TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/5 99/08/0138

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Veröffentlicht am 05.06.2002
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §113 Abs1;
ASVG §59 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der R GmbH in P, vertreten durch Dr. Manfred Buchmüller, Rechtsanwalt in 5541 Altenmarkt im Pongau, Marktplatz 155, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 5. August 1999, Zl. 3/01- 13.419/4-1999, betreffend Verhängung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, 5020 Salzburg, Faberstraße 19 - 23), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der beschwerdeführenden Gesellschaft Aufwendungen von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 16. November 1998 wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß § 113 Abs. 1 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von S 10.500,-- vorgeschrieben. Nach der Begründung sei von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse anlässlich einer Beitragsprüfung festgestellt worden, dass die im Baugewerbe tätige beschwerdeführende Gesellschaft in 80 Fällen beitragspflichtige Sonderzahlungen nicht gemeldet habe, welcher Umstand zu einer Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Höhe von S 42.095,52 geführt habe.

In ihrem Einspruch gegen diesen Bescheid wendete sich die beschwerdeführende Gesellschaft nur gegen die Höhe des Beitragszuschlages und führte wörtlich aus: "Der verhängte Beitragszuschlag stellt keinen angemessenen Schadenersatz für die verspäteten Versicherungsmeldungen dar. Dieser wäre richtigerweise durch entsprechende Zinsberechnungen zu ermitteln und vorzuschreiben."

Im Zuge des Einspruchsverfahrens ließ die belangte Behörde die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in einem Schreiben vom 9. März 1999 wissen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Höhe eines Beitragszuschlages das Ausmaß des durch die Säumigkeit des Beitragspflichtigen verursachten Verwaltungsaufwandes zuzüglich des Zinsentganges infolge der verspäteten Beitragsentrichtung nicht überschreiten dürfe, weshalb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ihren Verwaltungsaufwand sowie die Höhe der durch die verspätete Beitragsentrichtung aufgelaufenen Zinsen ermitteln und bekannt geben möge.

In ihrem Antwortschreiben vom 20. April 1999 wies die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zunächst darauf hin, dass bei der beschwerdeführenden Gesellschaft bereits im Jahre 1996 eine Beitragsprüfung durchgeführt worden sei, als deren Ergebnis Beiträge in der Höhe von S 59.014,97 nachverrechnet worden seien und ein Beitragszuschlag von S 11.800,-- auferlegt worden sei. Dem nunmehr bekämpften Beitragszuschlag liege eine Betriebsprüfung vom

15. bis 22. Oktober 1998 für den Prüfzeitraum Jänner 1996 bis Dezember 1997 zu Grunde, bei der bei 80 Dienstnehmern eine Differenznachberechnung bei der Weihnachtsremuneration hätte vorgenommen werden müssen. Bei ordnungsgemäßer Abrechnung durch die beschwerdeführende Gesellschaft wäre die Betriebsprüfung für die 108 Beschäftigten innerhalb eines Tages zu bewältigen gewesen. Die Verzugszinsen für den nachzuzahlenden Betrag von S 42.095,52 seien mit S 4.136,22 errechnet worden; der Verwaltungsmehraufwand für vier zusätzliche Tage betrage S 6.364,--.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und hielt in der Begründung nach Darstellung der Rechtslage und geraffter Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens fest, dass im Zuge der vom 15. bis 22. Oktober 1998 durchgeführten Beitragsprüfung - ebenso wie bereits bei der Beitragsprüfung im Jahre 1996 - gravierende Mängel bei der Berechnung der Weihnachtsremunerationen festgestellt worden seien; in 80 Fällen habe eine Differenznachberechnung für die Beitragsjahre 1996 und 1997 vorgenommen werden müssen. Auf Grund der Vielzahl von Abrechnungsdifferenzen hätte die Prüfung acht Tage gedauert. Der durch die mangelhafte Berechnung der Weihnachtsremunerationen festgestellte "Mehraufwand" ergebe sich wie folgt:

"Verzugszinsen S 4.136,--

Mehraufwand 11,5 h für Prüfereinsatz a S 510,-- S 5.865,--

Kilometergeld 2 x 40 km a S 4,90 S 392,-- Telefon und Porte S 197,--

Gesamtaufwand für die Mehrarbeit S 10.500,--"

Die belangte Behörde sehe sich außerstande, den erstinstanzlich festgesetzten Beitragszuschlag herabzusetzen, weil bereits bei der im Jahre 1996 durchgeführten Beitragsprüfung erhebliche Meldedifferenzen bei An- und Abmeldungen und Beitragsdifferenzen bei der Berechnung der Weihnachtsremunerationen zu Tage gekommen seien.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, erwogen:

Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG hat der Versicherungsträger - im hier maßgebenden, nur die Höhe betreffenden Zusammenhang - bei der Festsetzung des Beitragszuschlages insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen.

Der Beitragszuschlag darf jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung auf Grund des § 59 Abs. 1 ASVG für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären.

Nach oben hin ergibt sich in den Fällen des § 113 Abs. 1 ASVG eine - erste - Begrenzung der Höhe des Beitragszuschlages durch das Doppelte jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes durch den Versicherungsträger entfallen wären.

Eine - zweite - Höchstgrenze für die Vorschreibung des Beitragszuschlages stellen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - als pauschalierte Abgeltung - der durch die Säumigkeit des Beitragspflichtigen verursachte Verwaltungsaufwand und der Zinsenentgang infolge der verspäteten Beitragsentrichtung dar. Dem entsprechend ist der pauschalierte Mehraufwand der Verwaltung einschließlich des Kapitalaufwandes (bzw. Zinsenentganges) infolge der verspäteten Beitragsentrichtung des Beitragszuschlages zu berücksichtigen (vgl. das Erkenntnis vom 24. März 1992, Zl. 89/08/0360), wobei unter dem Mehraufwand der Verwaltung jener Aufwand zu verstehen ist, der nicht aufgelaufen wäre, wenn keine Meldeverstöße festgestellt worden wären (vgl. das Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 91/08/0069).

Innerhalb der solcherart gesetzten objektiven Obergrenzen bzw. Untergrenze kommt es für die Ermessensübung bei der konkreten Ausmessung des Beitragszuschlages - wie einleitend erwähnt - auf die Art des Meldeverstoßes, das Verschulden des Meldepflichtigen an diesem Verstoß und auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners an (vgl. das Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0142).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund war es - worauf die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrer Beschwerde zutreffend hinweist - rechtswidrig, wenn die belangte Behörde bei ihrer die Höhe des Beitragszuschlages betreffenden Ermessensübung die wirtschaftlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Gesellschaft außer Acht gelassen hat. Begründet die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Vernachlässigung dieses Kriteriums bei ihrer Entscheidungsfindung mit einem dazu fehlenden Vorbringen im Einspruch der beschwerdeführenden Gesellschaft, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Behörde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen festzustellen hat (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2, Anmerkung 2 zu § 39 AVG). Dem gemäß hätte die belangte Behörde die beschwerdeführende Gesellschaft auffordern und ihr Gelegenheit geben müssen, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse umfassend und entsprechend belegt, offen zu legen, um so bei der Bemessung des Beitragszuschlages - innerhalb der dargelegten Grenzen - auch auf die wirtschaftliche Lage der beschwerdeführenden Gesellschaft Bedacht nehmen zu können (vgl. das Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 91/08/0042). Erst wenn die beschwerdeführende Gesellschaft nach einer solchen Aufforderung ihrer dadurch ausgelösten Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen wäre, hätte für die belangte Behörde keine Verpflichtung mehr bestanden, im Rahmen der Ermessensübung auf die wirtschaftliche Lage der beschwerdeführenden Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Die beschwerdeführende Gesellschaft hatte auch keine Veranlassung, Behauptungen über ihre wirtschaftliche Lage in das Einspruchsvorbringen aufzunehmen, weil auch der (erstinstanzliche) Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse keine entsprechenden Ausführungen enthalten hat.

Nach dem Gesagten fehlen in der Begründung des angefochtenen Bescheides die für die Ermessensübung maßgeblichen Erwägungen über die - neben den anderen schon genannten Kriterien - ebenfalls beachtlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Gesellschaft. Durch die Außerachtlassung dieser Umstände hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Der beschwerdeführenden Gesellschaft ist aber auch darin beizupflichten, dass der belangten Behörde insofern ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, als sie der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Möglichkeit gegeben hat, zu den Ergebnissen der von der belangten Behörde amtswegig durchgeführten Ermittlungen über die Höhe der Verzugszinsen und des Verwaltungsaufwandes Stellung zu nehmen. Damit hat sie das Recht der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Parteiengehör verletzt (vgl. § 37 AVG).

Da die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Ein Ersatz der Stempelgebühren steht wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) nicht zu, weshalb das darauf gerichtete Mehrbegehren abzuweisen war.

Wien, am 5. Juni 2002

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999080138.X00

Im RIS seit

07.10.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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