TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/20 2002/18/0119

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.06.2002
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
VStG §51 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des J in Wien, geboren am 28. November 1984, vertreten durch Dr. Stefan Kovacsevich, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Jacquingasse 35, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Jänner 2002, Zl. SD 42/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. Jänner 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Uganda, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, dessen Identität auf Grund fehlender Dokumente nicht nachgewiesen sei, sei am 14. September 2000 in einem Bus versteckt in das Bundesgebiet gelangt und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, dem mit Berufungsbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Juni 2001 keine Folge gegeben worden sei.

Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 5. Jänner 2001 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB sowie wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe am 29. November 2000 versucht, zwei Sicherheitswachebeamte an einer Amtshandlung, nämlich seiner Identitätsfeststellung zu hindern. Der Beschwerdeführer habe einem Sicherheitswachebeamten ins Gesicht geschlagen und ihm einen Fußtritt gegen das Schienbein versetzt. Gegen eine Sicherheitswachebeamtin habe er weitere gezielte Schläge gegen Kopf und Körper geführt. Durch diese Aggressionshandlung habe der Sicherheitswachebeamte eine Rissquetschwunde am Schienbein, eine Schwellung am linken Jochbein sowie Hautabschürfungen, Kratzspuren und eine Schwellung an der rechten Hand erlitten.

Nachdem die erstinstanzliche Behörde mit Bescheid vom 22. Oktober 2001 gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen habe, sei der Beschwerdeführer am 7. Dezember 2001 festgenommen und am 7. Jänner 2002 mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 und 2 Z. 2 (1. Fall) SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe in Wien in einem Zeitraum von zumindest einer Woche bis zum 7. Dezember 2001 in täglichen Angriffen Suchtgift in einer nicht mehr feststellbaren Menge, zumindest jedoch 3 Gramm Heroin und Kokain, durch Verkauf anderen Personen gewerbsmäßig überlassen.

Auf Grund der letztgenannten Verurteilung sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Weiters sei davon auszugehen, dass auch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG gegeben erscheine, weil der Beschwerdeführer den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht habe.

Das den beiden zitierten Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers sowie dessen Mittellosigkeit gefährdet die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maß, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - gerechtfertigt sei.

Auf Grund des kurzen und darüber hinaus zur Gänze unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und im Hinblick auf das Fehlen familiärer Bindungen könne von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- oder Familienleben keine Rede sein. Es sei daher weder zu prüfen gewesen, ob die gegen den Beschwerdeführer gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, noch sei eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. vorzunehmen gewesen.

Von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes habe auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können. Unter Berücksichtigung des seit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides neu hinzugekommenen Sachverhaltes könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, nicht vor Verstreichen des für die Gültigkeit des Aufenthaltsverbotes nunmehr festgesetzten Zeitraumes von zehn Jahren erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und die weiteren Bescheidfeststellungen zu seinem diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden Fehlverhalten. Die Beschwerde wendet sich auch nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Gegen diese Beurteilung bestehen keine Bedenken. Ferner begegnet auch die - in der Beschwerde gleichfalls unbekämpft gebliebene - Auffassung der belangten Behörde, dass angesichts des diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden Fehlverhaltens die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

2.1. Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt der Beschwerdeführer vor, dass die Verfügung eines Aufenthaltsverbotes und ebenso die zeitliche Ausweitung eines bereits verhängten Aufenthaltsverbotes "Sanktionencharakter" hätten bzw. als "Strafe im Rechtssinn" zu verstehen seien. Die belangte Behörde habe dadurch, dass sie die Gültigkeit des Aufenthaltsverbotes von fünf auf zehn Jahre verlängert habe, gegen das Verbot der "reformatio in peius" verstoßen, "noch dazu in einem Verfahren, das überhaupt nur auf Grund meiner Berufung durchgeführt wurde, und gegen dessen Ergebnis ich kein ordentliches Rechtsmittel ergreifen kann."

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Auf ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist das AVG anzuwenden, das eine dem § 51 Abs. 6 VStG vergleichbare Bestimmung nicht enthält. In einem solchen Verfahren besteht sohin kein Verbot der reformatio in peius, das heißt, dass der Bescheid von der Berufungsbehörde auch zum Nachteil des Berufungswerbers abgeändert werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. März 2001, Zl. 98/18/0128, mwN).

3. Eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften erblickt der Beschwerdeführer darin, dass die belangte Behörde "von sich aus Erhebungen hinsichtlich der Dauerhaftigkeit meiner Unterhaltssicherung in Österreich" hätte treffen müssen. Die belangte Behörde sei "zur unrichtigen Sachverhaltsfeststellung über die fehlende Unterhaltssicherung in Österreich gelangt". Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht vorbringt, dass und welche Mittel ihm zur Bestreitung seines Unterhalts in Österreich zur Verfügung stünden, und er somit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufzeigt, kann im Hinblick auf die Ausführungen unter II.1. offen bleiben, ob der Beschwerdeführer auch den Aufenthaltsverbotsgrund des § 36 Abs. 2 Z 7 FrG verwirklicht hat.

4. In Anbetracht eines Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich in der Dauer von etwa einem Jahr und vier Monaten, hätte die belangte Behörde einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben nicht verneinen dürfen. Dadurch wurde der Beschwerdeführer, der über keine familiären Bindungen im Inland verfügt, allerdings nicht in subjektiven Rechten verletzt, überwiegt doch das öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Gesundheit (Art. 8 Abs. 2 EMRK) die nur schwach ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet beträchtlich. Die Bestimmung des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG steht dem Aufenthaltsverbot daher nicht entgegen.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 20. Juni 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002180119.X00

Im RIS seit

07.10.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten