TE Vwgh Beschluss 2002/6/20 2002/18/0111

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Veröffentlicht am 20.06.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über den Antrag von V in Wien, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. August 2001, Zl. SD 714/00, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbots, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt.

Begründung

1. Mit hg. Beschluss vom 5. April 2002, Zl. 2002/18/0025, wurde das Verfahren über die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. August 2001, mit dem ihr Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbots abgewiesen worden war, gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG eingestellt, weil die Antragstellerin dem Mängelbehebungsauftrag vom 6. Februar 2002 insofern nicht nachgekommen ist, als die Vorlage einer weiteren Ausfertigung der ursprünglichen (an den Verfassungsgerichtshof gerichteten) Beschwerde unterlassen worden ist. Dieser Beschluss wurde der Antragstellerin am 2. Mai 2002 zugestellt.

2. In dem am 13. Mai 2002 zur Post gegebenen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führt die Antragstellerin aus, dass ihre im hg. Verfahren 2002/18/0025 vormals ausgewiesene Vertreterin, Mag. W., entsprechend dem Mängelbehebungsauftrag vom 6. Februar 2002 bereits am 18. Februar 2002 den aufgetragenen Schriftsatz verfasst habe. Die sonst sehr zuverlässige Kanzleileiterin habe den Schriftsatz ausgefertigt und samt den erforderlichen Beilagen in die Postmappe gelegt. Mag. W. habe den Schriftsatz unterfertigt und der Kanzleileiterin den Auftrag gegeben, den Schriftsatz samt Beilagen noch am 18. Februar 2002 zur Post zu bringen. Die im Umgang mit der Postorganisation vertraute Kanzleileiterin habe auch noch weitere Poststücke abzufertigen gehabt. Im Zug der Kuvertierung sei ihr offensichtlich insofern ein Fehler unterlaufen, als sie lediglich den aufgetragenen Schriftsatz samt Halbschrift sowie die ursprüngliche Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, nicht aber auch die zweite, ebenfalls für den Versand vorgesehene Ausfertigung dieser Beschwerde in das Kuvert gesteckt und zur Post gebracht habe. Ein derartiger Fehler sei der sonst zuverlässigen Kanzleileiterin noch nie passiert. Die für den Verwaltungsgerichtshof gedachte Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde sei sodann offenbar irrtümlich im Handakt abgelegt worden. Für Mag. W. sei dieses Fehlverhalten der ansonsten so zuverlässigen Kanzleileiterin unvorhersehbar und unabwendbar gewesen. Die Antragstellerin habe von diesem Fehler erst durch die Zustellung des Einstellungsbeschlusses Kenntnis erlangt.

3.1. Vorauszuschicken ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Beschluss eines verstärkten Senats vom 21. Juni 1988, Zl. 87/07/0049) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch gegen die unvollständige Erfüllung eines verwaltungsgerichtlichen Verbesserungsauftrages zulässig ist.

3.2. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

3.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist letzterem (und damit auch der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle über den Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem sonst immer zuverlässigen Angestellten erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach der Kontrolle desselben durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zug der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausgeführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Ein Rechtsanwalt kann vielmehr rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen. (Vgl. das zu § 71 AVG ergangene, auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 27. November 2001, Zl. 2001/18/0114.)

4. Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich das Vorbringen der Antragstellerin als zielführend. Zunächst deutet im vorliegenden Fall nichts auf ein Verschulden ihrer früheren Vertreterin Mag. W. bei der Auswahl der Kanzleileiterin hin. Aus dem glaubwürdigen Vorbringen ergibt sich, dass Mag. W. selbst alles unternommen hat, damit dem Verbesserungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes fristgerecht und in vollem Umfang nachgekommen werden kann. Die unvollständige Erfüllung des Verbesserungsauftrages ist lediglich auf einen Fehler der Kanzleileiterin bei der rein manipulativen Tätigkeit des Kuvertierens der bereits von der Rechtsanwältin unterfertigten und hinsichtlich der Vollständigkeit der Beilagen kontrollierten Sendung zurückzuführen.

5. Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG stattzugeben.

Wien, am 20. Juni 2002

Schlagworte

Mängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002180111.X00

Im RIS seit

19.09.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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