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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §12;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des P O in G, geboren am 14. Februar 1968, vertreten durch Dr. Armin Haidacher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Tummelplatz 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 4. April 2001, Zl. 221.259/0- V/13/01, betreffend § 6 Z 2 und 3 sowie § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein am 28. Jänner 2001 in das Bundesgebiet eingereister Staatsangehöriger von Nigeria, beantragte am 29. Jänner 2001 die Gewährung von Asyl.
Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29. und 30. Jänner 2001 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, sein Vater sei der Häuptling ("chief") seines Heimatortes Iruwa und der Führer zweier kultischer Gesellschaften, die sich "Black Axe" und "Eye" genannt hätten, gewesen. Der Beschwerdeführer hätte nach dem Tod seines Vaters im Dezember 2000 dessen Nachfolger werden sollen. Da er Christ sei und die Rituale dieser Gesellschaften (wozu das Opfern von Hühnern, Hunden und Ziegen gehöre) ablehne, habe er sich geweigert, den Geheimgesellschaften beizutreten und das Amt seines verstorbenen Vaters zu übernehmen. Auf Grund dieser Weigerung seien seine hochschwangere Frau und seine Tochter im Jänner 2001 getötet worden und habe auch ihm die Ermordung gedroht. Der Beschwerdeführer habe mittels Autostopp nach Lagos fliehen können. Von dort sei er ca. zwei Wochen später zu einem ihm unbekannten Flughafen geflogen, wo er in ein Flugzeug nach Wien umgestiegen sei. Zu seiner Herkunft befragt gab der Beschwerdeführer an, er gehöre zum Stamm der "Eshan" und stamme aus "Iruwa-Village". Befragt, ob er in einem anderen Teil Nigerias vor der Verfolgung durch diese Geheimgesellschaften sicher sei, antwortete der Beschwerdeführer, er wäre nirgendwo in Nigeria sicher; die Geheimgesellschaften würden Leute töten. Dass sein Vater einer Geheimgesellschaft angehört habe, habe er erst nach dessen Tod erfahren.
Mit Bescheid vom 6. Februar 2001 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 und 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Das Bundesasylamt führte aus, dass der Fluchtweg des Beschwerdeführers nicht habe verifiziert werden können und dass dessen Angaben zu seiner Person und zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft seien. Da der Beschwerdeführer über seinen Fluchtweg kein einziges Detail (so etwa den Namen des Flughafens der behaupteten Zwischenlandung) habe angeben können, sei davon auszugehen, dass er bereits zum Fluchtweg bewusst unwahre Angaben gemacht habe. Dies sei ein Indiz dafür, dass seine gesamte Aussage nicht der Wahrheit entspreche. Darüber hinaus sei sein gesamtes Vorbringen als "vage, nicht plausibel nachvollziehbar, allgemein gehalten, durch keinerlei Beweismittel gestützt und als nicht glaubhaft zu bezeichnen". Selbst wenn tatsächlich eine Verfolgung durch Angehörige von Geheimgesellschaften vorliegen sollte, so sei jedenfalls davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die Möglichkeit offen stehe, durch Verlegung des Wohnsitzes einer potentiellen Gefahr aus dem Wege zu gehen. Die lediglich von Privatpersonen (Angehörigen der Geheimgesellschaften) ausgehende Verfolgung sei offensichtlich nicht auf in der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Gründe zurückzuführen und es lägen keine Hinweise vor, dass dem Beschwerdeführer allenfalls notwendiger staatlicher Schutz nicht gewährt werde.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung führte die belangte Behörde eine mündliche Berufungsverhandlung durch. Bei dieser Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, er komme aus Usubenu, stamme aus der zum Edo-Volk gehörigen Volksgruppe der "Hiuwer" und spreche die Sprache "Eshan". Sein Heimatdorf habe ca. 200 bis 300 Häuser. Bei dem in der Niederschrift seiner Aussage vor dem Bundesasylamt genannten Heimatort "Iruwa-Village" habe es sich um eine fehlerhafte Protokollierung gehandelt, weil er seinen Heimatort der Dolmetscherin "nur phonetisch angegeben" habe. Im Zuge der weiteren Befragung machte der Beschwerdeführer folgende Angaben:
" VL (Verhandlungsleiter): Wie ist nun der Name Ihres Heimatdorfes?
BW (Beschwerdeführer): Innerhalb von Iruwa gibt es Usubenu.
VL: Warum haben Sie dann vor dem BAA nach Ihrer Adresse befragt, offenbar angegeben, Ihr Heimatdorf sei Iruwa Village und fügten Sie sodann die Bezeichnung Eshan bei. Was bedeutet das?
BW: Ich wollte damals damit zum Ausdruck bringen, dass ich aus Iruwa Village komme und fügte ich den Namen meines Stammes bei. Iruwa ist eine Bezirksstadt mit einer Bezirksbehörde.
VL: In welchem Bundesstaat Nigerias liegt die Bezirksstadt Iruwa?
BW: Im Edo-Staat.
VL: Wo sind Sie geboren?
BW: Ich wurde im Allgemeinen Edo-State General Hospital in Iruwa geboren.
VL: Gerade eben haben Sie mir erklärt, dass Sie in Ihrem Heimatdorf geboren sind?
BW: Bevor mein Vater Chief in Usubenu wurde, lebte er in Iruwa-Town und wurde ich in Iruwa geboren.
VL: Warum haben Sie vor dem BAA - sowohl im ausgefüllten Datenblatt - als auch in Ihrer Einvernahme ausdrücklich erklärt, in Benin City geboren zu sein?
BW: Vielleicht habe ich so etwas Ähnliches gesagt. Es hat Missverständnisse mit der Sprache gegeben. Ich war damals nicht so gut in Englisch. Ich habe es so erklärt, dass es wie Benin City sei. Man hat mich dann gefragt, ob ich aus Benin City sei, ich habe verneint. Ich bin in Iruwa Town bzw. Village geboren, bevor mein Vater nach Usubenu übersiedelt ist. Ich habe alle Daten von meinem Vater gehört, er hat keine Schule besucht.
VL: Welche Schulen haben Sie besucht?
BW: Ich bin 6 Jahre lang zur Schule gegangen, ich war
von 1975 bis 1981 in der Schule.
VL: Wo waren Sie in der Schule?
BW: In Usubenu, meinem Heimatdorf."
Im Zuge der näheren Befragung zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer unter anderem Folgendes an:
"Ich hätte einfaches Mitglied in diesen Gesellschaften sein
sollen, das wollte ich nicht.
VL: Warum haben Sie das abgelehnt?
BW: Ich wäre nie Mitglied geworden, weil ich weiß, dass es nicht gut ist, weil ich Christ bin und weiß, dass es nicht in der Bibel steht.
VL: Woher können Sie wissen, dass das schlecht war, wenn Sie nicht einmal wissen, was man von Ihnen verlangt hat?
BW: Mein Pastor hat diese Dinge abgelehnt und ich habe mich Gott ausgeliefert.
VL: Was hat man konkret von Ihnen verlangt?
BW: Sie sagten zuerst, es täte ihnen leid, dass mein Vater gestorben ist. Ein paar Tage später kamen sie wieder und sandten andere Mitglieder. Sie sagten, Sie müssten mir etwas im Vertrauen sagen. Ich folgte ihnen in das Haus meines Vaters, es sollte keiner etwas davon hören.
Sie haben mich ersucht, dass ich Mitglied des Gerichtes werden sollte. Ich fragte, was das für Gerichte sind. Sie sagten mir, ich sollte Mitglied von Aya ("Eye") werden, ich sagte ich bin Christ, ich kann es nicht.
Sie sagten, sie würden mich zwingen. Dann sind sie
aufgestanden und haben das Haus verlassen.
VL: Was wären Ihre Verpflichtungen gewesen?
Anmerkung: BW versucht wortreich zu erklären, dass er Nachfolger seines Vaters in diesen Courts hätte werden sollen bzw.
dass er nicht Vorsitzender und nicht Mitglied hätte werden sollen.
VL: Noch einmal, was wären die Ziele dieser Courts gewesen
bzw. was hätten Sie konkret tun sollen was hat man verlangt?
BW: Das weiß ich nicht, das hat nur mein Vater gewusst.
VL: Hatten diese Sitzungen spirituellen Charakter?
BW: Ich war nie bei so einer Versammlung dabei, aber ich
glaube, dass sie spirituellen Charakter haben."
In der Folge schilderte der Beschwerdeführer, dass am
12. Jänner 2001 in der Nacht etwa fünfzehn maskierte Männer in sein Haus gekommen seien. Diese Männer hätten dem Beschwerdeführer gesagt, "wenn ich jetzt ablehnte, würde es verheerend werden". Die bewaffneten Männer hätten den Beschwerdeführer geschlagen, seine Frau und seine Tochter mitgenommen und gleich danach tot zurückgebracht. Danach sei er weggelaufen und mittels Autostopp nach Lagos gelangt. Im Zuge der weiteren Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer vom Verhandlungsleiter Folgendes vorgehalten:
"VL: Sie haben vor dem BAA auch bei der weiteren Befragung mehrmals angegeben, im elterlichen Haus in Iruwa gelebt zu haben. Auch haben Sie ausdrücklich angegeben, dass Ihr Reisepass in Ihrem elterlichen Haus in Iruwa-Village geblieben ist. Das alles indiziert, dass Ihre heutigen Angaben nicht deckungsgleich mit Ihren damaligen Angaben sind. Was sagen Sie dazu?
BW: Ich habe alles damals so gesagt, wie heute.
VL: Es wurde Ihnen von der gerichtlich beeideten Dolmetscherin rückübersetzt und waren Sie mit dem Protokoll einverstanden.
BW: Ich war so schlecht beisammen und ich war bereit alles zu tun.
VL: Jene Personen, die traurigerweise Ihre Frau und Ihr Kind getötet haben, zu welcher Organisation gehörten diese?
BW: Sie waren von den Black Axe.
VL: Woher wissen Sie das? Die Männer waren maskiert?
BW: Als sie zuerst zu mir gekommen sind und mich als Mitglied wollten, haben sie mit mir gesprochen, ich habe die Art des Sprechens wieder erkannt. Die Angehörigen der beiden Gruppen haben verschiedene ähnliche Dinge mit mir besprochen.
VL: Welche Dinge hat man mit Ihnen besprochen? BW möchte wieder von seinem Vater erzählen.
VL befragt BW konkret zum Unterschied der beiden Anliegen dieser Gruppen.
BW: Beide wollten das Gleiche von mir. Beide wollten, dass ich Mitglied werde. Black Axe hat betont, dass mein Vater ein großer Mann sei, und dass ich ein Mitglied werden muss. Aya hat gesagt, dass ich bereits Mitglied geworden sei, als ich noch ein kleiner Bub war. Als mich mein Vater als kleiner Junge dorthin gebracht hat, wusste ich nicht, was da vor sich geht.
VL: Was waren die Ziele oder Tätigkeiten der beiden Vereine?
BW möchte wieder weitwendig antworten und wird vom VL unterbrochen.
VL: Ganz konkret, einfache Frage, einfache Antwort.
BW: Das weiß ich nicht, ich weiß nicht warum.
VL: Können Sie mir sagen, wie nun jene Männer, die Ihre Frau und Ihr Kind getötet haben, gekleidet waren?
BW: Schwarze Hose, schwarzes Hemd und eine Maske.
VL: Ganz allgemein halte ich Ihnen nun vor, dass in Nigeria grundsätzlich funktionierende Sicherheitsbehörden existieren, sowie dass in Nigeria eine Unzahl von lokal agierenden Geheimgesellschaften oder Courts bzw. Sekten existent sind. Der Staat duldet Verfolgungshandlungen von Seiten dieser "Vereine" keineswegs, vielmehr werden solche Handlungen massiv staatlicherweise bekämpft und zurückgedrängt. Keinesfalls handelt es sich um flächendeckende Massenphänomene. Was sagen Sie dazu?
BW: Die Regierung bekämpft zwar die University School Courts, aber nicht die bösen Courts. Die Regierung konzentriert sich nur auf die Schulen und Universitäten."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 und 3 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. In der Begründung dieser Entscheidung führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer die Divergenzen zwischen seinen Angaben vor dem Bundesasylamt und jenen vor der belangten Behörde nicht habe erklären können. Die vom Beschwerdeführer angeführten Heimatorte Usubeno und Iruwa hätten in den der belangten Behörde zugänglichen Unterlagen nicht aufgefunden werden können. Da nach den Angaben des Beschwerdeführers Iruwa jedoch als (Klein-)Stadt anzusehen sei, hätte diese auf einem der der belangten Behörde zugänglichen Kartenwerke auffindbar sein müssen, falls sie tatsächlich existierte. Der Beschwerdeführer habe über die im Zusammenhang mit seinen Fluchtgründen relevierten "Courts bzw. Gesellschaften" keinerlei Kenntnisse aufgewiesen. Die divergenten Angaben des Antragstellers zu seinem Geburts- bzw. Heimatort im Zusammenhalt mit den "als äußerst dürftig bzw. wenig konkret zu bezeichnenden Angaben zum Zentralpunkt seines Vorbringens zu seinen Fluchtgründen" legten daher den dringenden Schluss nahe, dass dem Antragsteller gänzlich jegliche Glaubwürdigkeit zu versagen sei. Selbst wenn man jedoch das "Kernvorbringen" des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen der Entscheidung zu Grunde lege, so habe der Beschwerdeführer nicht darlegen können, was die "Angehörigen zweier privater Vereinigungen" von ihm tatsächlich gefordert hätten. Die Aufforderung allein, Nachfolger seines Vaters in der Mitgliedschaft bei diesen Vereinigungen zu werden, sei noch kein hinreichender Grund für die Annahme, dass der Antragsteller mit der Verfolgung seiner Person aus religiösen Gründen zu rechnen gehabt habe bzw. künftig rechnen müsse. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus religiösen Gründen könne im vorliegenden Fall nicht gegeben sein, weil dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht schlüssig habe entnommen werden können, dass die Anhänger der "Gesellschaften" vom Beschwerdeführer "bestimmte Handlungen oder Unterlassungen auf Grund deren eigener religiöser Vorstellung bzw. auf Grund eines, diesen Vereinigungen inhärierenden Wertesystem abgenötigt hätten und er sodann durch seine Weigerung gleichsam auf Grund der Ablehnung einer bestimmten 'Religion' oder eines Wertesystems mit Verfolgung zu rechnen hatte bzw. pro futuro hätte. (...) Die bloße Einschüchterung bzw. Verfolgung oder Terrorisierung des Antragstellers durch diese Privatpersonen ohne Hinzutreten eines religiösen Aspektes (...) stellt sich gemeinhin als strafrechtliches Unrecht, welches nicht vom Schutzzweck der Genfer Konvention umfasst ist, dar." Das Ermittlungsverfahren lasse sohin "völlig unzweifelhaft" den Schluss zu, dass die behauptete Verfolgungsgefahr "eindeutig jeder Grundlage" entbehre bzw. dass der Antrag "zweifellos auf einer vorsätzlichen Täuschung beruht bzw. einen groben Missbrauch des Asylverfahrens" darstelle. Eventualiter sei im Ermittlungsverfahren hervorgekommen, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgungsgefahr nach seinem Vorbringen offensichtlich nicht auf einen der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 6 AsylG bestimmt, dass Asylanträge gemäß § 3 als offensichtlich unbegründet abzuweisen sind, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist unter anderem der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat die behauptete Verfolgungsgefahr nach dem Vorbringen des Asylwerbers offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen ist (Z 2) oder das Vorbringen des Asylwerbers zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht (Z 3).
Sowohl das Bundesasylamt als auch die belangte Behörde haben die Abweisung des gegenständlichen Asylantrages als offensichtlich unbegründet sowohl auf die Z 3 als auch auf Z 2 dieser Bestimmung gestützt.
Von der gemäß § 6 Z 3 AsylG geforderten Offensichtlichkeit sind nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur Fälle "qualifizierter Unglaubwürdigkeit" erfasst; eine "schlichte Unglaubwürdigkeit" des Asylwerbers führt nicht zur Anwendung dieses Tatbestandes. Gelangt die Asylbehörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen eines Asylwerbers als unglaubwürdig zu werten ist, so ist damit noch nichts darüber ausgesagt, ob ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht ist, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 leg. cit. als erfüllt angesehen werden kann. Letzteres kann nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss unmittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich quasi "aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssen klar auf der Hand liegen (vgl. zum Ganzen zuletzt das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2002, Zl. 2001/20/0381, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 21. August 2001, Zl. 2000/01/0214). Durch (verbleibende) Widersprüchlichkeiten in den Angaben eines Asylwerbers kann - ungeachtet der Möglichkeit, dass der Asylantrag im Ergebnis unbegründet sein könnte - im Einzelfall daher durchaus bloß eine "schlichte Unglaubwürdigkeit" gegeben sein, die nicht die Annahme rechtfertigt, der Asylantrag entbehre "eindeutig jeder Grundlage" (Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0392).
Im vorliegenden Fall erachtet die belangte Behörde ebenso wie das Bundesasylamt die Angaben des Beschwerdeführers für unglaubwürdig, kann jedoch nicht schlüssig darstellen, woraus sich für sie die für die Abweisung des Asylantrages nach § 6 Z 3 AsylG erforderliche "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" ergeben sollte. Als Indizien für die Unglaubwürdigkeit zog die belangte Behörde die divergenten Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburts- bzw. Heimatort, seine "äußerst dürftigen" bzw. "wenig konkreten" Angaben zu den Fluchtgründen sowie den Umstand, dass die vom Antragsteller angegebene (Klein-)Stadt Iruwa in den der belangten Behörde zugänglichen Kartenwerken nicht auffindbar sei, heran. Auf die von der Erstbehörde im Rahmen der Beweiswürdigung ebenfalls relevierten unwahren Angaben zum Fluchtweg stützte sich die belangte Behörde nicht mehr. Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung zu seinem Heimatort Usubenu angegeben hat, dass es sich dabei um eine "Ansammlung von ca. 200 bis 300 Häusern" handle, sodass es einer näheren Begründung bedurft hätte, dass auch eine Siedlung dieser Größe in den der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Unterlagen mit Sicherheit verzeichnet sein müsste. Auch hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer näher dazu befragen müssen, welche Größe die von ihr als (Klein-)Stadt bzw. Bezirksstadt bezeichnete Siedlung "Iruwa" habe und was der Beschwerdeführer unter einer "Bezirksstadt" verstehe, um aus deren fehlender Verzeichnung in den Unterlagen der belangten Behörde nachvollziehbar auf deren mangelnde Existenz schließen zu können, zumal im angefochtenen Bescheid auch nicht festgehalten ist, ab welcher Größe Orte in den von der belangten Behörde herangezogenen Unterlagen verzeichnet sind. Weiters weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu den betreffenden "Geheimgesellschaften" möglicherweise auch deshalb wenig konkret waren, weil der Beschwerdeführer bisher an Versammlungen dieser Gesellschaften nicht teilgenommen habe und ihm von der belangten Behörde in Verletzung des § 28 AsylG nicht ausreichend Gelegenheit gegeben worden sei, die für die Entscheidung erheblichen Angaben zu machen oder lückenhafte Angaben über die geltend gemachten Fluchtgründe zu vervollständigen. In dem (vom Beschwerdeführer - entgegen den Beschwerdeausführungen - unterfertigten) Protokoll der Berufungsverhandlung ist bei den entscheidenden Fragen nach Zielen und Handlungen der vom Beschwerdeführer als kultisch bzw. spirituell bezeichneten "Geheimgesellschaften" anstelle einer Antwort des Beschwerdeführers zweimal nur festgehalten, dass dieser "weitwendig" bzw. "wortreich" habe antworten wollen, dabei aber vom Verhandlungsleiter unterbrochen wurde. Die belangte Behörde übersieht auch, dass der Beschwerdeführer bei seiner Ersteinvernahme vor dem Bundesasylamt über die Rituale dieser Gesellschaften angegeben hat, dass dazu das Opfern von Hühnern, Hunden und Ziegen gehöre.
Ein eindeutiger, sich im Sinne des § 6 Z 3 AsylG geradezu aufdrängender Schluss auf die Unwahrheit des Vorbringens des Beschwerdeführers wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides somit nicht nachvollziehbar dargelegt.
Die belangte Behörde hat die Abweisung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet auch auf § 6 Z 2 AsylG gestützt. Bei der Prüfung, ob ein Fall des § 6 Z 2 AsylG vorliegt, ist von den Behauptungen des Asylwerbers auszugehen und auf deren Grundlage zu beurteilen, ob sich diesem Vorbringen ein asylrelevanter Fluchtgrund entnehmen lässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/01/0294). Die belangte Behörde hat die angeführte Bestimmung unrichtig angewandt, weil sie ihrer Beurteilung das Vorbringen des Beschwerdeführers, es handle sich bei den betreffenden Gesellschaften um einen Kult und um die Vornahme spiritueller Handlungen - wobei der Begriff "Religion" in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention durchaus in einem weiten Sinne aufgefasst werden kann und auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Ablehnung einer bestimmten Religion zu den religiösen Gründen zählt (vgl. Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999) Rz 402 f. zu § 12 mwN) - nicht zugrunde gelegt hat. Mit der Annahme, dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei im Hinblick auf fehlende konkrete Angaben zur Struktur, Zusammensetzung, Ideologie und Zielsetzung der ihn verfolgenden Organisation nicht schlüssig zu entnehmen gewesen, dass die Anhänger dieser "Gesellschaften" ihm bestimmte Handlungen oder Unterlassungen aufgrund deren eigener religiöser Vorstellung bzw. auf Grund eines bestimmten Wertesystem abnötigten und er sodann durch seine Weigerung auf Grund der Ablehnung einer bestimmten 'Religion' oder eines Wertesystems mit Verfolgung zu rechnen hätte, hat die belangte Behörde einem Teil des Vorbringens die Glaubwürdigkeit versagt und erst die so reduzierten Behauptungen an § 6 Z 2 AsylG gemessen. Damit hat sie die genannte Bestimmung schon vom Ansatz her unrichtig angewandt (vgl. nochmals das oben zitierte Erkenntnis vom 22. Mai 2001).
Somit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 11. Juni 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001010266.X00Im RIS seit
08.08.2002