TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/20 2000/20/0285

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Veröffentlicht am 20.06.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der S E (auch: E) in Wien, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. April 2000, Zl. 215.703/0-XII/05/00, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nigeria, stellte am 13. Dezember 1999 einen Asylantrag. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Jänner 2000 gemäß § 7 Asylgesetz abgewiesen. Gemäß § 8 Asylgesetz wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria für zulässig erklärt. In der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides wurde auf die Berufungsfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides hingewiesen.

Im Akt befindet sich eine Kopie der mit 13. Dezember 1999 datierten Zuweisung der Beschwerdeführerin durch das Bundesasylamt in das Sonderquartier 1060 Wien, G-Straße 39, bis 4. Jänner 2000.

Den Ladungsbescheid zur Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 4. Jänner 2000 hat die Beschwerdeführerin am 13. Dezember 1999 persönlich im Amt übernommen.

In der Niederschrift der Einvernahme vor dem Bundesasylamt vom 4. Jänner 2000 findet sich der Vermerk "Eig. Adresse siehe DG3".

Am 27. Jänner 2000 wurde dem Bundesasylamt vom Bundesministerium für Inneres auf Anfrage die Meldeauskunft erteilt, dass die Beschwerdeführerin seit 17. Dezember 1999 in 1060 Wien, G-Straße Nr. 2/214, mit Hauptwohnsitz gemeldet sei.

Die Behörde erster Instanz unternahm in der Folge einen Versuch der Zustellung ihres Bescheides vom 26. Jänner 2000 an der zuletzt genannten Anschrift. Die Sendung wurde jedoch mit dem Vermerk "unbekannt" retourniert.

Mit Aktenvermerk vom 14. Februar 2000 hielt das Bundesasylamt fest, dass die Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle seitens der Beschwerdeführerin unterlassen worden sei. Der Behörde sei keine Abgabestelle bekannt, und es habe auch trotz Zentralmeldeanfrage keine festgestellt werden können. Sonstige Anhaltspunkte betreffend eine Abgabestelle hätten sich nicht ergeben. Der Bescheid sei daher am 14. Februar 2000 bei der Behörde im Akt hinterlegt worden.

Ferner findet sich auf der Rückseite dieses Aktenvermerks die Verfügung, dass die "Note" mit Frist 29. Februar 2000 am "Schwarzen Brett" auszuhängen sei.

Nach einem weiteren im Akt befindlichen Vermerk ist der Beschwerdeführerin der erstinstanzliche Bescheid am 23. Februar 2000 persönlich im Amt ausgefolgt worden.

Weiters enthält der Akt die Kopie eines Meldezettels der Beschwerdeführerin, wonach sie sich am 22. Februar 2000 in 1160 Wien, F. Gasse 46/23, mit Hauptwohnsitz angemeldet habe; als bisheriger Hauptwohnsitz ist auf diesem Meldezettel lediglich "1060 Wien" genannt.

Mit Schreiben vom 29. Februar 2000, übermittelt an das Bundesasylamt mit Telefax vom 2. März 2000, erhob die Beschwerdeführerin "innerhalb offener Rechtsmittelfrist" Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen. Diesem Bescheid war ein Schreiben der belangten Behörde vom 15. März 2000 an die Beschwerdeführerin zu Handen Dr. K. (welcher die Berufung im Namen der Beschwerdeführerin eingebracht hatte) vorangegangen, in dem einerseits die Aufforderung erging, dass die Bevollmächtigung des Dr. K. nachzuweisen sei, und andererseits darauf hingewiesen wurde, dass die Berufung als verspätet eingebracht anzusehen sei. Dieses Schreiben wurde Dr. K. nachweislich am 20. März 2000 zugestellt. Die darin gesetzte Frist für eine Äußerung bzw. Mängelbehebung betrug eine Woche. Innerhalb dieser Frist (und darüber hinaus bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) erfolgte keine Reaktion seitens der Beschwerdeführerin.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass der erstinstanzliche Bescheid der Beschwerdeführerin an die der Behörde bekannte Adresse zugestellt worden sei. Er sei aber mit dem Vermerk "unbekannt" zurückgemittelt worden. Da somit der Behörde keine Abgabestelle bekannt gewesen sei und eine solche auch durch eine Zentralmeldeanfrage habe nicht festgestellt werden können, sei der Bescheid gemäß § 23 Abs. 1 Zustellgesetz am 14. Februar 2000 bei der Behörde erster Instanz im Akt hinterlegt worden. Mit diesem Tag gelte der Bescheid gemäß § 23 Abs. 4 Zustellgesetz als zugestellt. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist gemäß § 63 Abs. 5 AVG habe somit am 14. Februar 2000 zu laufen begonnen und am 28. Februar 2000 geendet. Die Berufung sei aber erst am 2. März 2000 und somit verspätet eingebracht worden. Die Berufungswerberin habe trotz schriftlicher Aufforderung zur Frage der Verspätung der Berufung nicht Stellung genommen. Auf die Nichtvorlage einer entsprechenden Vollmacht sei nicht näher einzugehen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

§ 8 Abs. 2 Zustellgesetz bestimmt, dass dann, wenn diese Mitteilung unterlassen wird, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen ist, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, dass eine Sendung ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist diese gemäß § 23 Abs. 1 Zustellgesetz sofort beim Postamt, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten. Die Hinterlegung ist vom Postamt oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde gemäß § 23 Abs. 2 Zustellgesetz auch auf andere Weise zu beurkunden. Gemäß § 23 Abs. 4 Zustellgesetz gilt die so hinterlegte Sendung mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt.

Die Behörde erster Instanz hat eine Zustellung nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz vorgenommen. Eine derartige Zustellung setzt aber voraus, dass die Behörde zumindest durch "einfache Hilfsmittel" versucht hat, eine neue Abgabestelle auszuforschen. Im Aktenvermerk vom 14. Februar 2000 hat das Bundesasylamt zwar festgehalten, dass "trotz Zentralmeldeanfrage" keine Abgabestelle habe festgestellt werden können. Damit bezieht sich das Bundesasylamt aber offenbar auf jene Anfrage, die zur Meldeauskunft des Bundesministeriums für Inneres vom 27. Jänner 2000 geführt hat. Jedenfalls geht aus dem genannten Aktenvermerk und der Aktenlage nicht hervor, dass nach dem erfolglosen Zustellversuch an die Adresse G-Straße 2/214 noch eine Meldeanfrage durchgeführt worden wäre. Die Meldeauskunft vom 27. Jänner 2000 konnte das Bundesasylamt aber nicht davon entbinden, nach dem fehlgeschlagenen Zustellversuch erneut eine Meldeanfrage durchzuführen. Erst diese Vorgangsweise hätte eine Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz ermöglicht. Es mag zwar sein, dass sich eine weitere Meldeanfrage als ergebnislos herausgestellt hätte; dennoch wäre das Bundesasylamt verhalten gewesen, nach dem erfolglosen Zustellversuch eine neuerliche Meldeanfrage durchzuführen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Februar 2002, Zl. 2000/01/0373, und vom 14. Mai 2002, Zl. 2000/01/0514).

Die Anwendung des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz setzt des weiteren voraus, dass es bisher eine Abgabestelle gegeben hat, an der die Behörde Zustellungen vorgenommen oder die die Partei der Behörde zur Kenntnis gebracht hat (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, I2, Seite 1907 Anm. 4 zu § 8 Zustellgesetz). Der Aktenlage lässt sich zwar entnehmen, dass die Beschwerdeführerin vom Bundesasylamt in das Sonderquartier G-Straße Nr. 39 zugewiesen wurde, jedoch nur bis 4. Jänner 2000. In der Niederschrift des Bundesasylamtes vom 4. Jänner 2000 ist hinsichtlich der Angabe der Adresse der Beschwerdeführerin nur der Verweis auf "DG3" (nach Seite 1 des erstinstanzlichen Aktes die für "Wohnadressen" bestimmte "Datengruppe 3") enthalten. Aus dem Akt geht aber nicht hervor, ob eine bzw. welche Adresse in dieser Datengruppe enthalten war. Auch diesbezüglich hätte es somit einer näheren Begründung zur Frage der Zulässigkeit der Anwendung des § 8 Zustellgesetz bedurft. Dies umso mehr, als der Postfehlbericht ("unbekannt", und nicht etwa: "verzogen") keinen Hinweis darauf enthielt, dass an der Zustelladresse G.-Straße 2/214 eine Abgabestelle der Beschwerdeführerin bestanden habe und diesbezüglich eine Änderung eingetreten sei.

Da die belangte Behörde trotz der genannten Umstände ohne nähere Prüfung von einer rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz ausgegangen ist, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit, weshalb dieser wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 20. Juni 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000200285.X00

Im RIS seit

18.10.2002

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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