungnahme für unrichtig oder unschlüssig halten.

Eine solche nach den bisherigen Ausführungen gebotene Auseinandersetzung mit dem von der Behörde selbst eingeholten psychiatrischen Gutachten der Universitätsklinik für Psychiatrie des Allgemeinen Krankenhauses vom 21. Februar 2000, welches dem Beschwerdeführer eine bedingte gesundheitliche Eignung zuspricht, ist weder der dreizeiligen Begründung des amtsärztlichen Gutachtens nach § 8 FSG vom 13. März 2000 noch der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen. In der Zusammenfassung dieses fachärztlichen Gutachtens wurde ausgeführt, beim Beschwerdeführer hätten sich keine Hinweise auf ein aktuelles psychiatrisches oder neurologisches Krankheitsgeschehen gefunden, in der klinisch-psychologischen Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der verkehrspsychologischen Leistungsfähigkeit seien an den Prüfgeräten zum Untersuchungszeitpunkt überwiegend der Norm stichprobenentsprechende Scores erhebbar gewesen, welche noch keine Beeinträchtigungen der Reaktionssicherheit, Aufmerksamkeits- und Konzentrationssicherheit sowie der Beobachtungsfähigkeit hätten annehmen lassen. Das aktuelle Leistungsprofil zeige ausschließlich im Bereich Wahrnehmungs- und Beobachtungsfähigkeit grenzwertige bis reduzierte Testergebnisse.

Wenn die belangte Behörde in ihrer Begründung ausführt, die amtsärztliche Sachverständige der Magistratsabteilung 15 habe "gestützt auf sämtliche Befunde und Gutachten" in ihrem "Endgutachten" abschließende Feststellungen getroffen, so ist ihr zu entgegnen, dass die schon erwähnte Begründung dieses amtsärztlichen Gutachtens überhaupt keine Bezugnahme auf vorgelegte Befunde und Gutachten enthält, sondern sich in der gänzlich unbegründeten Verneinung der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers wegen deutlich reduzierter kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit und nicht ausreichender Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erschöpft.

Der angefochtene Bescheid ist daher jedenfalls, insoweit er dem Beschwerdeführer die gesundheitliche Eignung auf Grund fehlender kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit abspricht, mit einem relevanten Begründungsmangel behaftet.

Die belangte Behörde hat freilich, wie die Begründung des angefochtenen Bescheides erkennen lässt, die Annahme der mangelnden gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers auch auf dessen nicht ausreichende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung gestützt und sich dabei auf die schon erwähnte Begründung des amtsärztlichen Gutachtens bezogen. Sie hat auch, wenngleich ohne Begründung, darauf hingewiesen, dass sich das psychiatrische Gutachten anders als die verwertete verkehrspsychologische Stellungnahme nicht auf diesen Aspekt der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers erstreckte. Ob diese Beurteilung zutrifft, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, weil die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte Annahme mangelnder Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Verkehrsanpassung ebenfalls einer nachvollziehbaren Begründung ermangelt.

Das nach Auffassung der belangten Behörde nach den "derzeitigen medizinischen" Erkenntnissen erstellte amtsärztliche Gutachten - eine offenkundig formelhafte Behauptung - enthält überhaupt keine Begründung, aus der hervorginge, weshalb der amtsärztliche Sachverständige zum Ergebnis gelangte, beim Beschwerdeführer bestünde keine ausreichende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung. Ein gänzlich begründungsloses Gutachten vermag aber die diesbezügliche Feststellung der belangten Behörde nicht zu tragen.

Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, der amtsärztliche Sachverständige habe sich vollinhaltlich der Einschätzung in der verkehrspsychologischen Stellungnahme anschließen wollen, fehlte es an einer nachvollziehbaren Begründung. In der Zusammenfassung der verkehrspsychologischen Stellungnahme finden sich zum Aspekt "Persönlichkeitsdiagnostik" die in der Bescheidbegründung wiedergegebenen Ausführungen, wonach die "Ergebnisse im Bereich der Persönlichkeitsdiagnostik" auf eine besonnene, flexible, zurückhaltende Persönlichkeit "mit Neigung zur Spontaneität" schließen ließen, "Einstellungen in Verbindung mit verkehrsauffälligem Verhalten" im Durchschnitt, Einstellungen, die häufig mit einer psychischen Alkoholdisposition im Zusammenhang stehen, "im oberen Durchschnitt" sowie die "erfassten Aggressivitätsfaktoren" im Durchschnitt gelegen seien, wobei der "hohe Wert im Faktor Depression" auf eine negative Einstellung zum Leben schließen lasse und die physische Risikobereitschaft "stark durchschnittlich" (sic!), die soziale Risikobereitschaft "überdurchschnittlich" ausgeprägt seien. In der Zusammenfassung wird angeführt, es zeige sich eine depressive, zur Spontaneität neigende Persönlichkeit, häufig mit einer psychischen Alkoholdisposition im Zusammenhang stehende Einstellungen lägen "im oberen Durchschnitt". Es könne daher keine ausreichende Bereitschaft zu verkehrsangepasstem Verhalten angenommen werden. Dieses anscheinend sowohl vom amtsärztlichen Sachverständigen als auch von der belangten Behörde als schlüssig und nachvollziehbar befundene Gutachten der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle ist jedoch seinerseits mangelhaft begründet. Die Schlussfolgerung, es könne keine ausreichende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung angenommen werden, stützt sich, wie aufgezeigt, nur auf zwei Befundfeststellungen, nämlich das Vorliegen einer depressiven, zur Spontaneität neigenden Persönlichkeitsstruktur sowie das Vorliegen von Einstellungen, die "häufig" mit einer psychischen Alkoholdisposition in Zusammenhang stehen, im oberen Durchschnitt. Eine nähere Erklärung, auf Grund welcher Erfahrungssätze bei Personen, bei denen diese beiden erwähnten Feststellungen getroffen werden, bereits der ausreichenden Bereitschaft zu verkehrsangepasstem Verhalten ermangeln, ist nicht erkennbar. Die verkehrspsychologische Stellungnahme enthält auch keine Ausführungen dazu, worin - sowohl allgemein als auch bezogen auf den Einzelfall - der Mangel der Bereitschaft zu verkehrsangepasstem Verhalten zum Ausdruck kommt.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch umschriebenen Umfang wegen wesentlicher Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50, VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.

Wien, am 28. Mai 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000110169.X00

Im RIS seit

06.08.2002

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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