TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/5 2002/08/0012

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2002
beobachten
merken

Index

L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3;
AlVG 1977;
ASVG §253a Abs2;
ASVG §253a Abs3;
ASVG §253b Abs1 Z4;
ASVG §572 Abs8;
GdO OÖ 1990 §18a;
GdO OÖ 1990 §34 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des G in M, vertreten durch Mag. Christoph Aumayr, Rechtsanwalt in 5270 Mauerkirchen, Untermarkt 7, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 9. November 2000, Zl. LGSOÖ/Abt.4/1280/0680/2000, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 22. Mai 2000 stellte der Beschwerdeführer bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 5. Juli 2000 wurde diesem Antrag gemäß § 12 Abs. 1 iVm Abs. 6 lit. a AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei der Gemeinde M. eine Funktion als Fraktionsobmann ausübe und ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erziele. Nach einer Bestätigung der Gemeinde M. vom 8. Juni 2000, die im Akt einliegt, hat der Beschwerdeführer in seiner Funktion als Fraktionsobmann im Gemeinderat für die Monate Jänner bis Juni 2000 je S 4.530,-- Bruttobezüge erhalten.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er beziehe kein Einkommen, sondern lediglich eine Aufwandsentschädigung. Es handle sich sohin nicht um zu versteuernden Gewinn. Außerdem werde diese Aufwandsentschädigung von ihm gemäß einer Vereinbarung mit der Ortsgruppe M. an seine Partei abgeführt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung nicht stattgegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe eine Bestätigung der Ortsgruppe M. übermittelt, worin dargelegt werde, dass er seine Fraktionsobmannentschädigung in Höhe von monatlich S 4.530,-- für die Monate Jänner bis Juni 2000 bzw. von monatlich S 4.377,30 ab Juli 2000 bis laufend an die Gemeindeparteikasse regelmäßig abgeführt habe bzw. laufend abführe. Dem Ersuchen, ihm etwa entstandene Aufwendungen in seiner Funktion als Fraktionsobmann nachzuweisen, sei er nicht nachgekommen. Die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit in Fällen, in denen eine politische Funktion ausgeübt oder aufgenommen werde, aus der dem Arbeitslosen ein Bezug nach dem Bundesbezügegesetz oder einem Bezügegesetz der Länder zukomme, habe nach den Bestimmungen des § 12 Abs. 1 iVm Abs. 6 lit. a AlVG zu erfolgen. Liege in derartigen Fällen ein Amtsbezug vor, der die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG übersteige, so sei das Vorliegen von Arbeitslosigkeit zu verneinen. Die vom Beschwerdeführer bezogene Aufwandsentschädigung als Fraktionsobmann liege über der für das Jahr 2000 geltenden Geringfügigkeitsgrenze von monatlich S 3.977,-- und schließe somit das Vorliegen von Arbeitslosigkeit aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da es sich beim Anspruch auf Arbeitslosengeld um einen zeitraumbezogenen Anspruch handelt, ist im vorliegenden Fall die Rechtslage zwischen der am 22. Mai 2000 erfolgten Antragstellung auf Arbeitslosengeld und der Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer am 15. November 2000 maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, Zl. 2001/19/0048).

§ 12 AlVG in der demnach maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 148/1998 lautet auszugsweise:

"Arbeitslosigkeit

§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

...

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

a)

wer in einem Dienstverhältnis steht;

b)

wer selbständig erwerbstätig ist;

c)

wer ein Urlaubsentgelt nach dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1972, BGBl. Nr. 414, in der jeweils geltenden Fassung bezieht, in der Zeit, für die das Urlaubsentgelt gebührt;

              d)              wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist;

              e)              wer eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in anderer Weise angehalten wird;

              f)              wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne daß ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht;

              g)              wer an mehr als 16 Tagen im Kalendermonat vorübergehend erwerbstätig ist oder aus vorübergehender Erwerbstätigkeit im Kalendermonat ein Nettoeinkommen (§ 21a Abs. 2) erzielt, welches den Höchstbetrag (das ist der mit der Anzahl der Tage im Kalendermonat vervielfachte tägliche Grundbetrag des Arbeitslosengeldes in der höchsten Lohnklasse zuzüglich der Hälfte des der Geringfügigkeitsgrenze für den Kalendermonat gemäß § 5 Abs. 2 ASVG entsprechenden Betrages, bei Anspruch auf Familienzuschläge überdies zuzüglich den mit der Anzahl der Tage im Kalendermonat vervielfachten, ohne Anrechnung gemäß § 20 Abs. 5 erster und zweiter Satz gebührenden Familienzuschlägen) übersteigt, für diesen Kalendermonat;

h)

ein Lehrbeauftragter in den Semester- und Sommerferien;

i)

wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, daß zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.

...

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben;

b) wer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr führt, dessen Einheitswert 60 000 S nicht übersteigt;

c) wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt;

d) wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten der Eltern oder Kinder tätig ist, sofern das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigen würde;

e) wer als geschäftsführender Gesellschafter aus dieser Tätigkeit ein Einkommen gemäß § 36a oder einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des auf Grund seiner Anteile aliquotierten Umsatzes der Gesellschaft die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.

..."

Hinsichtlich der Aufwandsentschädigung eines Fraktionsobmannes sieht § 34 Oö. Gemeindeordnung 1990, LGBl. Nr. 91, idF LGBl. Nr. 7/2000, folgende Regelungen vor:

"§ 34

Aufwandsentschädigung und Sitzungsgeld

(1) Den Vizebürgermeistern und Fraktionsobmännern, die nicht zugleich Bürgermeister sind, gebührt eine Aufwandsentschädigung.

(2) Die Aufwandsentschädigung für die Vizebürgermeister beträgt:

     1. in Gemeinden mit höchstens 1.000 Einwohnern

     für den 1. Vizebürgermeister ............ 15%

     für den 2. Vizebürgermeister ............ 10%,

     2. in Gemeinden mit höchstens 4.500 Einwohnern

     für den 1. Vizebürgermeister ............ 20%

     für den 2. Vizebürgermeister ............ 15%

     für den 3. Vizebürgermeister ............ 10%,

     3. in Gemeinden mit höchstens 15.000 Einwohnern

     für den 1. Vizebürgermeister ............ 30%

     für den 2. Vizebürgermeister ............ 20%

     für den 3. Vizebürgermeister ............ 15%,

     4. in Gemeinden mit mehr als 15.000 Einwohnern

     für den 1. Vizebürgermeister ............ 40%

     für den 2. Vizebürgermeister ............ 30%

     für den 3. Vizebürgermeister ............ 20%

des Bezuges des Bürgermeisters. Als Bezug des Bürgermeisters gilt der Bezug, der gemäß § 2 Abs. 1 des Oö. Gemeinde-Bezügegesetzes 1998 für einen nicht hauptberuflichen Bürgermeister der jeweiligen Gemeinde festgesetzt ist.

(3) Für die Besorgung wichtiger Aufgaben kann durch Verordnung des Gemeinderates auch für die Mitglieder des Gemeindevorstands, die nicht zugleich Bürgermeister sind, eine angemessene Aufwandsentschädigung festgesetzt werden. Die Höhe einer solchen Aufwandsentschädigung ist unter Bedachtnahme auf das Ausmaß der Arbeitsbelastung und die erhöhten Aufwendungen festzusetzen. Sie darf für Vizebürgermeister 50% und für die übrigen Mitglieder des Gemeindevorstands 30% des Bezugs des Bürgermeisters nicht übersteigen; Abs. 2 letzter Satz ist sinngemäß anzuwenden.

(4) Die Aufwandsentschädigung für die Fraktionsobmänner beträgt 15% des Amtsbezuges des Bürgermeisters; Abs. 2 letzter Satz ist sinngemäß anzuwenden. Hat ein Fraktionsobmann auf Grund der Abs. 2 und 3 mehrere Ansprüche auf eine Aufwandsentschädigung, ist ihm nur die jeweils höhere auszuzahlen.

(5) Sofern ihnen keine Aufwandsentschädigung nach Abs. 1 bis 4 und kein Bezug im Sinn des Oö. Gemeinde-Bezügegesetzes 1998 gebührt, haben die Mitglieder des Gemeindevorstandes und die Mitglieder (Ersatzmitglieder) des Gemeinderates für die Teilnahme an den Sitzungen des Gemeindevorstandes, des Gemeinderates und der Ausschüsse Anspruch auf ein Sitzungsgeld, dessen Höhe vom Gemeinderat festzulegen ist. Das Sitzungsgeld muß mindestens mit 1% und darf höchstens mit 3% des Bezuges des Bürgermeisters festgelegt werden. Abs. 2 letzter Satz gilt sinngemäß.

(6) Übt der Bürgermeister seine Funktion durch einen zusammenhängenden Zeitraum von wenigstens 14 Tagen nicht aus, gebührt dem Vizebürgermeister, der den Bürgermeister in seiner Funktion während dieses Zeitraumes vertritt, eine Aufwandsentschädigung in der Höhe des auf den Vertretungszeitraum entfallenden aliquoten Anteils des Bezuges des Bürgermeisters, ein aliquoter Anteil an den Sonderzahlungen und der Ersatz der Reisekosten. Während dieses Vertretungszeitraumes ruht die dem Vizebürgermeister gemäß Abs. 2 gebührende Aufwandsentschädigung.

(7) Mitgliedern des Gemeindevorstandes bzw. Stadtrates und Gemeinderäten, denen kein Bezug nach dem Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 gebührt und die nicht Bedienstete einer öffentlichrechtlichen Körperschaft, einer solchen Stiftung, Anstalt oder eines solchen Fonds sind, deren Dienstrecht hinsichtlich der Gesetzgebung in die Kompetenz des Landes fällt, gebührt der Ersatz des mit ihrer Funktionsausübung verbundenen nachweislichen Verdienstentganges aus einer selbständigen oder unselbständigen beruflichen Tätigkeit in einem von der Landesregierung durch Verordnung festzulegenden Ausmaß der Arbeitsstunden pro Jahr. In dieser Verordnung kann die Höhe des Verdienstentganges auch in Form eines Bauschbetrages pro Stunde festgelegt werden.

(8) Auf Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder kann nicht verzichtet werden."

Die Funktion eines Fraktionsobmannes ist im § 18a

Oö. Gemeindeordnung 1990 wie folgt geregelt:

"§ 18a

Fraktionen

(1) Die auf Grund der Wahlvorschläge ihrer Wahlpartei gewählten Gemeinderatsmitglieder bilden für die Dauer der Funktionsperiode des Gemeinderates jeweils eine Fraktion. Jede Fraktion, die aus mehr als einem Mitglied des Gemeinderates besteht, hat aus ihrer Mitte einen Obmann und zumindest einen Obmann-Stellvertreter zu bestellen.

(2) Die Obmänner haben ihre Bestellung und die Bestellung der Obmann-Stellvertreter dem Bürgermeister schriftlich anzuzeigen. Der Bürgermeister hat diese Anzeigen bei nächstmöglicher Gelegenheit im Gemeinderat zu verlesen.

(3) Eine Anzeige ist gültig, wenn sie von der absoluten Mehrheit der Mitglieder der Fraktion unterzeichnet ist; sie gilt so lange, als nicht eine Änderung oder Ergänzung dem Bürgermeister schriftlich angezeigt wird.

(4) Solange keine Anzeige vorliegt, kommt die Funktion des Fraktionsobmannes dem Mitglied des Gemeinderates zu, das an vorderster Stelle auf der Liste seiner Wahlpartei in den Gemeinderat gewählt wurde. Besteht eine Fraktion nur aus einem Mitglied, so fallen die Aufgaben des Fraktionsobmannes diesem zu.

(5) Der Obmann bzw. der von ihm ermächtigte Vertreter seiner Fraktion ist berechtigt, hinsichtlich jener Angelegenheiten, die im Gemeinderat zu behandeln sind und die auf der Einladung für die nächste Sitzung als Tagesordnungspunkte aufscheinen, beim Gemeindeamt die zur Behandlung einer solchen Angelegenheit notwendigen Unterlagen einzusehen, sich Aufzeichnungen zu machen und die erforderlichen Auskünfte einzuholen. Bestimmungen über die Amtsverschwiegenheit bleiben hiedurch unberührt."

Der Gemeinderat hat gemäß § 45 Abs. 1 Oö. Gemeindeordnung 1990 je nach Bedarf, wenigstens aber in jedem Vierteljahr einmal zusammenzutreten. Tag und Stunde sind so festzusetzen, dass möglichst alle Mitglieder des Gemeinderates an der Sitzung teilnehmen können. Die Sitzungen sind vom Bürgermeister einzuberufen. Gemäß § 45 Abs. 2 leg. cit. ist der Bürgermeister verpflichtet, eine Sitzung binnen einer Woche einzuberufen, wenn dies wenigstens ein Viertel der Mitglieder des Gemeinderates oder die Aufsichtsbehörde verlangt.

Da der Aufzählung der Tatbestände des § 12 Abs. 3 AlVG nur veranschaulichende Bedeutung für die Definition der Arbeitslosigkeit durch § 12 Abs. 1 AlVG zukommt (arg.: "insbesondere"), fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter den Begriff "Beschäftigung" im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG nicht nur die im § 12 Abs. 3 lit. a, b und d AlVG angeführten Tätigkeiten. Das bedeutet aber nicht, dass jede mit einem Einkommen verbundene Tätigkeit darunter zu subsumieren ist. Die in § 12 Abs. 3 lit. a, b und d AlVG aufgezählten Tätigkeiten geben vielmehr die Richtung an, in der der Beschäftigungsbegriff des § 12 Abs. 1 AlVG zu interpretieren ist. Demgemäß ist unter einer Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG jede mit einem Erwerbseinkommen verbundene (im Falle des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG letztlich Erwerbszwecken dienende) Tätigkeit zu verstehen. Unter einem Erwerbseinkommen ist dabei in den Fällen, in denen ein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG vorliegt, das Entgelt nach § 49 ASVG gemeint, also Geld- und Sachbezüge, auf die der Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. Liegt aber der Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG kein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG zu Grunde, so sind unter dem Erwerbseinkommen die aus dieser Beschäftigung erzielten (im Falle des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG fiktiven) Einkünfte in Geld- oder Güterform zu verstehen. Mit einer Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG ist somit eine Erwerbstätigkeit gemeint. Gemeinsames Merkmal sowohl der selbstständig als auch der unselbstständig Erwerbstätigen ist aber, dass sie eine nachhaltige Tätigkeit entfalten, die (ihrem Typus nach) die Schaffung von Einkünften in Geld- oder Güterform bezweckt. Dabei setzt die Nachhaltigkeit dieser Tätigkeit voraus, dass bei den Erwerbstätigen die Absicht besteht, die Tätigkeit bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen und aus der ständigen Wiederholung eine Erwerbsquelle zu machen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0125, Slg. Nr. 14130/A).

Der Begriff der die Arbeitslosigkeit ausschließenden "Beschäftigung" im Verständnis des § 12 Abs. 1 AlVG orientiert sich nicht an den entsprechenden einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen, sondern zum Einen an der Ausgestaltung der Tätigkeit, aus der das Einkommen erzielt wird, und zum Anderen am Begriffsverständnis des (anspruchshindernden) Einkommens aus Erwerbstätigkeit nach dem ASVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, Zl. 2001/19/0048). Ebenso orientiert sich der Begriff der eine Arbeitslosigkeit ausschließenden Erwerbstätigkeit auch nicht am Bestehen einer Versicherungspflicht in der Kranken- und Unfallversicherung (vgl. das soeben genannte hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001).

Die zeitliche Inanspruchnahme eines Fraktionsobmanns nach den oben genannten Bestimmungen der O.ö. Gemeindeordnung 1990 ist nicht ausreichend, dass sie jener entsprechen könnte, die mit dem Begriff der "Erwerbstätigkeit" in der Regel verbunden ist. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass als Aufwandsentschädigung für diese Tätigkeit nur 15 % des Amtsbezuges des Bürgermeisters vorgesehen sind (vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/08/0133, und das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, Zl. 2001/19/0048).

Zu dem Begriff des anspruchshindernden Einkommens aus Erwerbstätigkeit nach dem ASVG hat der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 13. November 1990, Zl. 89/08/0229, Slg. Nr. 13308/A, auf § 253a Abs. 2 ASVG folgendermaßen Bezug genommen:

"Seit der Neufassung dieser Bestimmung durch die 39. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 590/1983, fällt nämlich die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit mit dem Tag weg, an dem der (die) Versicherte eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit mit einem bestimmte Grenzbeträge übersteigenden Einkommen aufnimmt. Durch die 44. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 609/1987, wurde dem ersten Satz des § 253a Abs. 2 leg. cit. folgender Satz eingefügt: 'Als Erwerbseinkommen auf Grund einer Erwerbstätigkeit gelten auch die im § 23 Abs. 2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezüge.' Das sind Bezüge nach Abschnitt I des Bezügegesetzes sowie Bezüge von obersten Organen der Vollziehung, Bürgermeistern und Mitgliedern des Stadtsenates von Städten mit eigenem Statut oder Mitgliedern von Organen der Gesetzgebung nach vergleichbaren landesgesetzlichen Regelungen. Hätten solche Bezüge nach Auffassung des Gesetzgebers ohnedies ein Erwerbseinkommen auf Grund einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit dargestellt, so hätte es dieser Ergänzung nicht bedurft. Der Gesetzgeber erachtete sie aber deshalb für erforderlich, weil 'derzeit bei Vorliegen eines im § 23 Abs. 2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezuges eine vorzeitige Alterspension nicht wegfallen' könne (324 Blg. NR XVII. GP, 40). Anhaltspunkte dafür, daß dem § 12 AlVG ein anderes Verständnis der Erwerbstätigkeit zugrunde läge, bestehen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht."

Der vorliegende Fall betrifft Funktionstätigkeiten des Beschwerdeführers vor dem 31. Dezember 2000. Im bereits erwähnten hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, Zl. 2001/19/0048, legte der Verwaltungsgerichtshof zu vergleichbaren Tätigkeiten u. a. Folgendes dar:

"Bis zum Inkrafttreten des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 enthielten § 253a Abs. 3 in Verbindung mit § 253b Abs. 1 Z. 4 ASVG Regelungen, welche jener des § 253a Abs. 2 ASVG in der Fassung der 44. ASVG-Novelle vergleichbar waren. Dort hieß es nämlich:

'Vorzeitige Alterpension bei Arbeitslosigkeit

§ 253a. ...

...

(3) Die Pension gemäß Abs. 1 fällt mit dem Tag weg, an dem der (die) Versicherte eine Erwerbstätigkeit ausübt, die das Entstehen eines Anspruches gemäß § 253b Abs. 1 Z 4 ausschließen würde. ...

...

Vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer

§ 253b. (1) Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hat der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres, wenn

...

4. der (die) Versicherte am Stichtag (§ 223 Abs. 2) weder ... noch aus sonstigen selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeiten ein Erwerbseinkommen bezieht, das das gemäß § 5 Abs. 2 lit. c jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen übersteigt; als Erwerbseinkommen auf Grund einer sonstigen Erwerbstätigkeit gelten auch die im § 23 Abs. 2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezüge. ...'

Durch die Novellierung des ASVG durch das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 entfiel in § 253b Abs. 1 Z. 4 der zweite Halbsatz. Gleichzeitig wurde dem § 91 Abs. 1 ASVG ein dritter Satz eingefügt, demgemäß die in § 1 Z. 4 lit. c des Teilpensionsgesetzes genannten Bezüge dem Erwerbseinkommen aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gleichzuhalten sind.

Für das Inkrafttreten des § 91 Abs. 1 ASVG in der Fassung dieser Novelle wurde die oben wiedergegebene Übergangsbestimmung des § 572 Abs. 8 ASVG geschaffen. In den Erläuterungen zu diesen Bestimmungen (886 BlgNR 20. GP, 102) heißt es:

'Im Gleichklang mit dem Entwurf eines Bundesgesetzes über das Zusammentreffen von öffentlich rechtlichen Pensionsansprüchen mit Erwerbseinkommen (Teilpensionsgesetz) sollen in Hinkunft die im Bezügebegrenzungsgesetz umschriebenen Bezüge politischer Organwalter und öffentlicher Funktionäre als Erwerbseinkommen gelten. Zu berücksichtigen sind danach die Bezüge der im § 1 des Bundesbezügegesetzes sowie in den §§ 1 Abs. 1 und 2 und 10 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (bzw. auf dessen Grundlage erlassener Landesgesetze) genannten Organe oder Funktionäre. Bezüge, die bisher nicht als Erwerbseinkommen im sozialversicherungsrechtlichen Sinne galten, sollen auf Grund einer Übergangsbestimmung erst bei Funktionsausübung ab dem Jahr 2001 Berücksichtigung finden.'

In den Erläuterungen zum Teilpensionsgesetz, 885 BlgNR 20.

GP, 58, heißt es:

'... Das Erwerbseinkommen umfasst grundsätzlich alle Einkünfte aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit sowie die Bezüge der Organe der Gesetzgebung und der Vollziehung aller Gebietskörperschaften. ...'

Nach diesen Erläuterungen könnte auch in der Regelung des 'Aufwandersatzes' für Mitglieder des Gemeindevorstandes in § 6 NÖ GBezG ungeachtet seiner Bezeichnung eine auf Grund des § 1 Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre ergangene landesgesetzliche Vorschrift im Verständnis des § 1 Z. 4 lit. c sublit. cc des Teilpensionsgesetzes erblickt werden.

Damit hätte sich unter anderem auch für Stadträte im Verständnis der Niederösterreichischen Gemeindeordnung ergeben, dass ihre Bezüge einem (anspruchshindernden) Erwerbseinkommen aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit im Verständnis des ASVG gleichzuhalten wären, jedoch bloß insoweit, als sie in den durch § 572 Abs. 8 ASVG eingeschränkten Anwendungsbereich des § 91 Abs. 1 dritter Satz ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 139/1997 fallen.

Ob sich hiedurch auch der Beurteilungsmaßstab für das Bestehen von Arbeitslosigkeit im Verständnis des § 12 Abs. 1 AlVG geändert hat, kann im Falle der Beschwerdeführerin dahingestellt bleiben, weil aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen ist, dass diese ihre Funktion erst nach dem 31. Dezember 2000 erstmals oder neuerlich angetreten hätte. Insbesondere ergibt sich aus der Aktenlage, dass die Beschwerdeführerin auch schon während des Jahres 2000 Bezüge in der von der belangten Behörde für das Jahr 2001 festgestellten Höhe erhalten hat.

Hat die Beschwerdeführerin aber ihre Funktion als Stadträtin schon vor dem 31. Dezember 2000 angetreten, so war § 91 Abs. 1 dritter Satz ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 139/1997 auf sie nicht anwendbar. Selbst wenn man die Auffassung vertreten wollte, durch diese Bestimmung hätte der Begriff der die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung insoweit eine Erweiterung erfahren, als davon auch Bezüge politischer Mandatare im Verständnis des § 91 Abs. 1 ASVG mitumfasst wären, träfe dies dennoch nicht auf die Bezüge der Beschwerdeführerin, die ihr Mandat schon vor dem 31. Dezember 2000 angetreten hat, zu.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher auch angesichts der durch das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 vorgenommenen Novellierungen des ASVG im vorliegenden Fall nicht veranlasst, von den in der zitierten Vorjudikatur, insbesondere im hg. Erkenntnis vom 13. November 1990, dargelegten Erwägungen abzugehen."

Nach der vom Verwaltungsgerichtshof angesprochenen Übergangsbestimmung des § 572 Abs. 8 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2000 ist § 91 Abs. 1 dritter Satz ASVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 139/1997 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Bezüge, die nicht schon von § 23 Abs. 2 des Bezügegesetzes, BGBl. Nr. 273/1972, in der am 31. Juli 1997 geltenden Fassung umfasst waren, nur dann als Erwerbseinkommen gelten, wenn die jeweilige Funktion, auf Grund derer diese Bezüge gebühren, nach dem 31. Dezember 2000 erstmals oder neuerlich angetreten wird.

Die dargestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes sind folglich auch im gegenständlichen Fall von Bedeutung, da die in Rede stehenden Bezüge dem Beschwerdeführer für Funktionsausübungen im Jahr 2000 ausbezahlt wurden.

Somit liegt insgesamt im Sinne der eingangs erwähnten Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes, an der die zuletzt erwähnte Änderung des ASVG schon im Hinblick auf ihren durch die Übergangsbestimmung geregelten besonderen Anwendungsbereich im Beschwerdefall nichts zu ändern vermag, keine Beschäftigung vor, die die Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG ausgeschlossen hätte. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren richtet sich nach § 3 Abs. 2 Z. 2 Euro-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 5. Juni 2002

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002080012.X00

Im RIS seit

07.10.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten