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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des Z in V, geboren am 20. September 1979, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. März 2002, Zl. St 183/01, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 19. März 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Den Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (der Erstbehörde) zufolge sei der Beschwerdeführer erstmals am 16. Juli 1993 in Österreich eingereist und habe sich als kriegsvertriebener jugoslawischer Staatsangehöriger aus der Teilrepublik Bosnien deklariert. Entsprechend völkerrechtlicher Gepflogenheit sei ihm und seinen Angehörigen erstmals am 22. November 1993 ein vorläufiges Aufenthaltsrecht als bosnischen Kriegsvertriebenen "dokumentiert" worden. In der Folge habe sich herausgestellt, dass er bereits seit 26. Oktober 1993 kroatischer Staatsangehöriger sei. Mit diesem Datum sei ihm erstmals von den kroatischen Behörden ein bis 26. Oktober 1998 gültiges Reisedokument ausgestellt worden.
Am 22. August 1997 habe der Beschwerdeführer erstmals die Erteilung einer regulären Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz beantragt und dazu ausgeführt, dass er am 29. Oktober 1996 eine dreijährige Lehre als Maurer begonnen hätte. Seinem Antrag sei auf der Grundlage der Richtigkeit seiner Angaben stattgegeben worden. Ihm seien erstmals am 22. August 1997 eine bis 21. August 1998 gültige Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz und in weiterer Folge Bewilligungen nach dem FrG, zuletzt am 28. März 2000 mit Gültigkeit bis 10. Jänner 2002, erteilt worden.
Am 24. November 2000 sei der Beschwerdeführer vom GPK St. Georgen im Attergau wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz - SMG angezeigt worden, weil bei einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle am 4. November 2000 in seinem PKW Cannabis sichergestellt worden sei. Das Rauschgift hätte er in der Nacht zuvor in einer Diskothek in Sattledt gekauft und bereits teilweise geraucht. Diese Anzeige sei von der Staatsanwaltschaft Wels am 2. Jänner 2001 gemäß § 35 Abs. 1 SMG vorläufig (auf eine Probezeit von zwei Jahren) zurückgelegt worden. Auf Grund dieses Vorfalls sei er von der Erstbehörde am 20. Dezember 2000 zwecks Überprüfung der ausreichenden gesundheitlichen Eignung zum Lenken von KFZ zur amtsärztlichen Untersuchung vorgeladen worden. Dieser Ladung wie auch den folgenden Ladungen habe er unentschuldigt keine Folge geleistet, sodass ihm die Lenkerberechtigung bis zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von KFZ entzogen worden sei.
Das vorläufig eingestellte gerichtliche Strafverfahren nach § 27 Abs. 1 SMG habe ihn jedoch nicht zu einer Änderung seiner charakterlichen Einstellung und zum Wohlverhalten in seinem Gastland bewegen können. Schon am 1. Juni 2001 sei er erneut wegen strafbarer Handlungen nach dem SMG - nunmehr wegen Verdachts der strafbaren Handlung nach § 28 Abs. 2 leg. cit. (Merkmal der großen Menge) - angezeigt worden, weil er verdächtigt worden sei, im Zeitraum Sommer 1999 bis mindestens 6. April 2001 regelmäßig Ecstasy, Kokain, Heroin und Cannabis in einer großen Menge im Bereich Oberösterreich und Wien, teilweise allein oder mit Freunden konsumiert, erworben und gewinnbringend weiter verkauft zu haben, wobei er für G. und I. teilweise als Verkäufer gegen Provision fungiert habe. Im Hinblick darauf sei über den Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 28. September 2001 wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall, Abs. 3 erster Fall SMG und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall leg. cit. als Beteiligter nach § 12 dritter Alternative StGB eine auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verhängt worden. Er sei für schuldig befunden worden, den bestehenden Vorschriften zuwider
I. in der Zeit von Sommer 1999 bis 6. April 2001 in Vöcklabruck, Attnang und anderen Orten Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) dadurch in Verkehr gesetzt zu haben, dass er zumindest 500 Stück Ecstasy-Tabletten, 5 g Heroin, 30 g Amphetamin, 200 g Marihuana, 2 g Kokain und 200 g Cannabisharz an 9 namentlich genannte Personen und weitere namentlich nicht bekannte Suchtgiftkonsumenten jeweils unter Aufschlag von Gewinnspannen verkauft, für G. und I. weitere Suchtgiftverkäufe getätigt und "für" C. Suchtgift zum Konsum überlassen zu haben,
II. in der Zeit von Jänner 2001 bis März 2001 in Vöcklabruck und Wien dadurch zum Erwerb von Suchtgift durch I. beigetragen zu haben, dass er für ihn Suchtgiftbeschaffungsfahrten nach Wien durchgeführt habe.
Bezüglich seiner privaten und familiären Verhältnisse habe die Erstbehörde festgestellt, dass sich sowohl seine Mutter als auch seine zwei Schwestern in Österreich aufhielten.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aus, dass die Behörde unter Zugrundelegung des festgestellten Gesamtverhaltens berechtigt sei zu prüfen, ob die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Zweifelsohne sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG als erfüllt zu betrachten. Erschwerend sei, dass die erste Zurücklegung der Anzeige nicht ausgereicht habe, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. So habe er im Zeitraum von Sommer 1999 bis mindestens 6. April 2001 regelmäßig Verbrechen nach dem SMG begangen. Aus der vom Landesgericht Wels verhängten, relativ hohen Freiheitsstrafe sei zu ersehen, dass der Unwert seines Verbrechens auch vom Gericht enorm hoch eingestuft worden sei. Es sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt.
In Anbetracht der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer seit 1993 in Österreich legal aufhalte, sich hier sowohl seine Mutter als auch seine beiden Schwestern befänden und er einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei bzw. nachgehe, sei ihm eine der Dauer dieses Aufenthalts entsprechende Integration zuzubilligen und werde durch das Aufenthaltsverbot in nicht unbedeutender Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Schon im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft und hier vor allem der Jugendlichen, die diesen Gefahren auf Grund ihrer mangelnden Reife vermehrt ausgesetzt seien, sei diese Maßnahme jedoch dringend erforderlich, wobei die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß sei. Ferner wögen im Hinblick auf die für einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative "Zukunftsprognose" die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, weshalb diese Maßnahme auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Darin könne der Aufenthalt seiner Mutter bzw. seiner beiden Schwestern nichts ändern.
Da sein Gesamtfehlverhalten "doch" schwerwiegenderer Art sei, habe nicht mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen gefunden werden können, sondern sei, insbesondere auf Grund der besonderen Gefährlichkeit von Suchtgiftverbrechen bzw. der hohen Rückfallsgefahr, von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch zu machen gewesen.
Auf Grund der besonders hohen Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten könne nicht abgesehen werden, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, weggefallen sein würden, weshalb das Aufenthaltsverbot nur auf unbefristete Dauer habe erlassen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu den strafbaren Handlungen und der Verurteilung des Beschwerdeführers und wendet sich auch nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.
2. Die Beschwerde bringt vor, durch die gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers und das Aufenthaltsverbotsverfahren seien ihm sein bisheriges Fehlverhalten und die damit verbundenen Konsequenzen deutlich vor Augen geführt und ein grundlegender Wandel seiner bisherigen Einstellung bewirkt worden. Diese Straftaten seien seinem jugendlichen Leichtsinn und seinem damaligen Freundeskreis zuzuschreiben gewesen, welche Umstände sich grundlegend geändert hätten. Ferner hätte die belangte Behörde feststellen und berücksichtigen müssen, dass seine hier lebende Familie, nämlich seine Mutter und seine jüngere, noch schulpflichtige Schwester, in finanzieller Hinsicht auf seine Unterstützung angewiesen sei und, müsste er nach Bosnien (Kroatien) zurückkehren, nicht nur seine wirtschaftliche Existenz, sondern auch die seiner Familie zerstört wäre. Auch habe er in Bosnien-Herzegowina keine Verwandten mehr und sei das Haus seiner Familie dort zerstört worden, sodass er keine Möglichkeit hätte, dorthin zurückzukehren.
3. Dieses mit Blick auf § 36 Abs. 1 wie auch auf § 37 leg. cit. erstattete Vorbringen ist nicht zielführend.
3.1. Nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer im Zeitraum von Sommer 1999 bis zumindest 6. April 2001 an mehreren Orten eine große Menge Suchtgift im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG - das ist eine Menge an Suchtgift, die geeignet ist, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen - an verschiedene Personen jeweils unter Aufschlag von Gewinnspannen verkauft, für zwei andere Personen weitere Suchtgiftverkäufe getätigt und einer weiteren Person Suchtgift zum Konsum überlassen. Ferner hat er in der Zeit von Jänner 2001 bis März 2001 für eine dieser Personen Suchtgiftbeschaffungsfahrten nach Wien durchgeführt und zum Erwerb von Suchtgift durch sie beigetragen. Obwohl gegen ihn bereits im November 2000 wegen des Ankaufs und teilweisen Konsums von Cannabisharz eine Strafanzeige erstattet und diese von der Staatsanwaltschaft Wels am 2. Jänner 2001 gemäß § 35 Abs. 1 SMG vorläufig auf eine Probezeit von zwei Jahren zurückgelegt worden war, konnte ihn dies nicht davon abhalten, weitere Straftaten nach dem SMG zu begehen, insbesondere Suchtgift an andere zu verkaufen, wobei er gewerbsmäßig (vgl. § 28 Abs. 3 erster Fall SMG), somit in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), vorging. Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die dieser innewohnende Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2002/18/0022, mwN), begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Auch lag das besagte Fehlverhalten des Beschwerdeführers bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht so lange zurück, um einen Wegfall oder eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können.
3.2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers seit 1993 und seine Erwerbstätigkeit in Österreich, seine daraus resultierende Integration und seine Bindungen zu seiner Mutter und seinen Schwestern, die sich hier aufhalten, berücksichtigt. Diesen beachtlichen persönlichen Interessen steht das große öffentliche Interesse an der Hintanhaltung der Suchtgiftkriminalität (vgl. nochmals das vorzitierte Erkenntnis) gegenüber. Insbesondere fällt zu Lasten des Beschwerdeführers ins Gewicht, dass er das Verbrechen des gewerbsmäßigen Suchtgifthandels über einen langen Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren verübte und auch die Zurücklegung der Anzeige nach § 27 Abs. 1 SMG für eine Probezeit von zwei Jahren ihn nicht davon abhielt, mit Suchtgift zu handeln. Im Hinblick darauf kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zum Schutz der Gesellschaft - somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit) - dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers jedenfalls nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), nicht als rechtswidrig erkannt werden. Dem weiteren Beschwerdeeinwand, dass der Beschwerdeführer keine Bezugspunkte zu seiner Heimat mehr habe und seine Mutter und seine jüngere Schwester auf seine finanzielle Unterstützung angewiesen seien, ist zu erwidern, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen sind. Abgesehen davon wird mit dem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen, dass er in ein bestimmtes Land (etwa nach Bosnien-Herzegowina) auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde, und können finanzielle Unterhaltszuwendungen auch vom Ausland aus geleistet werden.
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen geht die in der Beschwerde erhobene Rüge, die belangte Behörde hätte die Mutter und die beiden Schwestern des Beschwerdeführers zu seiner Integration in Österreich, der Integration seiner Familie, seiner geänderten persönlichen Einstellung und der Notwendigkeit der wirtschaftlichen Unterstützung seiner Familie, vernehmen und dazu weitere Feststellungen treffen müssen, ins Leere.
4. Schließlich bestand für die belangte Behörde auch keine Veranlassung, von ihrem Ermessen im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 20. Juni 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002180128.X00Im RIS seit
19.09.2002