TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/20 99/20/0325

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.06.2002
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der F A (auch H) in Wien, geboren am 25. Jänner 1972, vertreten durch Dr. Manfred Wiener, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. März 1999, Zl. 201.605/2-VI/18/98, betreffend §§ 7, 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, nach ihren Angaben eine in Syrien geborene Staatsangehörige Jordaniens, ist erstmals am 8. Juli 1997 nach Österreich eingereist und stellte am 11. Juli 1997 einen (ersten) Asylantrag. Zu dessen Begründung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe einen (namentlich genannten) irakischen Staatsangehörigen heiraten wollen. Dieser habe zweimal um ihre Hand angehalten, doch ihr Bruder habe die Heirat "verweigert". Ihr Bruder habe gewollt, sie solle einen seiner Freunde heiraten, was die Beschwerdeführerin abgelehnt habe. Nachdem sie mit ihrem ersten Mann unglücklich verheiratet gewesen sei, habe sie nunmehr selbst entscheiden wollen, wen sie heirate. Einige Tage vor der Ausreise hätte sie mit dem Genannten vor einem Mullah (nach islamischem Recht) die Ehe geschlossen. Überdies habe sie nunmehr Angst vor ihren Eltern, weil sie von ihrem Mann ein Kind erwarte. Probleme mit den Behörden habe die Beschwerdeführerin nicht gehabt. Sie sei (gemeinsam mit ihrem Mann) wegen der erwähnten (familiären) Probleme aus Jordanien geflüchtet.

Dieser Asylantrag wurde gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 15. Juli 1997 abgewiesen. Der unabhängige Bundesasylsenat, dem die dagegen erhobene Berufung vorgelegt worden war, hielt in einer Note vom 28. April 1998 an die Erstbehörde fest, der Verwaltungsakt werde dieser rückgemittelt, weil das nicht eigenhändig unterfertigte - unverbessert gebliebene - Berufungsschreiben in Anwendung des § 13 Abs. 4 AVG nicht weiter zu behandeln sei. Demzufolge ging die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt - davon aus, dass das Verfahren über den erwähnten (ersten) Asylantrag rechtskräftig erledigt sei.

Nach den Angaben der Beschwerdeführerin in der Niederschrift vor dem Bundesasylamt am 27. Oktober 1998 sei sie im Jänner 1998 nach Ausstellung eines von ihr beantragten Heimreisezertifikates durch die jordanische Botschaft in Wien (per Flugzeug) nach Jordanien zurückgekehrt und am 10. oder 11. Oktober 1998 (nach illegaler Ausreise aus Jordanien) auf dem Landweg wieder nach Österreich (unter Umgehung der Grenzkontrolle) eingereist. Sie stellte zunächst schriftlich einen am 19. Oktober 1998 beim Bundesasylamt eingelangten (zweiten) Asylantrag. Diesem lässt sich entnehmen, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Jordanien "vom Geheimdienst verfolgt" und nach ihrem Mann, der derzeit in Österreich als Asylwerber lebe, befragt worden sei. Darüber hinaus habe sie "viele Probleme mit ihrer Familie" gehabt, weshalb sie wieder nach Österreich habe zurückreisen müssen, um von Neuem Asyl zu beantragen. Dieses Vorbringen präzisierte die Beschwerdeführerin in der erwähnten Vernehmung vor dem Bundesasylamt. Nach ihrer Ankunft in Jordanien sei sie am Flughafen drei Stunden befragt, dann zur Polizeistation nach Amman und einen Tag später nach Irbid gebracht worden. Dort habe sie sich jeden Tag bei der Polizei melden müssen. Sie sei nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes befragt worden und über ihn betreffende "Sachen", die sie jedoch nicht gewusst habe. Ihr Mann werde zwar von der Polizei nicht gesucht, warum diese dann nach ihm frage, wisse die Beschwerdeführerin nicht. Die Polizei habe die Information, dass sie 1997 gemeinsam mit ihrem Mann geflüchtet sei; jetzt glaube diese, dass die Beschwerdeführerin alles über ihn wissen müsse. Sie sei zwar nicht körperlich, aber seelisch gefoltert worden, indem man sie "tagtäglich" in der Zeit von 8 bis 15 Uhr in eine Zelle gesperrt habe, ohne dass sie befragt worden sei. Darüber hinaus sei sie immer wieder nach den Umständen bei der ersten Ausreise (mit einem gefälschten Reisepass) befragt worden. Im Fall einer Rückkehr nach Jordanien nehme sie an, dass "das Problem sicher größer geworden" sei. Nunmehr sei sie ja ein zweites Mal (illegal) ausgereist, was strafbar sei.

Ein weiterer Fluchtgrund sei, dass sie immer wieder von ihrem Bruder Basam bedroht worden sei. Ihre Familie habe die Heirat mit ihrem jetzigen Mann nicht anerkannt und das aus dieser Verbindung stammende Kind als "nicht ehelich empfunden". Deshalb habe sie es ihr wegnehmen wollen.

Das Bundesasylamt hat diesen Asylantrag mit Bescheid vom 30. Oktober 1998 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Jordanien zulässig sei. Es erachtete die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer behaupteten Identität und Staatsangehörigkeit sowie zum Fluchtweg und zu den Fluchtgründen - erkennbar aber nur bezüglich des Vorbringens zum Vorgehen der Polizei - mit näherer beweiswürdigender Begründung für nicht glaubwürdig. Zur behaupteten Verfolgung durch den Bruder der Beschwerdeführerin führte die Erstbehörde - offenbar unter Zugrundelegung der diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin -

im Rahmen der rechtlichen Beurteilung aus, dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei nicht zu entnehmen, dass die staatlichen Behörden Jordaniens nicht in der Lage "und" nicht gewillt gewesen wären, davor Schutz zu gewähren. Soweit die Beschwerdeführerin befürchte, im Falle ihrer Rückkehr wegen Übertretung der passrechtlichen bzw. der Ausreisevorschriften bestraft zu werden, so könne darin kein Grund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erblickt werden.

In der dagegen erhobenen Berufung wendet sich die Beschwerdeführerin zunächst lediglich ganz allgemein gegen die Beweiswürdigung der Erstbehörde und rügt nur unter dem Gesichtspunkt der amtswegigen Ermittlungspflicht nach § 28 AsylG die Unterlassung ihrer ergänzenden Befragung. Der Großteil der Berufungsausführungen befasst sich mit der von der Erstbehörde in Ansehung der behaupteten Privatverfolgung durch ihren Bruder - nach Auffassung der Beschwerdeführerin zu Unrecht - angenommenen staatlichen Schutzgewährung. Die Erstbehörde verkenne hier völlig die Lage in einem islamischen Land, sie übertrage in unzulässiger Weise die Verhältnisse in europäischen Ländern auf Jordanien. Den Ausführungen der Beschwerdeführerin sei "keine einzige objektivierbare Hintergrundinformation" zu Jordanien "gegenübergestellt" worden, "obwohl dem Bundesasylamt zahlreiche objektive Berichte und Informationen" im Einzelnen genannter Organisationen "zur Verfügung stehen oder auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden". In einem islamischen Land sei es mit Sicherheit lebensgefährlich, wenn eine Frau gegen den Willen ihrer Familie eine Beziehung eingehe. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Staatsgewalt die Beschwerdeführerin davor ganz gewiss nicht schützen könne und auch nicht wolle, da sie sich einer Abweichung von den gesellschaftlichen Normen schuldig gemacht habe.

Im Zuge des Berufungsverfahrens holte die belangte Behörde eine Stellungnahme des UNHCR zu dieser Frage ein, die wie folgt lautet:

"Grundsätzlich ist es nicht ungewöhnlich, dass es in Jordanien zu Eheschließungen mit Staatsbürgern anderer Länder kommt und gibt es kein Gesetz, das solche Ehen verbietet. Sollten die Ehepartner die Ehe ohne Einvernehmen der Familienmitglieder schließen, würde die Reaktion der Familie grundsätzlich vom familiären Hintergrund bzw. Profil dieser Familie abhängen. Jordanische Staatsangehörige gelten generell als gesetzestreue Bürger. Gerade im Bereich der Eheschließung spielen jedoch traditionelle Werte nach wie vor eine sehr große Rolle. Die für Jordanien untypischen Verbrechen zur Wiederherstellung der Ehre werden von den Behörden allerdings nicht geduldet.

Bezüglich Ihrer Frage nach besonders exzessiven Bestrafungen im Zusammenhang mit Übertretungen passrechtlicher Vorschriften können wir Ihnen lediglich mitteilen, dass Jordanien von seinen Staatsangehörigen keine Ausreisevisa verlangt. Um eine detaillierte Antwort bezogen auf den Einzelfall abgeben zu können, benötigt unser Büro in Amman hingegen nähere Informationen zur Familie der Asylwerberin sowie (zu) den Umstände(n), unter denen die Eheschließung erfolgte."

In ihrer dazu erstatteten Äußerung betonte die Beschwerdeführerin, sie stamme aus einer Familie, die sehr stark traditionell geprägt sei. Ihr Bruder sei nicht nur traditionell, sondern überdies sehr religiös eingestellt. Es sei aber "nicht in erster Linie die Religion, sondern die Tradition, die traditionelle Unterwerfung der Frauen unter die Befehle der Männer, die mich gefährdet". Sie habe ihren Mann gegen den Willen der Familie geheiratet, ihre Brüder hätten sie deshalb mit dem Tod bedroht. Sie hätten ihr befohlen, ihn zu vergessen, sonst würden sie sie töten. Sie habe daher aus der Wohnung ihrer Eltern flüchten müssen, um ihren Mann heimlich zu heiraten. Das sei nach der Tradition ein schweres Verbrechen und könne mit großer Wahrscheinlichkeit zu ihrem Tode führen. Als sie vorübergehend nach Jordanien zurückgekehrt sei, habe sie nicht in ihrer Heimatstadt, sondern in einem kleinen Dorf gelebt. Von dort aus habe sie mit einem Bekannten Kontakt aufgenommen, der ihr mitgeteilt habe, dass die Gefahr dadurch noch größer geworden sei, weil sie nun mit ihrem Mann ein Kind habe. Aus diesem Grund sei sie abermals geflüchtet. Hätte sie ihre Familie in diesem Dorf gefunden, dann hätte sie sie umgebracht. Auf den Schutz der Polizei könne sie nicht hoffen, weil sich diese nicht in Familienangelegenheiten einmische. Die jordanischen Behörden würden sich allenfalls dann einschalten, wenn ein solches Verbrechen gegen sie bereits geschehen sei. Dies abzuwarten sei ihr aber nicht zumutbar.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. März 1999 wurde die Berufung - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - "gemäß §§ 7, 8 AsylG" abgewiesen. Die belangte Behörde erachtete die Angaben der Beschwerdeführerin in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der Erstbehörde "bezüglich der Bedrohungssituation durch ihre Familie" für glaubwürdig und stellte fest, die Beschwerdeführerin habe ihre Heimat verlassen, weil sie von einem ihrer Brüder bedroht werde. Diese Bedrohung resultiere daraus, dass die Beschwerdeführerin gegen den Willen der Familie den erwähnten irakischen Staatsangehörigen geheiratet habe. Aus diesem Grund seien "weitreichende Spannungen mit ihrer Familie" entstanden. Auf Grund der "fundierten Hintergrundinformationen des UNHCR", die durch die Angaben der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme nicht "erschüttert" werden könnten, sei jedoch davon auszugehen, dass staatliche Stellen, "somit Polizei- und Verwaltungsbehörden, es keinesfalls dulden, dass in Jordanien untypische Verbrechen zur Wiederherstellung der Ehre ausgeführt würden". Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Heimatstaat der Beschwerdeführerin dieser "in effektiver Weise" Schutz vor einer von Dritten ausgehenden Verfolgung bieten könne. Die behaupteten Verfolgungshandlungen gingen somit "ausschließlich von Privaten aus" und seien somit nicht dem Heimatstaat der Beschwerdeführerin "zuzurechnen".

In Ansehung der behaupteten Festnahmen und Befragungen durch die jordanische Polizei verneinte die belangte Behörde zunächst die "asylrechtliche Relevanz", weil den Angaben nicht zu entnehmen sei, "dass diese Einvernahmen eine dermaßene Relevanz und Intensität angenommen hätten, dass von einer unerträglichen Belastung der Berufungswerberin ausgegangen werden könnte". Da die Beschwerdeführerin (nur) nach dem Verbleib ihres verschwundenen Ehegatten befragt worden sei, seien diese Befragungen auch nicht aus einem "asylrechtlich relevanten Motiv" erfolgt. "Zudem" könne nicht angenommen werden, dass die Aussage der Beschwerdeführerin, sie wäre tatsächlich 250 Tage lang immer wieder dasselbe, nämlich nach dem Aufenthaltsort ihres Ehegatten gefragt worden, der Wirklichkeit entspreche, was die belangte Behörde mit näher - zur Feststellung nach § 8 AsylG - ausgeführter Beweiswürdigung begründete. Das Vorgehen der Polizei im Zusammenhang mit gefälschten Reisepässen sei schließlich ebenfalls nicht asylrechtlich relevant, habe doch diese Befragung nur der Erforschung eines allgemein strafbaren Deliktes gedient.

Abschließend begründete die belangte Behörde, dass die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht erforderlich gewesen sei, weil der Berufung keinerlei Hinweise zu entnehmen seien, in welche Richtung die Asylwerberin hätte ergänzend befragt werden können. In Bezug auf das einzig relevante Vorbringen zur mangelnden Schutzgewährung durch die Behörden Jordaniens vor privater Verfolgung sei der Beschwerdeführerin ohnehin die Möglichkeit zur Stellungnahme zur Anfragebeantwortung des UNHCR eingeräumt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Vorweg ist darauf zu verweisen, dass die Beschwerde den Ausführungen im angefochtenen Bescheid zum auch als Fluchtgrund relevierten Vorgehen der Polizei nach der Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Jordanien im Jahre 1998 nicht entgegentritt und insbesondere keine Einwände gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde vorträgt. Da nach dem Inhalt der Berufung, welche die Argumente im erstinstanzlichen Bescheid in keiner Weise bekämpft, insoweit auch zu Recht die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung für entbehrlich erachtet wurde, und weil die Würdigung des diesbezüglichen Vorbringens der Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde der auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkten Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof standhält, sind diese - hilfsweise herangezogenen - Begründungselemente nicht zu beanstanden. Die vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilte - von der belangten Behörde zu diesem Vorbringensteil primär vertretene - Rechtsansicht, das von der Beschwerdeführerin geschilderte Vorgehen der jordanischen Polizei zur Ermittlung des Aufenthaltsortes ihres Ehegatten sei mangels "ausreichender Intensität" nicht asylrelevant, führt daher mangels Relevanz dieser inhaltlichen Rechtswidrigkeit nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

In Ansehung der behaupteten Bedrohung durch den Bruder (die Familie) der Beschwerdeführerin ist zunächst zu bemerken, dass sich die belangte Behörde unter Zugrundelegung der Annahme ausreichenden staatlichen Schutzes mit dem Berufungsvorbringen, in dem ausgehend von der sehr traditionellen (religiösen) Einstellung des Bruders der Beschwerdeführerin ausdrücklich eine "geschlechtsspezifische Verfolgung" mit dem Hinweis auf die soziale Gruppe der Frauen geltend gemacht wurde (siehe zu diesen Fragen das Papier des UNHCR vom 7. Mai 2002, Richtlinien zu internationalen Schutz, Geschlechtsspezifische Verfolgung im Zusammenhang mit Art. 1A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge; vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0483, mit weiteren Hinweisen), in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht auseinandergesetzt, den Zusammenhang mit einem Konventionsgrund - im Ergebnis zutreffend - aber auch nicht verneint hat.

Die belangte Behörde hat auch erkannt, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung zur Frage der staatlichen Schutzgewährung vor einer (Privat)Verfolgung durch ihren Bruder (ihre Familie) ein ergänzendes Vorbringen erstattet hat, was die belangte Behörde zu Ermittlungen veranlasste, auf deren Ergebnisse sie im angefochtenen Bescheid - den Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme zur Anfragebeantwortung des UNHCR widersprechende - entscheidungsrelevante Feststellungen stützte. Entgegen der wiedergegebenen Begründung im angefochtenen Bescheid wäre es in diesem Fall nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch erforderlich gewesen, diese Ermittlungsergebnisse im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung zu erörtern (zur Verhandlungspflicht im Falle von entscheidungswesentlichen Neuerungen vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, und im Falle von Sachverhaltsermittlungen im Berufungsverfahren vgl. insbesondere die Erkenntnisse vom 22. April 1999, Zl. 98/20/0567, und vom 23. März 2000, Zl. 99/20/0002, in dem auch klargestellt wurde, dass diesem Erfordernis mit der Einräumung einer schriftlichen Stellungnahme nicht entsprochen wird). Bei deren Durchführung wäre es aber nicht ausgeschlossen gewesen, dass die belangte Behörde zu einer anderen Einschätzung in Bezug auf den Beweiswert der Angaben der Beschwerdeführerin im Verhältnis zur Auskunft des UNHCR gekommen wäre, sodass die Relevanz dieses Verfahrensmangels evident ist.

Im Übrigen ist den Beschwerdeausführungen dahin beizupflichten, dass die allgemein gehaltene - die von der belangten Behörde gestellten Fragen daher auch nicht vollständig beantwortende  - Mitteilung des UNHCR, in der für eine auf den Einzelfall bezogenen detailliertere Auskunft ausdrücklich nähere Informationen verlangt werden, keine ausreichende Grundlage dafür darstellt, einen "in effektiver Weise" bestehenden staatlichen Schutz vor der behaupteten Bedrohung (mit dem Tod und mit der Wegnahme ihres Kindes) für die Beschwerdeführerin anzunehmen. Diesbezüglich bedarf es somit - unter Bedachtnahme auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu dieser Frage - auch einer Ergänzung des Ermittlungsverfahrens.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 20. Juni 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999200325.X00

Im RIS seit

29.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten