TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/28 2000/11/0242

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Veröffentlicht am 28.05.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §5;
FSG 1997 §8 Abs2;
FSG-GV 1997 §3 Abs4;
FSG-GV 1997 §8 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des K in L, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. Juli 2000, Zl. RU6-St-K-9927/0, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. Juni 1994 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klasse B befristet auf die Dauer von fünf Jahren bis 10. Mai 1999 erteilt.

Am 14. April 1999 beantragte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung die Erteilung (Verlängerung) der Lenkberechtigung.

Der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung kam in seinem Gutachten vom 28. Juli 1999 zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 unter der Bedingung der Verwendung einer Kontaktlinse am rechten Auge befristet auf die Dauer von sechs Monaten geeignet sei. Gleichzeitig hielt der Amtsarzt eine Nachuntersuchung in fünf Monaten für erforderlich, wobei vom Beschwerdeführer ein kompletter Augenbefund der Universitäts-Augenklinik vorzulegen sei. Er begründete das Ergebnis des Gutachtens mit praktischer Einäugigkeit des Beschwerdeführers, Gesichtsfeldeinschränkung am sehenden Auge, grenzwertiger Sehleistung am sehenden Auge und einer ausgedehnten Netzhautdegeneration bei hochgradiger Kurzsichtigkeit auch am sehenden Auge. Diesem amtsärztlichen Gutachten lagen zwei augenfachärztliche Befunde Dris A. vom 28. April 1999 und vom 13. Juli 1999 zu Grunde, wonach der Visus mit Korrektur (Kontaktlinsen) rechts 0,8 p und links 0,08 exz. betrage. Das Gesichtsfeld (Außengrenzen 120 Grad ) des rechten Auges sei nasal eingeschränkt durch myope Netzhautdegeneration. Dies sei durch einen Übersichtstest festgestellt worden, bei welchem der Beschwerdeführer von 120 Punkten mit Brille 102 Punkte gesehen und 18 nicht gesehen und mit Kontaktlinse 98 Punkte gesehen und 22 nicht gesehen habe.

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 5. August 1999 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung dem Beschwerdeführer die beantragte Lenkberechtigung, jedoch mit der Auflage der Verwendung einer Kontaktlinse am sehenden Auge und befristet auf die Dauer von sechs Monaten bis 28. Jänner 2000.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, sein linkes Auge erfasse sehr wohl die Außengrenzen, nur im Zentrum des Gesichtsfeldes fehle das Sehvermögen. Aus den vorliegenden "Gutachten" sei ersichtlich, dass seine Kurzsichtigkeit nahezu unverändert geblieben sei. In einem Zeitraum von fünf Jahren habe sich die Kurzsichtigkeit nur unwesentlich, lediglich um zwei Dioptrien erhöht, was für eine "Stabilität der Kurzsichtigkeit" am rechten Auge spreche. Da sein horizontales Gesichtsfeld in den Außengrenzen 120 Grad betrage und das rechte Auge eine Sehschärfe von 0,8 mit Korrektur mittels Kontaktlinse erreiche, seien die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 und 5 FSG-GV erfüllt. Die Behörde hätte außerdem gemäß § 8 Abs. 5 FSG-GV durch eine Beobachtungsfahrt oder eine Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit feststellen müssen, ob der Verlust eines Auges ausreichend kompensiert werden könne. Dies sei von der Behörde unterlassen worden, das Verfahren sei somit mangelhaft. Die Behörde hätte weiters eine amtsärztliche Nachuntersuchung durchführen müssen.

Der Beschwerdeführer legte im Berufungsverfahren mit Schreiben vom 20. Jänner 2000 einen Befund der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie des AKH Wien vom 19. Jänner 2000 vor. Nach diesem Befund beträgt der Visus rechts mit eigener Brillenkorrektur (-20,0s = +0,75c 145 Grad ) 0,7/Jgl Zahlen (mit eigener, analog-korrigierender Kontaktlinsenkorrektur 0,8/Jgl), links ergebe sich mit eigener Brillenkorrektur (-19,75s = +0,75c 20 Grad ) 0,1/ keine Naheleistung. Die Gesichtsfeldaußengrenzen seien in Anbetracht der Refraktionsverhältnisse regelrecht. Jedes Auge für sich erreiche zumindest 120 Grad . Zusätzlich bestehe auch peripheres regelrechtes Binokularsehen, da am linken Augen nur eine zentrale, jedoch keine periphere Läsion bestehe.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2000 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Zahl 3 FSG der Berufung keine Folge, änderte jedoch den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass dessen Spruch wie folgt zu lauten habe:

"Ihr Antrag auf (Wieder-) Erteilung der Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klasse B vom 14. April 1999 wird abgewiesen."

In der Begründung führte der Landeshauptmann von Niederösterreich nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften aus, in dem von ihm eingeholten amtsärztlichen Gutachten gemäß § 8 Abs. 2 FSG vom 25. Oktober 1999 führe der amtsärztliche Sachverständige aus, beim Beschwerdeführer bestehe praktisch Einäugigkeit, da mit dem linken Auge nur ein Visus von 0,08 (Lichtempfinden) vorhanden sei. Gemäß Befund des Paracelsus-Institutes Bad Hall vom 26. März 1999 lägen "zentrale und periphere Veränderungen links mehr als rechts am Augenhintergrund" vor, welche gemäß Befund Dris. A. vom 28. April 1999 zu einem nasal eingeschränkten Gesichtsfeld des rechten Auges durch myope Netzhautdegeneration führe. Das Gesichtsfeld des linken Auges sei somit nicht als normal zu bezeichnen und der Berufungswerber nicht zum Lenken von Fahrzeugen der Gruppe 1 geeignet. Den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befund der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie des AKH Wien vom 17. November 1999 habe der Amtsarzt für mangelhaft gehalten, weil seiner Ansicht nach wesentliche Informationen (zur Sehleistung ohne Korrektur;

zur Art der Korrektur; Details der Gesichtsfelduntersuchung;

aktuelle Diagnose) fehlten. Zu dem ebenfalls vorgelegten Befund der erwähnten Universitätsklinik vom 19. Jänner 2000 habe der Amtsarzt am 28. Juni 2000 in einer Stellungnahme ausgeführt, es fehlten die detaillierten Ergebnisse der Gesichtsfelduntersuchung. Es seien zwar die Außengrenzen angegeben worden, nicht aber die Fragestellung beantwortet, ob innerhalb von 120 Grad Gesichtsfeldausfälle vorliegen. Es bleibe daher das Gutachten vom 25. Oktober 1999 weiterhin aufrecht. Im Hinblick auf das zitierte Gutachten des Amtssachverständigen, an dessen Schlüssigkeit und Richtigkeit die Behörde keinen Anlass zu zweifeln habe, die ergänzenden Stellungnahmen sowie die Tatsache, dass der Beschwerdeführer dem nichts auf gleicher fachlicher Ebene entgegengesetzt habe, insbesondere keinen augenfachärztlichen Befund zur Frage, ob innerhalb von 120 Grad Gesichtsfeldausfälle vorliegen oder nicht, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte - unvollständig (es fehlen das amtsärztliche Gutachten vom 25. Oktober 1999, der darin erwähnte Befund des Paracelsus-Institutes Bad Hall vom 26. März 1999, der Befund der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie des AKH Wien vom 17. November 1999 sowie die amtsärztliche Stellungnahme vom 28. Juni 2000) - die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FSG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 134/1999) lauten (auszugsweise):

"§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

..."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Führerschein-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) lauten (auszugsweise):

"§ 2.

...

(4) Bei der Erstellung des ärztlichen Gutachtens darf keine fachärztliche oder verkehrspsychologische Stellungnahme miteinbezogen werden, die älter als sechs Monate ist. Aktenkundige Vorbefunde sind jedoch heranzuziehen, um einen etwaigen Krankheitsverlauf beurteilen zu können. Zu diesem Zweck hat die Behörde dem Sachverständigen bei Nachuntersuchungen in diese Vorbefunde Einsicht zu gewähren.

...

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

...

3. ausreichend frei von Behinderungen ist

...

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.

...

(4) Besitzer einer Lenkberechtigung, bei denen Erkrankungen oder Behinderungen festgestellt wurden, die nach den nachfolgenden Bestimmungen die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließen würden, gelten dann als geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, wenn sie

1. während der der Feststellung der Erkrankung oder Behinderung unmittelbar vorangehenden zwei Jahre Kraftfahrzeuge tatsächlich gelenkt haben und

2. die Annahme gerechtfertigt ist, dass ein Ausgleich des bestehenden Mangels durch erlangte Geübtheit eingetreten ist.

Der Eintritt dieses Ausgleichs und die Dauer des Vorliegens dieser Eignung ist durch das ärztliche Gutachten nötigenfalls im Zusammenhang mit einer Beobachtungsfahrt festzustellen und darf nur auf höchstens fünf Jahre ausgesprochen werden. Bestehen trotz der durchgeführten Beobachtungsfahrt noch Bedenken über die Eignung des zu Untersuchenden, ist zusätzlich eine verkehrspsychologische Stellungnahme zu seiner kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit einzuholen.

...

§ 6. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend frei von Behinderungen gilt eine Person, bei der keine der folgenden Behinderungen vorliegt:

...

6. mangelhaftes Sehvermögen...

...

§ 8.

...

(5) Fehlt ein Auge oder ist es praktisch blind oder ist eine funktionelle Einäugigkeit gegeben, so kann eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren erteilt werden, wenn durch eine fachärztliche Stellungnahme bestätigt wird, dass beim normal sehenden Auge ein normales Gesichtsfeld und eine Sehschärfe von mindestens 0,8 ohne oder mit Korrektur vorhanden ist. Eventuelle Anzeichen bei Beginn der Erkrankung des sehenden Auges müssen dahingehend beurteilt werden, in welchem Zeitraum eine augenärztliche Kontrolluntersuchung erforderlich ist; die Eignung kann nur für diesen Zeitraum angenommen werden. Bei der Festsetzung des Zeitraumes ist auch auf die Ursache und den Zeitpunkt des Verlustes oder der Blindheit des einen Auges Bedacht zu nehmen. Erforderlichenfalls muss durch eine Beobachtungsfahrt oder eine Überprüfung der kraftfahrtspezifischen Leistungsfähigkeit festgestellt werden, ob der Verlust eines Auges ausreichend kompensiert werden kann. Bei der Erteilung der Lenkberechtigung für das Lenken von Kraftfahrzeugen ohne Windschutzscheiben oder mit Windschutzscheiben, deren oberer Rand nicht höher liegt als die Augen des Lenkers beim Lenken, ist als Auflage die Benützung eines Augenschutzes vorzuschreiben.

..."

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, die belangte Behörde habe insofern ihre Kompetenz überschritten, als sie über einen Anspruch entschieden habe, der gar nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen sei.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (im Falle einer eingeschränkten Berufung der vom Rechtsmittel erfasste Teil des Bescheides, wenn dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennbar ist). Im Beschwerdefall war Sache des Verwaltungsverfahrens die Erteilung (Verlängerung) der Lenkberechtigung. Der Beschwerdeführer wandte sich in seiner Berufung gegen die seiner Ansicht nach zu kurze Erteilungsdauer. Gegenstand des Berufungsverfahrens vor der belangten Behörde war jedoch ebenfalls die Erteilung (Verlängerung) der Lenkberechtigung, weil der vom Rechtsmittel erfasste Teil, nämlich die Befristung, vom übrigen Bescheidinhalt nicht getrennt werden konnte. Um beurteilen zu können, ob die befristete Erteilung der Lenkberechtigung durch die Unterbehörde rechtmäßig war, musste sich die belangte Behörde auch mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit der Beschwerdeführer gesundheitlich geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu lenken. Die belangte Behörde konnte den Bescheid der Unterbehörde somit auch zum Nachteil des Beschwerdeführers abändern.

Soweit der Beschwerdeführer unter dem Blickwinkel der Verletzung von Verfahrensvorschriften mangelnde Einräumung des Parteiengehörs geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, dass ihm das Gutachten des Amtssachverständigen nach der (diesbezüglich) unbedenklichen Aktenlage übermittelt wurde und er auch Gelegenheit hatte, dazu Stellung zu nehmen.

Der Beschwerde kommt jedoch aus anderen Gründen Berechtigung zu.

Die belangte Behörde hat, wie die Begründung des angefochtenen Bescheides erkennen lässt, die Annahme der mangelnden gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers darauf gestützt, dass dessen sehendes Auge kein normales Gesichtsfeld aufweise, und hat sich dabei auf die Begründung des amtsärztlichen Gutachtens bezogen.

Der amtsärztliche Sachverständige stützt sich in der Begründung seines im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Gutachtens vom 25. Oktober 1999 seinerseits unter anderem auf den Befund des Paracelsus-Institutes Bad Hall vom 26. März 1999. Dies ist mit § 2 Abs. 4 FSG-GV, wonach bei der Erstellung des ärztlichen Gutachtens keine fachärztliche Stellungnahme miteinbezogen werden darf, die älter als sechs Monate ist, nicht vereinbar.

Der angefochtene Bescheid ist schließlich noch in einem weiteren Punkt mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet.

Das von der belangten Behörde als schlüssig und nachvollziehbar befundene amtsärztliche Gutachten ist - soweit aus der Bescheidbegründung ersichtlich - mangelhaft begründet. Es enthält keine näheren Ausführungen dazu, warum das Gesichtsfeld beim sehenden Auge des Beschwerdeführers als nicht normal zu bezeichnen ist, insbesondere fehlt eine eingehende Erklärung des dem Befund Dris. A. beigelegten Testergebnisses, wonach der Beschwerdeführer von 120 Punkten mit Brille 102 gesehen und 18 nicht gesehen und mit Kontaktlinse 98 gesehen und 22 nicht gesehen hat. Es geht aus dem Gutachten nicht hervor, inwieweit das Gesichtsfeld beim sehenden Auge tatsächlich eingeschränkt ist und welche konkreten Auswirkungen dies auf das Lenken von Kraftfahrzeugen hätte.

Wenn die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auch damit begründet, dass der Beschwerdeführer keinen Befund zur Frage vorgelegt habe, ob innerhalb von 120 Grad Gesichtsfeldausfälle vorliegen oder nicht, so ist dem zu entgegnen, dass es Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, dem Beschwerdeführer die Vorlage eines derartigen Befundes im Wege einer Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG aufzutragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001, Zl. 2000/11/0254). Dem Beschwerdeführer wurde jedoch lediglich das amtsärztliche Gutachten übermittelt und ihm Gelegenheit gegeben, ergänzende Befunde vorzulegen. Der Beschwerdeführer ist dadurch, dass er zwei Befunde der erwähnten Universitätsklinik vorgelegt hat, seiner Mitwirkungsobliegenheit im Sinne des § 8 Abs. 2 FSG jedenfalls nachgekommen. Mit der Vorlage des ersten Befundes vom 17. November 1999 hat der Beschwerdeführer der Aufforderung des Amtsarztes der Unterbehörde entsprochen, wonach er einen kompletten Augenbefund beizubringen habe, welcher auch Angaben zum Gesichtsfeld des sehenden Auges enthalten sollte, wobei "Goldmann III/4 - Außengrenzen - Gradabgabe" genügte. Dieser Befund war, wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, nach Ansicht des Amtsarztes der belangten Behörde mangelhaft, weil unter anderem "detaillierte Ergebnisse der Gesichtsfelduntersuchung" fehlten. Auch der daraufhin vom Beschwerdeführer vorgelegte zweite Befund der Universitätsklinik vom 19. Jänner 2000 reichte dem Amtsarzt anscheinend nicht aus, insbesondere sei die Frage nicht beantwortet worden, ob innerhalb der 120 Grad Gesichtsfeldausfälle vorliegen. Es kann allerdings vom Beschwerdeführer nicht verlangt werden, dass er weiß, was der Amtsarzt unter "detaillierte Ergebnisse der Gesichtsfelduntersuchung" versteht. Die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer, wenn ihr die bisherige Befundlage nicht ausreichend erschien, die Beibringung eines derartigen Befundes aufzutragen gehabt.

In Hinkunft wird die belangte Behörde schließlich auch zu beachten haben, dass gemäß § 8 Abs. 5 FSG-GV erforderlichenfalls durch eine Beobachtungsfahrt oder eine Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit festzustellen ist, ob der Verlust eines Auges ausreichend kompensiert werden kann. Die Behörde ist dazu verpflichtet, wenn nicht schon durch das amtsärztliche Gutachten sämtliche Zweifel ausgeräumt werden können. Für eine Beobachtungsfahrt gemäß § 3 Abs. 4 FSG-GV bleibt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bei Mängel des Sehvermögens auf Grund des Charakters des § 8 Abs. 5 FSG-GV als lex specialis zu § 3 Abs. 4 FSG-GV hingegen kein Raum. Sollte nämlich durch eine Beobachtungsfahrt gemäß § 8 Abs. 5 FSG-GV festgestellt worden sein, dass der Verlust eines Auges nicht ausreichend kompensiert werden kann, so kommt die Annahme, ein Ausgleich des bestehenden Mangels sei durch erlangte Geübtheit im Sinne des § 3 Abs. 4 FSG-GV eingetreten, nicht mehr in Frage.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.

Wien, am 28. Mai 2002

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter AbspruchBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch den Berufungsantrag Umfang der Anfechtung Teilrechtskraft Teilbarkeit der vorinstanzlichen EntscheidungBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000110242.X00

Im RIS seit

06.08.2002

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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