TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/28 2001/11/0067

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Veröffentlicht am 28.05.2002
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §13 Abs1;
FSG-GV 1997 §3 Abs1 Z1;
FSG-GV 1997 §5 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des W in P, vertreten durch Mag. Michael Poduschka, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Dr. Schoberstraße 25, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. Dezember 2000, Zl. VerkR-394.067/1-2000/Si, betreffend Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 15. September 2000 langte bei der Erstbehörde ein Bericht des Gendarmeriepostenkommandos N. vom 6. September 2000 ein. Danach habe der Beschwerdeführer am 19. August 2000 am Gendarmerieposten E. Anzeige erstattet, dass von ihm und seiner Mutter angeblich unzüchtige Fotos angefertigt worden seien. Er arbeite seit ca. einem halben Jahr als Türsteher einer Diskothek in N. Er vermute, dass dort mit einer Digitalkamera von einem Angestellten der Diskothek Fotos von ihm angefertigt worden seien. Diese seien dann mittels Scanner und Computer bearbeitet und im Internet veröffentlicht worden. Es hingen auch in verschiedenen Lokalen in S., E., P. und Umgebung unzüchtige Fotos. Weiters habe der Beschwerdeführer Anzeige erstattet, dass ihm die Kellnerin S. in der Diskothek in N. seine Getränke absichtlich mit Bakterien verseucht habe. Sie habe ihm auch HIV-Viren verabreichen wollen, diese jedoch "nicht bei der Hand gehabt". Er sei am 19. August 2000 im Krankenhaus in E. gewesen, um sein Blut untersuchen zu lassen, sei aber abgewiesen worden, weil nur Notfälle behandelt würden. Die behaupteten Tatsachen habe er nicht selbst festgestellt, sie seien ihm lediglich durch verschiedene Gerüchte zu Ohren gekommen.

Am 23. August 2000 gab der Beschwerdeführer vor dem Gendarmerieposten N. an, er sei am 20. August 2000 bei seinem Hausarzt gewesen. Dieser habe ihm Blut abgenommen, bei dessen Untersuchung keine Besonderheiten festgestellt worden seien.

Auf Grund dieser Anzeige wurden nach dem Bericht des Gendarmeriepostens N. mehrere Angestellte der Diskothek befragt, nach deren Angaben die Anschuldigungen völlig aus der Luft gegriffen seien, der Beschwerdeführer sich das alles nur einbilde und offenbar nervliche und psychische Probleme habe.

Die erstinstanzliche Behörde lud den Beschwerdeführer für den 27. September 2000 zur amtsärztlichen Untersuchung. Nach der Untersuchung durch die Amtsärztin ersuchte diese eine Fachärztin für Neurologie um Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer an einer paranoiden Psychose leide, "oder ob er nur von seinen Kollegen lange genug aufgehetzt wurde".

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2000 forderte die Erstbehörde den Beschwerdeführer gemäß den §§ 8 und 24 Abs. 4 FSG auf, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten innerhalb von vier Monaten vorzulegen. In der Begründung stützte sich die Behörde darauf, dass auf Grund der doch etwas eigenartigen Behauptungen nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer an einer paranoiden Psychose leide. Es sei daher der Auftrag zur Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens zur Frage der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 zu erteilen gewesen.

In der dagegen erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer die Berechtigung zur Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung. Eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben stehe der Behörde nicht zu. Er leide an keiner psychischen Beeinträchtigung. Selbst wenn er an einer psychischen Beeinträchtigung leiden sollte, würde dies seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht einschränken. Die Untersuchung durch einen Amtsarzt sei nicht indiziert.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit dem Hinweis, dass die Frist für die Beibringung des Gutachtens mit der Rechtskraft des Bescheides beginne. Die belangte Behörde stützte ihren Bescheid auf die §§ 24 Abs. 4 und 26 Abs. 5 FSG.

In der Begründung führte sie aus, Voraussetzung für die Einleitung eines Entziehungsverfahrens seien begründete Zweifel am aufrechten Vorliegen einer der Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 26 Abs. 5 FSG seien demnach begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die geistige und körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst seien, nicht mehr besitze. Im Hinblick auf die Verhaltensweisen und die Äußerungen des Beschwerdeführers und die von der Amtsärztin der Erstbehörde geäußerten Bedenken in Richtung einer paranoiden Psychose sei die Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens zu Recht erfolgt. Eine paranoide Psychose könne Auswirkungen auf das Lenken von Kraftfahrzeugen haben. Ob diese Zweifel letztlich zu Recht bestanden hätten, werde zu überprüfen sein. Gemäß § 8 Abs. 2 FSG habe der Beschwerdeführer die zur Erstattung des Gutachtens erforderlichen Befunde beizubringen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG maßgebend:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

...

(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.

...

Sonderfälle der Entziehung

§ 26. ...

(5) Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung der Gutachten zu entziehen."

Weiters sind die folgenden Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV von Bedeutung:

"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

Gesundheit

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

...

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:

...

Psychische Krankheiten und Behinderungen

§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt.

..."

Voraussetzung für die Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung sind begründete Bedenken, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung noch gegeben sind. Ein Bescheid, mit dem der Besitzer einer Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 5 FSG zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens aufgefordert wird, darf daher nur dann erlassen werden, wenn begründete Bedenken gegen das Vorliegen der gesundheitlichen Eignung des Betreffenden bestehen (siehe dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 10. November 1998, Zl. 98/11/0120, vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0185, und vom 30. Mai 2001, Zl. 2001/11/0113).

Die belangte Behörde hat in der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides den Verdacht einer beim Beschwerdeführer bestehenden paranoiden Psychose und damit Bedenken gegen seine gesundheitliche Eignung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Z. 1, § 5 Abs. 1 Z. 4 und § 13 Abs. 1 FSG-GV geäußert. Diese Bedenken sind begründet, weil die vom Beschwerdeführer erstattete Anzeige gegen bestimmte Personen wegen schwer wiegender (u.a. gegen ihn gerichteter) strafbarer Handlungen, hinsichtlich welcher der Beschwerdeführer jedoch über keinerlei eigene Wahrnehmungen verfügt und für die er auch keinerlei konkrete Beweise nennen konnte, sowie sein in diesem Zusammenhang an den Tag gelegtes Verhalten, das erkennen lässt, dass er ohne konkreten Anhaltspunkt ernsthaft grundlose heimtückische Anschläge auf seine Gesundheit befürchtet, einen derartigen Verdacht rechtfertigt. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend macht, der belangten Behörde komme nicht die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit zu, ist ihm zu erwidern, dass es hier nicht um die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit geht, weil er selbst hinsichtlich der strafbaren Handlungen über keinerlei unmittelbare Wahrnehmungen berichtet und sich nur auf die Information durch ihm unbekannte Personen berufen hat.

Eine paranoide Psychose kann Auswirkungen auf die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen haben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 98/11/0202, mwN). Ob sich die genannten begründeten Bedenken letztlich im Ergebnis als berechtigt erweisen und inwieweit eine allenfalls festgestellte psychische Krankheit eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lässt, kann erst nach Vorlage jenes Gutachtens, zu dessen Beibringung der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid aufgefordert wurde, beurteilt werden. Mit seinem Vorbringen, es hätte genügt, ihm die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens gemäß § 8 Abs. 1 FSG aufzutragen, geht der Beschwerdeführer an der Bestimmung des § 24 Abs. 4 FSG vorbei, nach der für die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ein von einem Amtsarzt erstattetes Gutachten gemäß § 8 FSG erforderlich ist.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Mai 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001110067.X00

Im RIS seit

14.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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