TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/19 2002/05/0308

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.2002
beobachten
merken

Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Gemeinde St. Veit im Mühlkreis, vertreten durch Dr. Friedrich und Mag. Dr. Wolfgang Fromherz und Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 22. Jänner 2002, Zl. Gem(Wahl)-900233/3-2002-Pil, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Partei: 1. Bürgermeister der Gemeinde Nebelberg,

2. Stefan Jungwirth in 4173 St. Veit im Mühlkreis, Schnopfhagenplatz 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 19. Dezember 1975 geborene ledige Zweitmitbeteiligte ist mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des mitbeteiligten Bürgermeisters gemeldet. Nach seinen Angaben in der Wohnsitzerklärung wohnt er dort rund 130 Tage im Jahr mit seinen Eltern und Geschwistern. In der rund 40 Straßenkilometer entfernten Gemeinde des beschwerdeführenden Bürgermeisters ist der Zweitmitbeteiligte mit einem weiteren Wohnsitz gemeldet. Er wohnt dort 235 Tage im Jahr mit seiner Lebensgefährtin. Seine Lebensgefährtin ist in der gemeinsamen Unterkunft mit einem weiteren Wohnsitz gemeldet. Im Übrigen wird bezüglich der Lebensgefährtin des Zweitmitbeteiligten auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag zu Zl. 2002/05/0309 verwiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes des Zweitmitbeteiligten in der Gemeinde des mitbeteiligten Bürgermeisters abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Gegenschrift.

Im hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, hat der Verwaltungsgerichtshof näher begründet ausgeführt, dass nur in Ausnahmefällen das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, den Ausschlag geben kann, und zwar nur in den Fällen, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind.

Wenn nun wie im Beschwerdefall feststeht, dass sich der Zweitmibeteiligte mit einer Partnerin in einer ehelichen oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft befindet, dann ist davon auszugehen, dass die Lebensgefährten denselben Mittelpunkt haben, es sei denn besondere - im Reklamationsverfahren zu behauptende und von der Behörde festzustellende - Gründe sprechen für eine gegenteilige Annahme. Ein anderes Freizeitverhalten des Partners rechtfertigt bei einer Gesamtbetrachtung im Sinne des § 1 Abs. 7 Meldegesetz grundsätzlich nicht die Annahme eines vom Partner verschiedenen Hauptwohnsitzes, weil im Falle einer aufrechten Lebensgemeinschaft im Wesentlichen von gleich gelagerten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen der Ehegatten bzw. Lebensgefährten auszugehen ist, wobei auch der Ort der Berufsausübung beim Ehegatten bzw. Lebensgefährten von entscheidender Bedeutung ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0941).

Der Beschwerdefall bietet keinen Anlass für ein Abgehen von dieser ständigen Rechtsprechung, der Zweitmitbeteiligte hat vielmehr zur Gemeinde des beschwerdeführenden Bürgermeisters im Hinblick auf die bestehende Lebensgemeinschaft so intensive Lebensbeziehungen geknüpft, dass der Mittelpunktcharakter der Gemeinde des beschwerdeführenden Bürgermeisters nicht zu leugnen ist, wohingegen der Mittelpunktcharakter des Heimatortes nicht mehr bejaht werden kann, zumal feststeht, dass eine neue familiäre Bindung am früheren Heimatort nicht besteht und die familiäre Bindung einer Person an die Eltern und Geschwister umso mehr in den Hintergrund tritt, je mehr sich ihr Alter vom Erreichen der Volljährigkeit entfernt hat; die Heimatverbundenheit einer Person wiederum ist kein Kriterium des § 1 Abs. 8 Meldegesetz (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/05/1163). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon mehrfach darauf hingewiesen, dass das Reklamationsverfahren gegenwartsbezogen ist und es daher auf beabsichtigte Veränderungen nicht ankommt (auf das Erkenntnis vom heutigen Tage zu Zl. 2002/05/0309 betreffend die Lebensgefährtin des Zweitmitbeteiligten wird im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen).

Da sohin die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Mittelpunktcharakter des Heimatortes des Zweitmitbeteiligten noch bejaht werden könne, belastete sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. Juni 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050308.X00

Im RIS seit

18.09.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten