TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/11 2000/01/0169

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1949 §9 Abs1 Z1 impl;
StbG 1985 §27 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde der M.d.l.D.S. in I., vertreten durch Dr. Stefan Kofler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 24, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. November 1999, Zl. Ia-9.708/12- 1999, betreffend Feststellung des Verlustes der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die Tiroler Landesregierung (die belangte Behörde) gemäß §§ 39 und 42 Abs. 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) fest, dass die Beschwerdeführerin durch den Erwerb der spanischen Staatsbürgerschaft am 27. Juni 1986 die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren habe.

Die am 1. Februar 1957 in Valencia geborene Beschwerdeführerin habe von Geburt an die spanische Staatsbürgerschaft besessen. In ihrer an die belangte Behörde gerichteten Eingabe vom 14. Oktober 1992 habe sie um Überprüfung ihrer staatsbürgerschaftsrechtlichen Verhältnisse ersucht. Sie hätte am 3. November 1978 vor dem Standesamt in Innsbruck den österreichischen Staatsbürger Roland-Manfred K. geheiratet. Nach der Eheschließung habe die Beschwerdeführerin im Wege einer "§-9- Erklärung" mit Wirkung vom 21. November 1978 die österreichische Staatsbürgerschaft erworben. Diese Ehe wäre laut Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 21. Dezember 1984 mit Wirkung vom 25. Jänner 1985 geschieden worden. In zweiter Ehe habe sie einen Staatsangehörigen der Republik Paraguay geheiratet, von dem sie mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 10. Februar 1989 geschieden worden wäre. Seit 12. Dezember 1992 sei die Beschwerdeführerin mit dem österreichischen Staatsbürger Robert Heinz Sch. verheiratet. In ihrer Eingabe vom 14. Oktober 1992 habe sie unter anderem angegeben, sie hätte "am 27. Juni 1986" bezüglich ihrer spanischen Staatsbürgerschaft bei der spanischen Botschaft in Wien vorgesprochen, um zu erfahren, ob sie noch die spanische Staatsbürgerschaft besitze. Anlässlich ihrer Vorsprache in Wien sei auf ihrer Geburtsurkunde ein mit 27. Juni 1986 datierter Zusatz folgenden von der belangten Behörde festgestellten (zu ergänzen: übersetzten) Wortlautes angebracht worden:

"Die Eingetragene hat vor dem Standesbeamten (Konsularbeamter in Wien-Österreich) die Wiedererlangung der spanischen Staatsangehörigkeit beantragt, die sie verloren hat, als sie zwecks Immigration die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen hat. Diese Wiedererlangung der spanischen Staatsbürgerschaft geschieht, ohne die österreichische Staatsbürgerschaft zu verlieren, so wie es gemäß Übergangsbestimmung des Gesetzes 51/82 vom 13. Juli verankert ist."

Die belangte Behörde habe zu überprüfen gehabt, "ob dieser zusätzliche Vermerk", der auf der Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin angebracht worden sei und auf dem ihre Unterschrift fehle, einen Verlust ihrer österreichischen Staatsbürgerschaft habe "bewirken" können. Die belangte Behörde habe sich an die österreichische Botschaft in Madrid gewandt, die in ihrer Note vom 22. Dezember 1992 die Rechtsauffassung der spanischen Behörden mitgeteilt habe, wonach das Gesetz vom 13. Juli 1982 inhaltlich eine Novelle des spanischen Staatsbürgerschaftsrechtes darstellte. Art. 26 des novellierten Gesetzes enthielte Bestimmungen über die Wiedererlangung der spanischen Staatsangehörigkeit durch Personen, die sie einmal besessen hätten, und setzte im Wesentlichen unter anderem die Abgabe einer Erklärung vor dem Zivilregisterbeamten sowie die Eintragung der Wiedererlangung der spanischen Staatsangehörigkeit in das Zivilregister voraus. Die Beschwerdeführerin habe anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 18. Februar 1993 vor der belangten Behörde zum Ausdruck gebracht, sich nicht mehr erinnern zu können, wie dieser zusätzliche Vermerk auf ihre Geburtsurkunde gekommen sei. Die belangte Behörde habe sich daher mit ihrer Anfrage vom 4. März 1993 an die spanische Botschaft in Wien gewandt. Diese habe den Erhalt dieser Anfrage zwar mit Note vom 28. April 1993 bestätigt, aber trotz mehrfacher Urgenzen keine Auskunft in dieser Angelegenheit erteilt. Die belangte Behörde habe in ihrer rechtlichen Beurteilung die Stellungnahme der österreichischen Botschaft in Madrid vom 22. Dezember 1992 herangezogen und der amtlichen Stellungnahme der österreichischen Botschaft, die ihre "Rechtsauskünfte" von ihrem spanischen Vertrauensanwalt eingeholt habe, "größere Bedeutung" beigemessen als den Angaben der Beschwerdeführerin, die bei ihrer letzten Befragung am 9. April 1999 ausgeführt habe, sie hätte sich anlässlich ihrer Vorsprache bei der spanischen Botschaft in Wien im Jahr 1986 lediglich ganz unverbindlich um die Wiedererlangungsmöglichkeiten der spanischen Staatsangehörigkeit erkundigen wollen. Demnach sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die spanische Staatsangehörigkeit auf Grund einer freiwillig abgegebenen Erklärung wiedererlangt habe und nicht auf Grund einer eo ipso wirksam werdenden Gesetzesbestimmung. Durch den Erwerb der spanischen Staatsangehörigkeit am 27. Juni 1986 und das Nichtvorliegen der Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft habe sie den Verlusttatbestand des § 27 Abs. 1 StbG erfüllt. Andere Verlustgründe seien nicht zutage getreten.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, sie habe auf Grund eines Antrages, einer Erklärung oder einer ausdrücklichen Zustimmung die spanische Staatsbürgerschaft erworben. Insbesondere bringt sie vor, der angefochtene Bescheid sei prozessual fehlerhaft, weil die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung der Stellungnahme der österreichischen Botschaft größere Bedeutung beigemessen habe als den Angaben der Beschwerdeführerin. Hierin liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, weil die belangte Behörde keinerlei Begründung abgegeben habe, weshalb sie den Auskünften der österreichischen Botschaft in Madrid mehr Glauben geschenkt habe als der Beschwerdeführerin.

Schon damit zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, lauten auszugsweise:

"Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft

§ 27. (1) Die Staatsbürgerschaft verliert, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

...

§ 42. (1) Außer den in den §§ 25 Abs. 3, 38 und 58c besonders geregelten Fällen ist ein Feststellungsbescheid in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft zu erlassen, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat.

...

(3) Ein Feststellungsbescheid kann von Amts wegen erlassen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht.

..."

Die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG - die sich an der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 orientiert - soll klarstellen, dass der Verlust nur eintritt, wenn der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtete - "positive" - Willenserklärung abgibt (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, Band II, S 296 mwN).

Die belangte Behörde legte ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin (im Rahmen ihrer Vorsprache in der spanischen Botschaft am 27. Juni 1986) eine auf die Erlangung der spanischen Staatsangehörigkeit gerichtete Willenerklärung abgegeben hätte. Sie begründet dies damit, dass sie - mangels Auskunft der spanischen Botschaft in Wien - die Stellungnahme der österreichischen Botschaft in Madrid herangezogen und der amtlichen Stellungnahme der österreichischen Botschaft größere Bedeutung beigemessen habe als den Angaben der Beschwerdeführerin. Damit überschritt die belangte Behörde jedoch die Grenzen einer schlüssigen Beweiswürdigung. Liegen widersprechende Beweisergebnisse vor, muss die belangte Behörde dazu in der Begründung, soll diese dem Gesetz entsprechen, im Einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was sie veranlasst hat, dem einen mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze Band I2, unter E 71 zu § 45 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde die strittige Tatsachenfrage, ob die Beschwerdeführerin überhaupt eine auf die Erlangung der spanischen Staatsbürgerschaft gerichtete Willenerklärung nach § 27 Abs. 1 StbG abgegeben hatte, anhand der vorliegenden Ermittlungsergebnisse zu lösen. Betreffend diese Tatsachenfrage lagen der belangten Behörde abgesehen von der Kopie der (um den Vermerk vom 27. Juni 1986 ergänzten) Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin die schriftlichen (Eingabe vom 14. Oktober 1992) und niederschriftlichen Angaben (vom 18. Februar 1993 und vom 9. April 1999) der Beschwerdeführerin vor, die im Rahmen ihrer Einvernahmen im Wesentlichen übereinstimmend die Abgabe einer auf die Erlangung der spanischen Staatsangehörigkeit gerichteten Erklärung in Abrede stellte; dagegen beschränkte sich die Note der österreichischen Botschaft in Madrid vom 22. Dezember 1992 auf die Darlegung der spanischen Rechtslage und auf die Äußerung der Rechtsansicht, es sei jedenfalls davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die spanische Staatsangehörigkeit nur auf Grund einer freiwillig abgegebenen Erklärung und nicht auf Grund einer eo ipso wirksam werdenden Gesetzesbestimmung "wiedererlangen konnte". Mag auch die Note der österreichischen Botschaft ein Beweismittel zur Ermittlung des spanischen Staatsbürgerschaftsrechts darstellen (zur Beweisführung über fremdes Recht vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 97/18/0074), so war diesem Schreiben - naturgemäß - aber keine Aussage über den tatsächlichen Ablauf der Vorsprache der Beschwerdeführerin in der spanischen Botschaft in Wien zu entnehmen. Schon von daher erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde insofern als unschlüssig, als sie ohne eine durch entsprechende Feststellungen untermauerte nähere Begründung zur Lösung der in Rede stehenden Tatsachenfrage einer von der österreichischen Botschaft in Madrid dargelegten Rechtsansicht den Vorzug vor Tatsachenangaben der Beschwerdeführerin gab. Auch kann nicht gesagt werden, dass unter Zugrundelegung der von der österreichischen Botschaft in Madrid dargelegten Rechtslage die Darstellung der Beschwerdeführerin denkunmöglich oder rechtlich irrelevant wäre. Der bloße Umstand, dass die spanische Rechtslage für einen Wiedererwerb der spanischen Staatsbürgerschaft nach der Auskunft der österreichischen Botschaft in Madrid eine darauf abzielende Erklärung der Beschwerdeführerin voraussetzte, schließt nicht aus, dass die Eintragung auf der Geburtsurkunde im vorliegenden Fall, etwa auf Grund eines Missverständnisses oder der fehlerhaften Protokollierung oder Weiterleitung eines Vorbringens, ohne eine solche Erklärung zustande kam.

Darüber hinaus ist auf Folgendes hinzuweisen: die Zusatzeintragung auf der Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin trägt nicht nur das Datum 27. Juni 1986, sondern - insoweit von der belangten Behörde aber nicht mehr festgestellt - auch die Ortsangabe "Valencia" (Geburtsort der Beschwerdeführerin). Sie stammt von demselben Richter (Mariano Tomas Serra), dessen Name auch auf der standesamtlichen Bestätigung vom 5. Februar 1986 über die Authentizität einer früheren Ausfertigung der Geburtsurkunde selbst aufscheint. Von einer Zusatzeintragung "anlässlich" einer Vorsprache der Beschwerdeführerin bei der spanischen Botschaft in Wien "am 27. Juni 1986" kann unter diesen Umständen - worauf die Beschwerdeführerin selbst bei ihrer letzten Einvernahme am 9. April 1999 auch ausdrücklich hingewiesen hat - keine Rede sein. Bei dieser Sachlage kann es nicht überraschen, dass "auf" dem Vermerk - wie die belangte Behörde meint - die Unterschrift der Beschwerdeführerin "fehlte", und es muss wohl auch davon ausgegangen werden, dass allfällige Urkunden über Parteihandlungen der Beschwerdeführerin, die der Zusatzeintragung zugrunde lagen, nicht bei der spanischen Botschaft in Wien, sondern bei den zuständigen Behörden in Valencia aktenkundig sind. Die von der belangten Behörde gepflogenen Ermittlungen über das Zustandekommen der Zusatzeintragung in Wien mussten angesichts des Inhaltes der Eintragung von vornherein ins Leere gehen.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 11. Juni 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000010169.X00

Im RIS seit

23.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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