TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/20 2002/18/0121

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Veröffentlicht am 20.06.2002
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1993 §36 Abs1;
FrG 1997 §35 Abs3 Z2;
FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
SMG 1997 §39;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des K, geboren am 1. Mai 1972, in L, vertreten durch Mag. Klaus Renner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Harrachstraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. Februar 2002, Zl. St 137/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 4. Februar 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen algerischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 28. Oktober 1999 von der Slowakei kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Nach dem Grenzübertritt sei er festgenommen worden. Im Stand der Schubhaft habe er einen Asylantrag gestellt, der am 21. Dezember 1999 gemäß § 6 Asylgesetz 1997 als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden sei. Zugleich sei die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat für zulässig erklärt worden. Das Verfahren über die Berufung gegen diesen Bescheid sei noch anhängig. Am 23. Dezember 1999 sei der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen worden.

Am 20. Juni 2000 sei er wegen des Vergehens gemäß § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 erster Fall Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer Ende März 2000 in Linz täglich 12 bis 18 Gramm Haschisch, insgesamt etwa 84 bis 126 Gramm Haschisch, an zahlreiche, bisher unbekannte Abnehmer verkauft und in der Zeit von Ende Oktober 1999 bis 31. März 2000 wiederholt Haschisch erworben und konsumiert habe. Die dreimonatige Freiheitsstrafe habe der Beschwerdeführer von 1. April bis 30. Juni 2000 verbüßt.

Mit Urteil vom 20. April 2001 sei der Beschwerdeführer u.a. wegen des Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden, weil er in der Zeit von Mitte Juli bis Anfang August 2000 täglich etwa 20 bis 30 Gramm Haschisch und in der Zeit von Anfang August bis Anfang Oktober 2000 etwa 50 Gramm Haschisch an zahlreiche, in 32 Fällen namentlich bekannte, aber auch an bisher unbekannte Abnehmer verkauft habe. Weiters sei er mit diesem Urteil auch wegen § 28 Abs. 1 Suchtmittelgesetz verurteilt worden, weil er am 18. Oktober 2000 843 Gramm Haschisch mit dem Vorsatz besessen habe, dass dieses Suchtgift in Verkehr gesetzt werde.

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 erster und vierter Fall FrG sei somit erfüllt.

Dem Beschwerdeführer sei es gelungen, nur etwa drei Monate nach seiner Entlassung aus der Schubhaft (und somit etwa fünf Monate nach seiner - illegalen - Einreise) sich einen solchen Abnehmerkreis zu schaffen, dass er täglich 12 bis 18 Gramm Haschisch habe verkaufen können. Nicht einmal die über ihn verhängte Freiheitsstrafe, aus der er am 30. Juni 2000 entlassen worden sei, habe ihn davon abhalten können, bereits ab Mitte Juli d. J. zunächst täglich etwa 20 bis 30 Gramm und dann ab Anfang August d.J. sogar täglich etwa 50 Gramm Haschisch an zahlreiche Abnehmer zu verkaufen. Bei dieser Sachlage und angesichts der bei Suchtgiftdelikten großen Wiederholungsgefahr könne man sich nicht darauf verlassen, dass der Beschwerdeführer versichere, keine Suchtgiftdelikte mehr zu begehen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner zweiten Verurteilung wohl verhalten habe. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, wozu komme, dass der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist sei.

Da sich der Beschwerdeführer erst etwa zweieinviertel Jahre im Bundesgebiet aufhalte, wobei in diese Zeit auch noch die Haftzeiten fielen, sei das Aufenthaltsverbot mit keinem relevanten Eingriff in das Privatleben verbunden, selbst wenn der Beschwerdeführer in Österreich eine Freundin habe, bei welcher er auch wohne. Aber selbst wenn diese Maßnahme mit einem derartigen Eingriff verbunden sein sollte, sei sie zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität dringend geboten.

Es sei nicht zu ersehen, dass sich der Beschwerdeführer im Bundesgebiet integriert habe. Die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers würden jedenfalls gegen eine solche Annahme sprechen. Im Übrigen würde auf Grund der großen Sozialschädlichkeit von Suchgiftdelikten selbst eine ansonsten volle Integration einem Aufenthaltsverbot aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegen stehen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (erster und vierter Fall) FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittenen rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

1.2. Der Beschwerdeführer, der am 28. Oktober 1999 nach Österreich gelangte, hat bereits ab Ende Oktober 1999 Suchtgift erworben und konsumiert. Ab März 2000 hat er täglich 12 bis 18 Gramm Haschisch an zahlreiche Abnehmer verkauft. Aus der deshalb erfolgten Verurteilung u.a. auch wegen § 27 Abs. 2 Z. 2 erster Fall Suchtmittelgesetz ist ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer auch gewerbsmäßige Tatbegehung zur Last gelegt worden ist. Der Beschwerdeführer hat also in der Absicht gehandelt, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Suchtgiftdelikte eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (siehe § 70 StGB). Selbst eine rechtskräftige Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe und die Verbüßung dieser Freiheitsstrafe hat ihn nicht davon abhalten können, neuerlich, und sogar noch in wesentlich größerem Umfang, einschlägig straffällig zu werden. Bereits etwa zwei Wochen nach seiner Haftentlassung hat er begonnen, zunächst täglich etwa 20 bis 30 Gramm Haschisch und dann ab Anfang August sogar täglich etwa 50 Gramm Haschisch an zahlreiche Abnehmer zu verkaufen. Bei der von ihm verkaufen Suchtgiftmenge handelt es sich um eine gemäß § 28 Abs. 6 Suchtmittelgesetz unter Bedachtnahme auf die Eignung, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, festzusetzende "große Menge".

Auf Grund der Suchtgiftdelikten innewohnenden Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2001, Zl. 2001/18/0242), die sich beim Beschwerdeführer bereits in der Begehung eines weiteren Suchtgiftdelikts trotz rechtskräftiger Bestrafung manifestiert hat, kann der vorgebrachte Umstand, dass vom Gericht Bewährungshilfe angeordnet worden sei und der Beschwerdeführer guten Kontakt zu seinem Bewährungshelfer halte, zu keiner wesentlichen Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität führen. Auch der seit der zuletzt begangenen Straftat verstrichene Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren ist zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine entscheidende Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet daher keinen Bedenken.

An dieser Beurteilung vermag der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Umstand, dass die am 20. April 2001 verhängte unbedingte Freiheitsstrafe gemäß § 39 Suchtmittelgesetz zur Durchführung einer Therapie aufgeschoben worden sei und er sich dieser Therapie regelmäßig unterziehe, nichts zu ändern. Wenn auch im Hinblick auf einen solchen Strafaufschub die Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots bis zum Vollzug der unbedingt verhängten Freiheitsstrafe bzw. bis zu deren bedingten Nachsicht aufgeschoben wird und die Frage, ob im Grund des FrG ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, für diesen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit zu beurteilen ist (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0419), kann für den Beschwerdeführer daraus, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung bezüglich der Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG und der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbots nach § 37 leg. cit. nicht auf diesen Zeitpunkt abgestellt hat, nichts gewonnen werden. So liegt dieser Beurteilung (u.a.) das Fehlverhalten des Verkaufs einer für eine Gesundheitsgefährdung in großem Ausmaß erforderlichen Menge an Haschisch trotz kurz davor erfolgter rechtskräftiger Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Begehung eines Suchtgiftdelikts, sohin ein die öffentlichen Interessen an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Gesundheit beeinträchtigendes Fehlverhalten von sehr großem Gewicht, zu Grunde. Vor diesem Hintergrund bietet selbst eine erfolgreiche Suchtgifttherapie keine Gewähr dafür, dass vom Beschwerdeführer keine Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen mehr ausgehe, und es kann auch nicht angenommen werden, dass von ihm, sollte sich die Suchtgifttherapie künftig als erfolglos erweisen, nach vollzogener Freiheitsstrafe keine solche Gefahr mehr ausginge. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 2000/18/0120.)

2. Die belangte Behörde hat bei ihrer - für den Fall des Vorliegens eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben vorgenommenen - Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Oktober 1999 sowie den inländischen Aufenthalt einer Freundin, bei der der Beschwerdeführer auch wohnt, berücksichtigt. Die aus der erst kurzen Aufenthaltsdauer ableitbare, ohnehin nur geringe Integration wird in ihrer sozialen Komponente durch die Straftaten des Beschwerdeführers relativiert.

Den somit nicht schwerwiegenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus den Straftaten resultierende große Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Auf Grund der besonderen Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal bei derartigen Delikten - von der belangten Behörde richtig erkannt - selbst eine ansonsten volle Integration des Fremden dem Aufenthaltsverbot aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegenstünde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. 2001/18/0096).

3. Im Hinblick auf die bisherigen Ausführungen macht der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, die belangte Behörde habe seine Angaben in der Berufung, dass ein Strafaufschub gewährt und Bewährungshilfe angeordnet worden sei, er sich einer Suchtgifttherapie unterziehe und sich seit der letzten Straftat wohlverhalten habe, nicht berücksichtigt, keinen relevanten Verfahrensmangel geltend.

4. Soweit der Beschwerdeführer eine unrichtige Ermessensübung durch die belangte Behörde ins Treffen führt, ist ihm zu entgegnen, dass eine auf der Ausübung des gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen würde, weil der Beschwerdeführer in einer dem § 35 Abs. 3 Z. 2 FrG entsprechenden Weise rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1998, Zl. 98/18/0320).

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. Juni 2002

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002180121.X00

Im RIS seit

19.09.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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